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1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/92<br />

gungskultur eng verflochten sind, in den Vordergrund.<br />

Meine These ist, daß diese neuen <strong>Bewegungen</strong><br />

nicht nur eine Herausforderung für etablierte politische<br />

Institutionen in liberal-demokratischen Gesellschaftsordnungen<br />

darstellen, sie leiten darüber hinaus<br />

eine Infragestellung theoretischer Ansätze ein.<br />

Die politische Radikalität von Bewegungspolitik erstreckt<br />

sich, wie ich im folgenden ausführe, auf<br />

mindestens zwei Ebenen, erstens die Ebene der sozialen<br />

Auseinandersetzung und der Veränderung politischer<br />

Konstellationen, und zweitens auf die Infragestellung<br />

theoretischer Konzepte. Daraus folgt, daß<br />

(alte) Grenzziehungen, zwischen politischen und<br />

nicht-politischen Räumen in Gesellschaft und Theorie<br />

zur Folge haben, daß diese neuen <strong>Bewegungen</strong> als<br />

solche zwar benannt und beschrieben werden, ihre<br />

doppelte Sprengkraft (politisch und theoretisch) jedoch<br />

unerkannt bleibt. Um die "political-ness" der<br />

<strong>Bewegungen</strong> zu begreifen, müssen darum nicht nur<br />

die Grenzen, um deren Veränderung es in der politischen<br />

Auseinandersetzung geht, sondern auch die<br />

theoretische Konstruktion von gesellschaftlichem<br />

Raum definiert werden. Denn, so argumentiere ich,<br />

es ist die Grenzziehung selbst, die die politische<br />

Radikalität in den Theorien neuer sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

gleichsam umzingelt hält und damit aus der<br />

Analyse ausblendet. Entsprechend werfe ich einen<br />

kritischen Blick auf die Bedeutung der "Grenzen"<br />

und der "politischen Ordnung", die in den o.g. Zitaten<br />

theoretisch angesprochen werden.<br />

2. "Räume" 14<br />

politischer<br />

Auseinandersetzung in der<br />

Bewegungsforschung<br />

Um die zentrale Bedeutung der Definition des politischen<br />

Raums für die Bewegungsforschung zu beleuchten,<br />

gehe ich im folgenden auf feministische<br />

Definitionen politischer Konflikte, wie sie im Wechselverhältnis<br />

mit Frauenbewegungen entwickelt<br />

wurden, ein. Damit folge ich der Frage, ob und<br />

inwieweit theoretische Ansätze außerhalb des 'new<br />

paradigm' dazu geeignet sind, die radikale politische<br />

Dynamik von<strong>Bewegungen</strong> zu transportieren, die wie<br />

Frauenbewegungen, 'movimiento populär', autonome<br />

und Hausbesetzer/innenbewegungen nicht als<br />

Bewegungsorganisation, Interessenverband oder in<br />

ähnlich quantifizierbarer Form erscheinen. Bei einer<br />

Durchsicht der Definitionen des "politischen" und<br />

des "privaten" Bereiches der Gesellschaft fällt auf,<br />

daß der Raum legitimer politischer Handlung z.B.<br />

innerhalb der Bewegungsforschung anders definiert<br />

wird als in feministischen Ansätzen. Darum stelle ich<br />

diese unterschiedlichen Definitionen politischen<br />

Raums einander gegenüber. Bevor ich auf die Bedeutung<br />

von Grenzziehungen und der entsprechenden<br />

Raumordnung näher eingehe, gebe ich einen kurzen<br />

Überblick über die unterschiedlichen Ansätze innerhalb<br />

der Bewegungsforschung.<br />

Die NSB-Forschung war nie konzeptionell homogen.<br />

Das Gegenteil ist der Fall 1S<br />

. Dennoch können der<br />

in den USA entwickelte "Resource Mobilization"<br />

(RM)-Ansatz und der europäische "Neue <strong>Soziale</strong><br />

<strong>Bewegungen</strong>" (NSB) Ansatz als dominierend im<br />

'new paradigm' definiert werden. Sie unterscheiden<br />

sich in bezug auf den historischen Entstehungszusammenhang,<br />

die Ebene der Analyse sowie auf die<br />

politische Kultur oder das unterschiedliche Politikverständnis<br />

16<br />

. In den USA, wo das Verhältnis zwischen<br />

Staat und Zivilgesellschaft nie durch eine so<br />

enge Verflechtung gekennzeichnet war wie in Europa<br />

und teilweise in Lateinamerika, bezieht sich die<br />

Bewegungsforschung auf liberal-demokratische<br />

Theorie. So konzentriert der RM Ansatz sich auf<br />

Untersuchungen von Bewegungsorganisationen, die<br />

als Interessengruppen die Partizipation in der pluralistisch<br />

organisierten politischen Sphäre einfordern 17<br />

.<br />

Eine weitere Entwicklung dieses Ansatzes bezieht<br />

sich auf die Analyse von Protestzyklen, die sich<br />

entsprechend aus 'political opportunity structures'<br />

entwickeln 18<br />

. In Europa und Lateinamerika dagegen<br />

hat der Staat als dominierendes und ordnendes Prinzip<br />

von Gesellschaften eine zentrale Bedeutung für<br />

die Entwicklung makro-orientierter Ansätze Weberscher<br />

oder Marxscher Tradition. Diese Denkrichtung<br />

favorisiert systemische Erklärungen für die Entstehung<br />

sozialer <strong>Bewegungen</strong>. Zu den prominentesten<br />

Strängen innerhalb der europäischen Bewegungsforschung<br />

zählen der kulturelle, der politische und der<br />

integrierende Ansatz 19<br />

. Der erste analysiert die Rolle

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