04.01.2013 Aufrufe

1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1<br />

Frank-Olaf Brauerhoch<br />

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/92<br />

Kulturpolitik<br />

und städtische <strong>Bewegungen</strong> -<br />

Das Beispiel Frankfurt am Main<br />

1. Verarbeitung städtischen Protestes<br />

durch die Kulturpolitik<br />

Den vom Lichterschein des brennenden Hochhausgerüstes<br />

angelockten Menschen im südlichen<br />

Frankfurter Westend scheint eine gewisse Begeisterung<br />

ins Gesicht geschrieben. Der Brandherd am<br />

Baugerüst des nach seinem Investor benannten "Selmi-Hochhauses"<br />

am Platz der Republik liegt in den<br />

oberen Stockwerken; die herbeieilende Feuerwehr<br />

kommt auf Grund zu kurzer Leitern nicht wie vorgesehen<br />

zum Einsatz. Die (kurzzeitige) Ohnmacht der<br />

Feuerwehrmänner führtzum Am usementder umherstehenden<br />

Bevölkerung; ein scheinbarer Schlag gegen<br />

die Westend-Spekulanten, ein positives Erlebnis<br />

gegenüber der sonst täglich erlebten Ohnmacht im<br />

Kampf gegen Hochhausbauten und Wohnraumzerstörung.<br />

Das war zu Beginn der siebziger Jahre. Die "Aktionsgemeinschaft<br />

Westend (AGW)" versucht, sich gegen<br />

die von der Stadt beschlossene Umwandlung "ihres"<br />

gründerzeitlichen Wohngebietes zum "City-Erweiterungsgebiet"<br />

zur Wehr zu setzen. Der amtierende<br />

Oberbürgermeister Rudi Arndt ("Dynamit-Rudi", da<br />

er die Ruine der später wieder aufgebauten "Alten<br />

Oper" in die Luft sprengen lassen wollte) gibt sich<br />

gelassen, begrüßt die ersten Besetzungen leerstehender<br />

Wohnhäuser als "Argumentationshilfe" für das<br />

Vorgehen der Stadt gegenüber Westendspekulanten,<br />

während die Menge bei besagtem Hochhausbrand-<br />

Happening skandiert: "Der Rudi ist ein Hampelmann<br />

- und der Selmi zieht daran!".<br />

Die protestierenden "mündigen Bürger" paßten ins<br />

sozial-demokratische Konzept von "mehr Demokratie<br />

wagen" (Willy Brandt), von Wachstum und Fortschritt.<br />

Die Koalition aus aufgebrachten Westendbewohnern,<br />

der Schüler- und Studentenbewegung und<br />

Arbeitsemigranten konnte zu Beginn die Unterschiede<br />

zwischen ihren Mitgliedern bei den Realisierungschancen<br />

konkurrierender Lebensentwürfe überbrükken:<br />

Die Erhaltung einer Westendvilla ist für Hausund<br />

Wohngemeinschaften mit Kinderladen im Erdgeschoß<br />

ebenso interessant wie für die gutbürgerlichen<br />

Wohnzwecke der in der Stadt Verbliebenen.<br />

Während die von Teilen der städtischen Bevölkerung<br />

praktizierten Alternativen im Lebenswandel bei Kulturpolitikern<br />

noch als "Chaos" wahrgenommen werden,<br />

rufen Bürgermeister als Reaktion auf die Proteste,<br />

die die Modernisierung der Stadtstrukturen begleiten,<br />

bereits die "menschliche Stadt" aus, werden<br />

"Bildung und Kultur zu Elementen der Stadtentwicklung"<br />

erklärt (Deutscher Städtetag 1972).<br />

In Frankfurt eröffnet Rudi Arndt den Flohmarkt am<br />

Mainufer, die erste Fußgängerzone im Apfelweinund<br />

Touristenviertel "Sachsenhausen" sowie den<br />

Neubau des "Historischen Museums" auf dem Römerberg.<br />

Die Museumsmitarbeiter schreiben die<br />

Geschichte neu und wollen durch die von ihnen<br />

neukonzepierte "ständige Ausstellung" es nicht mehr<br />

"dem Besucher überlassen, welchen Nutzen er je<br />

nach Bildungsgrad aus dem Gezeigten zieht" 1<br />

. Diese<br />

Versuche der Konstruktion von Chancengleichheit<br />

finden in der konservativen Stadtpresse als "Klassenkampf<br />

im Museum" ihren (gewünschten) Widerhall.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!