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1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/92 "1<br />

der Gewerkschaft, in einer Dritte-Welt-Gruppe, in<br />

der Partei usw. Der Unterschied zum konventionellen<br />

Verhalten ist offensichtlich - die Wohnungssuche<br />

über Zeitungsanzeigen und Makler spielt bei den<br />

Wohnprojekten kaum noch eine Rolle. Schaut man<br />

sich die Gründungsphase einer Wohngruppe an, verläuft<br />

das typischerweise so: Ein Architekt oder einige<br />

Interessierte sammeln um sich eine Interessentengruppe.<br />

Man erfährt von dieser Gruppe durch Freunde,<br />

Bekannte, Kollegen, kurz: über Mundpropaganda<br />

werden weitere Teilnehmer gefunden. Die anschließende<br />

Planungsphase dauert im Durchschnitt zwei<br />

Jahre und hat auch die Funktion eines Selektionsprozesses.<br />

Im Lauf der gemeinsamen Planungsarbeit<br />

stellt sich heraus, wer nicht in die Gemeinschaft<br />

paßt, und wie nebenbei bildet sich die<br />

Bewohnergruppe.<br />

Noch deutlicher kann man bei den Hausgemeinschaften<br />

die Bedeutung der Szene für die Gruppenbildungbeobachten.<br />

Nur in einem Fall wurde eine<br />

Zeitungsanzeige aufgegeben, um Mitbewohner zu<br />

finden. Die meisten Bewohner kannten sich vorher<br />

über den Beruf, gemeinsamen Bekanntenkreis, eine<br />

politische, soziale oder kulturelle Gruppe. Sucht man<br />

einen neuen Mitbewohner, so spricht sich das in der<br />

Szene schnell herum.<br />

2. Warum müssen sich die Bewohner<br />

ähnlich sein?<br />

Ein Schlüsselwort für die Analyse der Projekte ist<br />

Lebens'rhythmus'. Der gemeinsame Rhythmus ist<br />

die funktionale Basis für ein ausgeglichenes und<br />

entlastendes Zusammenleben. Erwartet werden von<br />

den Mitbewohnern aber auch' Melodien'. Man möchte<br />

sich unterhalten, anregen und bewegen lassen. Die<br />

beiden Aspekte werde ich kurz darstellen.<br />

2.1 Bei aller Freundschaft<br />

Ein wichtiges Motiv für die Gründung von Hausgemeinschaften<br />

und Wohnprojekten ist der Wunsch<br />

nach Entlastung vonHausarbeitundKinderbetreuung.<br />

Das reicht von gelegentlichem Aufpassen auf die<br />

Kinder bis zu regelmäßigen Kochdiensten. Wie aus­<br />

giebig die Entlastungsmöglichkeiten auch genutzt<br />

werden: Immer gilt das Prinzip der Gegenseitigkeit.<br />

Die Arbeit, die man für andere in der Gemeinschaft<br />

macht, ist nicht selbstverständlich, nicht uneigennützig.<br />

Es ist keine natürlich erscheinende Hilfsbereitschaft<br />

ohne Gegenleistung wie bei Verwandten.<br />

Eine unserer Gesprächspartnerinnen hat Schwierigkeiten,<br />

ihre Mitbewohnerin zu bitten, auf die beiden<br />

Kinder aufzupassen, weil deren Sohnbereits 15 Jahre<br />

alt ist und keiner Beaufsichtigung mehr bedarf. Die<br />

Frau mit den kleinen Kindern kann daher nicht die<br />

entsprechende Gegenleistung erbringen, deshalb "frag<br />

ich auch nicht gern". In besonderen Situationen<br />

springt mannatürlich ein, aber die Bilanz gegenseitiger<br />

Dienstleistungen muß ausgeglichen sein - keine Hausgemeinschaft<br />

und keine Wohngruppe ohne Nettonutzen.<br />

Um eine ausgeglichene Leistung zu erreichen,<br />

muß man mit Leuten zusammenwohnen, die ähnliche<br />

Leistungen erbringen können.<br />

Das Zusammenleben in den Gemeinschaften läßt<br />

sich aber nicht beschränken auf gegenseitigen Nutzen.<br />

Es sind keine Dienstleistungen, die man einfach<br />

in Anspruch nehmen kann, ohne persönliche und<br />

gefühlsmäßige Bindungen. Gegenseitige Hilfen sind<br />

nur möglich, wenn das emotionale Netz hält. Wenn<br />

man die Kinder mal bei Nachbarn "abgeben will",<br />

müssen die Kinder sich dort wohlfühlen. Wenn die<br />

Kinder die anderen Erwachsenen nicht mögen, kein<br />

Vertrauen haben, dann gibt es eben keine Entlastung<br />

von den Mühen der Elternschaft. Die Nachbarn<br />

müssen bereit sein, sich auf "fremde" Kinder einzulassen,<br />

ihnen Geborgenheit und Zuwendung vermitteln.<br />

Hinzu kommt, daß die Erwachsenen sich auch untereinander<br />

mögen oderzumindest entspannt miteinander<br />

verkehren müssen. Wenn die Erwachsenen ein<br />

kühles Verhältnis zueinander haben oder sich zwischen<br />

ihnen Spannungen aufgebaut haben, dann<br />

merken es die Kinder und übernehmen in den meisten<br />

Fällen die Vorbehalte. Ist die Beziehungsebene in den<br />

Gemeinschaften zu kompliziert, dann funktioniert

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