04.01.2013 Aufrufe

1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1<br />

nen der Komplexität zu wählen und zu begründen.<br />

Teiltheorien (der kollektiven Identität, der Organisation<br />

oder Mobilisierung, der externen<br />

Handlungschancen usw.) können dann relativ' geschlossene<br />

Systeme' unter 'ceteris paribus'-Annahmen<br />

konstruieren und erwartbare Beziehungen<br />

zwischen darin relevanten Variablen begründen,<br />

welche als ex ante formulierte Hypothesen<br />

empirische Forschung leiten können. Der komplexe<br />

pro-theoretische Bezugsrahmen erlaubt also<br />

einerseits die Konzentration auf bestimmte<br />

Analyseebenen (man kann ja schließlich nicht<br />

Alles untersuchen!). Dabei gelingt es, die relative<br />

Berechtigung jener Perspektiven, welche im wissenschaftlichen<br />

Konkurrenzkampf zu einseitigen<br />

'Theorien' überhöht werden, zu demonstrieren.<br />

Andererseits ist er ein wirksames Gegengift gegen<br />

unhaltbare theoretische Generalisierungen. In der<br />

empirischen Forschung bietet er einen Problemhintergrund,<br />

der es erlaubt, den Zusammenhang<br />

zumindest nicht zu vergessen, wenn man ihn<br />

schon nicht detailliert untersuchen kann.<br />

• Das Problem der Komplexität scheint mir also<br />

durch denEntwurf eines tiefgestaffelten pro-theoretischen<br />

Bezugsrahmens und die schrittweise<br />

Erarbeitung erklärungskräftiger Teiltheorien zumindest<br />

berarbeitbar. Aber gerade bei der Konstruktion<br />

von Teiltheorien für die verschiedenen<br />

Ebenen und die Analyse 'struktureller', 'funktionaler'wie'kausaler'<br />

Beziehungen muß beachtet<br />

werden, daß jene 'systemischen' Zusammenhänge<br />

lockerer strukturiert, offener und 'kontingenter'<br />

sind als traditionelle Theoriekonzepte einräumen.<br />

4<br />

In meinem Entwurf der Pro-Theorie<br />

wird vielleicht noch zu oft protestierend 'it depends'<br />

gerufen in der doppelten, nicht klar unterschiedenen<br />

Bedeutung: Das Resultat hängt (einerseits)<br />

von anderen Analysebenen ab, andererseits<br />

ist auch innerhalb der konstruierbaren geschlossenen<br />

Systeme von nicht-deterministischen Beziehungen<br />

und offener Zukunft auszugehen. Diese<br />

Unscharfe hängt damit zusammen, daß in 'Kollektives<br />

Handeln' für die Ausarbeitung von Teiltheorien<br />

nur jeweils erste Ansätze formuliert wurden.<br />

Sobald man sich wirklich an dieses Geschäft<br />

macht, und sobald man auf den jeweiligen Stufen<br />

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/92<br />

mit prinzipiell nicht-deterministischen Modi der<br />

Bestimmung operiert, wird das ständige Wiederholen<br />

von 'it depends' leicht kontraproduktiv;<br />

man will dann nicht nur wissen, 'wovon' die<br />

behaupteten Relationen abhängen, sondern auch<br />

inwieweit, 'in welchem Maße'. 5<br />

• Aus der Überzeugung, daß die Kluft zwischen<br />

Theorie und Empirie oder Geschichte nicht in<br />

einem Wurf überwunden werden kann, und motiviert<br />

durch die tiefe Abneigung gegen 'Einleitungstheorie'<br />

und 'Fußnotengeschichten' habe<br />

ich - scheinbar paradox - den Abstand zur Empirie<br />

noch erhöht. Dies ist vor allem begründet im<br />

verbleibenden Unbehagen am begrifflichen Instrumentarium<br />

und der theoretischen Problemstrukturierung<br />

auch noch in jenen beiden theoriestrategischen<br />

Reaktionen auf die erkannte Unfruchtbarkeit<br />

oder den nahenden Tod der 'grand<br />

theories', denen sich mein Ansatz am meisten<br />

verpflichtet weiß: erstensden empirisch gesättigteren<br />

'middle-range theories', und zweitens jenen -<br />

seit sicher zwanzig Jahren erfreulicherweise immer<br />

stärker werdenden - Strömungen, welche<br />

Geschichte und Soziologie programmatisch zu<br />

verbinden suchen.'Trotzdervermeintlichen Nähe<br />

meiner Pro-Theorie zur - zu Recht in Diskredit<br />

geratenen - 'formalen Soziologie' oder des tatsächlichen,<br />

kritischen Anschlusses an die - ganz<br />

und gar zu Unrecht so wenig produktiv in historischer<br />

wie empirischer Forschung verwendeten -<br />

Weberschen soziologischen Grundbegriffe hoffe<br />

ich, daß dieser pro-theoretische Bezugsrahmen<br />

neue und fruchtbarere Kontakte zur empirischen<br />

und historischen Forschung eröffnet.<br />

Voraussetzung des Entwurfs einer derartigen Pro­<br />

Theorie war schließlich die Entwicklung eines Konzepts<br />

relationaler kognitiver Autonomie,'' das in der<br />

Lage ist, die eingerostete Konfrontation von 'wertfreier<br />

Wissenschaft im Elfenbeinturm' versus 'parteilicher',<br />

'unkritisch-legitimatorischer Begleitforschung'<br />

zu durchbrechen, welche auch in der Diskussion<br />

im '<strong>Forschungsjournal</strong>' angesprochen wurde.<br />

Gerade wenn man erkennt, daß es 'wertfreie' Theorie<br />

und Forschung im strikten Sinne überhaupt nicht<br />

geben kann, daß in Gegenstandswahl, Disziplinab-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!