04.01.2013 Aufrufe

1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ZIH<br />

Hermann Voesgen<br />

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/92<br />

Selbstgewählte Nachbarschaften<br />

Gemeinsam wohnen in Hausgemeinschaften und Wohngruppen<br />

Das deutsche Wort 'Nachbar' ist zusammengesetzt<br />

aus den Wörtern 'nah' und 'Bauer' und bedeutet<br />

ursprünglich "nahe bei wohnen" (HAMM, 1973).<br />

Die benachbarten Bauern verbanden normativ festgelegte<br />

Nachbarschaftsverpflichtungen. Mit der Zerstörung<br />

der feudalen Bande wurden die<br />

Nachbarschaftsbeziehungen ausgedünnt und unverbindlicher.<br />

Gleichwohl müssen sich auch die modernen<br />

Bewohner auf ihre Nachbarn beziehen. Nachbarn<br />

hat man, sie sind durch den Raum vorgegeben.<br />

Berücksichtigt man diese Bestimmung von Nachbarschaft,<br />

dann ist der Titel "Selbstgewählte Nachbarschaften"<br />

paradox, weil in der Nachbarschaft doch<br />

gerade die räumliche Nähe die sozialen Beziehungen<br />

konstituiert. In den vergangenen Jahren sind jedoch<br />

zahlreiche Wohnexperimente entstanden, in denen<br />

dieser Zusammenhang nicht mehr akzeptiert wird. In<br />

den Gruppen suchen sich die Bewohner ihre Nachbarn<br />

aus. Wir haben in einer Untersuchung zwei<br />

Typen selbstgewählter Nachbarschaften analysiert.<br />

Zum einen Wohngruppen von Haushalten, die gemeinsam<br />

eine Häusergruppe geplant und gebaut<br />

haben (zwischen vier und 50 Haushalten). Zum<br />

anderen haben wir sogenannte Hausgemeinschaften<br />

untersucht. Dieser Begriff hat sich eingebürgert für<br />

den Zusammenschluß von zwei bis drei Haushalten,<br />

die sich ein Haus suchen, um gemeinsam dort zu<br />

wohnen. Den Bewohnern dieser Projekte ist gemeinsam,<br />

daß sie gerne eng mit Nachbarn zusammenwohnen<br />

möchten, es aber nicht dem Zufall überlasssen<br />

wollen, wer ihre Nachbarn sind.<br />

Bei dieser Auswahl entstehen weitgehend homogene<br />

Gruppen, worauf ich zunächst eingehe. Dann suche<br />

ich nach Gründen für den Wunsch, mit ähnlichen<br />

Leuten zusammenzuwohnen, um schließlich die Grenzen<br />

der Homogenisierung und die Chancen dieser<br />

Wohnformen zu beleuchten.<br />

1. Die gleiche Wellenlänge<br />

1.1 Sozialstruktur und Lebenssituation<br />

Typische Bewohner einer Hausgemeinschaft oder<br />

einer Wohngruppe sind das doppelt verdienende<br />

Lehrerehepaar, ca. 35 Jahre alt mit zwei Kindern<br />

zwischen zwei und zehn Jahren; mindestens einer der<br />

Partner hat die Zahl der Unterrichtsstunden reduziert,<br />

vorwiegend die Frau. Typisch ist dieser Haushaltstyp<br />

in mehrerer Hinsicht. In den Projekten dominieren<br />

die Akademiker in pädagogischen und sozialen Berufen.<br />

Überwiegend leben in den Wohngruppen und<br />

Hausgemeinschaften Leute mittleren Alters. Eine<br />

Altersmischung ist in den Projekten nicht festzustellen.<br />

Es gibt keine jungen Erwachsenen um die 20<br />

Jahre, und es finden sich nur ganz vereinzelt ältere<br />

Menschen. Fast alle Bewohner haben Kinder. In<br />

mehreren Fällen sind Bewohner ohne Kinder wieder<br />

ausgezogen, aufgrund von Konflikten zwischen Eltern<br />

und kinderlosen Bewohnern.<br />

1.2 Normen und Haltungen<br />

Sozialstruktur und Lebenssituation sind grobe Siebe<br />

für die potentiell in Frage kommenden Bewohner.<br />

Aber nicht alle Lehrer kommen miteinander aus;<br />

auch nicht alle Erwachsenen, die Kinder haben,<br />

finden sichsympathisch, genausowenig wiealle35jährigen<br />

etwas miteinander zu tun haben wollen. Für die<br />

Auswahl der passenden Bewohner werden noch fei-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!