1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/92<br />
tur" ist der Weichmacher bei der städtischen Modernisierungspolitik<br />
und übernimmt die Aufgabe, die<br />
einst von der Studenten- und Hausbesetzerbewegung<br />
geäußerte Kritik an den Formen der Vergesellschaftung<br />
in marktfähige Angebote an "mehr Lebensqualität"<br />
umzuwandeln.<br />
In Frankfurt wurde der Besetzung der Räume, dem<br />
"Herstellen von Urbanität" (Deutscher Städtetag),<br />
dem Einsatz von Städtebau- und Kulturpolitk als<br />
Mittel des "urban design" nur an wenigen Orten<br />
Widerstand entgegengesetzt. Versuchten Teile der<br />
Hausbesetzerszene, die neue innerstädtische Aufhellung<br />
in Kultur-, Freizeit- und Verkehrszonen, in<br />
Wohn- und Geschäftsviertel aufzubrechen und erklärten<br />
an den Flohmarktsamstagen die am Main<br />
verlaufende Bundesstraße zum (Verkehrs-)Freiraum,<br />
das gesamte Mainufer zur "freien Handelszone", war<br />
dies willkommener Anlaß, denFlohmarktvomMainufer<br />
hinter die Mauern des Schlachthofes zu vertreiben.<br />
Die Interessen der von Verkehrslärm und nun<br />
auch noch von Gebrauchtwarenhandel geplagten<br />
Anwohner wurden vorgeschützt, um diesen Straßenund<br />
Uferabschnitt mit seinen kommunalen Neubauten<br />
zum für den Kulturflaneur störungsfreien "Museumsufer"<br />
umzudefinieren. 5<br />
Öffentlichkeit - im liberal-bürgerlichen Sinne Ort des<br />
von Eigen- und Privatinteresse sowie von Staat und<br />
Obrigkeit unabhängigen Raisonnements 6<br />
- wurde<br />
nun "angeboten", um Identifizierungsmöglichkeiten<br />
zu schaffen. Den bestehenden städtischen Öffentlichkeiten,<br />
den Nischen und Versuchen selbstbestimmter<br />
Lebensplanung wurde nicht nur durch den gestiegenen<br />
Investitionsdruck, sondern auch durch eine Stadtpolitik<br />
der Boden entzogen, die über Kulturinszenierungen<br />
städtische Öffentlichkeit redefiniert:<br />
"Open-Air-Kino am Main", Theater auf<br />
dem Römerberg, Großbildschirm auf dem Opernplatz,<br />
Budenzauber in der Innenstadt, gesponserte<br />
Kunstausstellungen in der "Schirn", Kulturprogramme<br />
als Ambiente.<br />
Die kommunale Kommerzialisierung der öffentlichen<br />
Sphäre geht einher mit der Privatisierung der<br />
Stadt. Wurden die Hochhausneubauten in Frankfurt<br />
als Gewinn an "Urbanität" diskutiert, so gelang es<br />
beim "Messeturm", "Europas höchstem Hochhaus",<br />
so der Slogan der Investoren, nicht einmal, die zukünftige<br />
öffentliche Begehbarkeit des Gebäudes mit<br />
den Investoren vertraglich abzusichern. Ein anderes<br />
Beispiel ist der öffentlichte Durchgang zwischen den<br />
zwei Türmen der Deutschen Bank. Er wird von<br />
nervösem Wachpersonal freigehalten und die Bordsteinkanten<br />
des Eckgebäudes sind aus Sicherheitsgründen<br />
gegen parkende Auto(bomben) "abgepollert".<br />
Anderenorts in der Stadt wird dieses Sicherheitsproblem<br />
durch Wassergräben mit Umwälzanlage<br />
- sprich Brunneninszenierungen - gelöst, nur daß<br />
es weder Platz noch Gelegenheiten gibt, sich davorzu<br />
versammeln.<br />
4. Neustrukturierung -<br />
Der heimliche Standortfaktor<br />
Städtischer Kulturrummel wird als Standortfaktor<br />
gehandelt: als "Zukunftsinvestition" für den lokalen<br />
Arbeitskräftemarkt, als Infrastruktur für die Befriedigung<br />
kompensatorischer Freizeitbedürfnisse der<br />
gutbezahlten Dienstleistlerlnnen. Das publizierte<br />
"Neue Interesse an der Kultur" beinhaltet aber noch<br />
einen anderen, einen "heimlichen Standortfaktor":<br />
den Arbeitsmarkt für Intellektuelle. Ihre Aufgabe ist<br />
es, die Produkte der Kulturindustrie "besser" zu<br />
machen, so zum Beispiel Ausstellungen zu erarbeiten<br />
oder die Museen mit neuen Ideen zu füllen.<br />
Die Wei terentwicklung des Museumswesens brachte<br />
vor Ort das Frankfurter Museumsufer 7<br />
, welches laut<br />
Wallmann, CDU-Oberbürgermeistervon 1977-1987,<br />
dazu beigetragen hat, "Frankfurt von dem Ruf zu<br />
befreien, ein reines Wirtschafts-und Dienstleistungszentrum<br />
zu sein" 8<br />
. War bisher Stadtmarketing Agentursache<br />
9<br />
, so bietet die Stadt seit der rot-grünen<br />
Römerkoalition (1989) den "Diskurs vom Amt".<br />
"Wir machen Öffentlichkeit!" lautet die Devise von<br />
Frauen-, Planungs- und Umweltamt. Für den neudefinierten<br />
Bereich des "Multikulturalismus" wurde<br />
hierfür eigens ein neues Amt geschaffen 10<br />
. Während<br />
die rot-grüne Koalition dem Investitionsdruck nachgibt<br />
und die weitere Verdichtung der Innenstadt mit<br />
-bisher zehn - Bürotürmen plant, betreiben die zuständigen<br />
Ämter den "Diskurs des Städtischen" 11<br />
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