1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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18 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/92<br />
(3) Schon aus dieser anspruchslosen Auflistung ergeben<br />
sich einige Hinweise, um die Diskussion über die<br />
NSB anders auszurichten:<br />
® Nicht nur die Bestimmung jeweils "ausreichender<br />
Gemeinsamkeiten" zwischen den einzelnen <strong>Bewegungen</strong>,<br />
welcheals NSB zusammengefaßt werden<br />
sollen,bereitetSchwierigkeiten, sondern schon<br />
die Auswahl und das relative Gewicht dieser<br />
"Merkmalsdimensionen" (Görg 1989:101) selber.<br />
Die oben referierten Autoren beschränken<br />
sich ohne gute Gründe auf die bekannten drei oder<br />
vier Kriterien.<br />
@ Schon in der Analyse einzelner <strong>Bewegungen</strong>, erst<br />
recht in der der umfassenden NSB selber, sind<br />
nicht in allen Dimensionen gleiche Antworten zu<br />
erwarten. Einzelne <strong>Bewegungen</strong> kombinieren<br />
z.B. in bunter Mischung relativ 'neue' Themen<br />
mit bekannten Strategien und Aktionsformen usw.<br />
Jeder irgendwie informierte Bewegungsvergleich<br />
zeigt ein hohes Maß an Heterogenität zwischen<br />
den verschiedenen <strong>Bewegungen</strong>, welche im Containerbegriff<br />
der NSB aggregiert sind. Auch Versuche,<br />
welche das Neuartige der NSB gerade in<br />
der Kombination jeweils in sich problematischer<br />
und zweifelhafter Homogenitäten und Neuheiten<br />
in den verschiedenen Dimensionen zu erkennen<br />
suchen (z.B. Cohen 1985:666), klammern dieses<br />
Problem aus.<br />
@ Wie immer wieder gezeigt worden ist, ist das<br />
'Neue' so neu nicht (vgl. die 'alten' Sektenbewegungen,<br />
Kulturbewegungen, Lebensreformbewegungen,<br />
anarchistische und utopisch-sozialistische<br />
<strong>Bewegungen</strong>). Seriösere Diskussionen<br />
verlangen also ausgearbeitete historische Vergleiche,<br />
um plausibel begründen zu können, was<br />
warum und inwiefern relativ neu ist. Statt der<br />
häufig vorausgesetzten Diskontinuitäten und qualitativen<br />
'Sprünge' werden dann wohl graduelle<br />
Aussagen erforderlich.<br />
@ Hochaggregierte Containerbegriffe erlauben keine<br />
differenzierte Analyse der groben und feinen<br />
Unterschiede, während umgekehrt begriffliche<br />
Disaggregation der Analyse von faktischer Ho<br />
mogenität und von Zusammenhängen zwischen<br />
verschiedenen <strong>Bewegungen</strong> nichts in den Weg<br />
legt, solange sie nicht als empirische Disaggregation<br />
oder Isolation mißverstanden wird. 20<br />
Wie<br />
immer man sichjedoch in der terminologischen<br />
Frage der 'neuen' <strong>Bewegungen</strong> auch entscheiden<br />
möge, auf jeden Fall müssen die sachlichen Probleme<br />
im Vordergrund stehen, welche niemals<br />
durch konzeptionelle Entscheidungen gelöst werden<br />
können. Das oberflächlich stärkste Argument<br />
der Befürworter der konzeptionellen und Analysestrategie<br />
'neue soziale <strong>Bewegungen</strong>' besteht<br />
darin, daß sie meinen, nur diese erlaube die<br />
Untersuchung übergreifender Gemeinsamkeiten<br />
der verschiedenen <strong>Bewegungen</strong>, sowie die ihrer<br />
Einbettung in politische Protestzyklen. Sicherlich<br />
wäre es verkehrt, die Einzelbewegungen zu<br />
isolieren, weil man dabei Gefahr läuft, "mögliche<br />
Zusammenhänge zu vergessen" (Görg 102). Aber<br />
auch wenn man viele der gemeinten <strong>Bewegungen</strong><br />
in vielen Hinsichten gar nicht 'neu' findet, muß<br />
jede nicht-reduktionistische Bewegungsanalyse<br />
sich um den Bewegungskontext kümmern. Mit<br />
der begrifflichen Festlegung 'neue soziale <strong>Bewegungen</strong>'<br />
ist dieser natürlich ebenfalls nicht<br />
empirisch untersucht, sondern nur konzeptionell<br />
postuliert.<br />
© Auf jeden Fall also gilt es, sich "mit den einzelnen<br />
<strong>Bewegungen</strong> und ihren Besonderheiten zu beschäftigen,<br />
ohne den Blick durch konzeptionelle<br />
Scheuklappen auf der Meta-Ebene" verstellt zu<br />
haben (Rothgang 1989:86). Gerade hierfür bietet<br />
die 'Pro-Theorie kollektiven Handelns' differenzierte<br />
Konzepte, übersichtliche Problemstrukturierungen,<br />
Ansätze zur Ausarbeitung von 'middle-range<br />
theories' und vor allem eine informative<br />
Forschungs-'Agenda'. Historisch und empirisch<br />
interessierte Bewegungsforscher sollten sich daher<br />
vom verständlichen Mißtrauen gegen das inflationäre<br />
Angebot ebenso 'neuer', 'eleganter',<br />
'großer' wie unfruchtbarer Theorien nicht abhalten<br />
lassen. Gerade für ausführliche Bewegungsmonographien<br />
wie für - historisch, national wie<br />
international - vergleichende Bewegungsanalysen<br />
21<br />
steht hier ein Bezugsrahmen zur Verfügung,