1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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hema "<strong>Soziale</strong> Netzwerke und psychische<br />
Gesundheit" weist die<br />
kommentierte Bibliographie von<br />
Biegel, McCardle & Mendelsohn<br />
1340 Arbeiten aus, Stand 1985<br />
(vgl. Keupp 1987); allerdings<br />
beschränken sich die bisherigen<br />
Arbeiten auf spezifische Teilansichten.<br />
Insbesondere steht der Sozial-<br />
und Selbsthilfesektot* im Mittelpunkt<br />
des Erkenntnisinteresses.<br />
Nach dem bisherigen Kenntnisstand<br />
fehlt bislang eine historisch<br />
angelegte und fachübergreifende<br />
"Geschichtsschreibung" der Entstehungsbedingungen<br />
von Netzwerken.<br />
Die naheliegende Hypothese,<br />
daß der Netzwerkbegriff seine<br />
Ursprünge der Informationstechnologie<br />
verdankt, erweist sich<br />
bei näherer Betrachtung zumindest<br />
als überprüfenswert. Der Soziologe<br />
Georg Simmel sprach z.<br />
B. bereits am Ende des 19. Jahrhunderts<br />
vom "Netzwerk der Gesellschaft"<br />
(Simmel: 1983, 292),<br />
als die ersten Radio-Networks und<br />
die magischen Kanäle des Marshall<br />
McLuhan 7<br />
noch ferne Zukunft<br />
waren. Es erscheint deshalb durchaus<br />
lohnenswert, die "Entstehungsbedingungen"<br />
und den Kontext<br />
desNetzwerk-Begriffeseingehender<br />
zu untersuchen. Mit dem Versuch<br />
einer begrifflichen Klärung<br />
wird gleichermaßen intendiert, den<br />
Bedeutungswandel des Begriffs im<br />
Längsschnitt zu beleuchten. Der<br />
derzeitige inflationäre Gebrauch<br />
des Begriffs legt die Vermutung<br />
nahe, daß die gesellschaftlichen<br />
Bedingungen sich soweit gewandelt<br />
haben, daß sie heute "reif sind"<br />
für vielfältige Netzwerkbildungen.<br />
Welche Rückschlüsse daraus für<br />
die Bedeutung von Netzwerken<br />
für einen ökologisch-sozialen und<br />
kulturellen Wandel zu ziehen sind,<br />
gehört zur zentralen Fragestellung<br />
des Projekts.<br />
Bevor diese Fragestellung beantwortet<br />
werden kann, bedarf es einer<br />
Annäherung an die Fragen:<br />
Was ist ein Netzwerk? Wie arbeitet,<br />
wie funktioniert es? Dabei geht<br />
es nichtum eine naturwissenschaftlich<br />
exakte Definition. Auch und<br />
gerade dieses soziale Phänomen<br />
entzieht sich einer solchen Absicht.<br />
Ziel des Projekts ist es deshalb,<br />
aus einer möglichst breit angelegten<br />
Identifizierung von nationalen<br />
und internationalen Netzwerken<br />
eine systematische Typisierung<br />
vorzunehmen. Dabei kann<br />
auf Vorarbeiten zurückgegriffen<br />
werden, wie z. B. von Schenk<br />
(1984). Der Versuch einer Typisierung<br />
und Beschreibung des Phänomens<br />
Netzwerk soll sich an<br />
grundlegenden Forschungsfragen<br />
des Projekts orientieren: Warum<br />
entstehen Netzwerke? Welche<br />
Rolle spielt die wissenschaftliche<br />
und technologische Entwicklung<br />
bei der Durchsetzung des Netzwerk-Gedankens?<br />
In welchen gesellschaftlichenBereichen<br />
tauchen<br />
Netzwerke auf? Was unterscheidet<br />
Netzwerke von anderen Formen<br />
sozialer bzw. technischer Organisation?<br />
In welcher Beziehung<br />
stehen Netzwerke zu ihrer Umwelt?<br />
In erster Linie sollen dabei<br />
die Sphäre der Ökonomie, der Bereich<br />
der sozialen <strong>Bewegungen</strong>,<br />
das Feld kultureller Aktivitäten,<br />
die Entwicklung der Informationstechnologie<br />
sowie das weite<br />
Feld der Selbstorganisation als<br />
Schlüsselbegriff für neue Forschungsansätze<br />
in den Naturwissenschaften,<br />
insbesondere in der<br />
FORSCHUNGSJOURNAL NSB 1/92<br />
neueren Evolutionstheorie, beachtet<br />
werden (vgl. Probst 1987, Maturana<br />
1987, Krohn/Küppers 1990,<br />
diese Ansätze politikwissenschaftlich<br />
verarbeitend: Bohret 1990).<br />
Der bewußt weitgefächerte Analysehorizont<br />
soll ein möglichst<br />
umfassendes Bild der Netzwerkbildung<br />
ermöglichen. Gleichzeitig<br />
sollen die analysierten und erfaßten<br />
Netzwerke der Erweiterung<br />
der am SFZbestehenden Zukunftsdatenbank<br />
8<br />
dienen. Die systematische<br />
Typisierung bildet eine wichtige<br />
Voraussetzung für die eingangs<br />
erwähnte Fragestellung,<br />
welchen Beitrag Netzwerke zum<br />
ökologisch-sozialen und kulturellen<br />
Wandel leisten (können). Mit<br />
der Systematik ist die Absicht verbunden,<br />
spezifische Muster der<br />
Problembewältigung durch Netzwerke<br />
zu erkennen bzw. zu fragen,<br />
ob es für unterschiedliche Gebiete<br />
jeweilsverschiedene Varianten der<br />
Netzwerkbildung gibt.<br />
Projektbegleitend kommt es darauf<br />
an, exemplarisch einige Netzwerke<br />
genauer - im Sinne von<br />
Fallstudien - zu untersuchen. Die<br />
Systematisierung soll dabei die<br />
Auswahl interessanter Beispielefür<br />
Netzwerke unterstützen. Ziel der<br />
Fallstudien wäre neben einer empirischen<br />
Fundierung der bisherigen<br />
Aussagen die Suche nach verallgemeinerbaren<br />
Prinzipien der<br />
Netzwerkarbeit und -methodik.<br />
Der hochgradig informelle Charakter<br />
der Netzwerke dürfte hierbei<br />
ein ernstzunehmendes Hindernis<br />
darstellen. Allerdings ist davon<br />
auszugehen, daß Netzwerke idealtypisch<br />
in der Praxis nicht vorkommen.<br />
Eher ist zu vermuten,<br />
daß Netzwerke in tradierte gesell-