1 - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB 1/92<br />
genfällig. Dabei überrascht vielleicht<br />
allein, daß die Friedens- und<br />
Konfliktforschung bis jetzt keine<br />
Kritik an dieser millionenschweren<br />
und von ihren Ergebnissen her<br />
regressiven Auftragsarbeit geleistet<br />
hat (4). Mit einem erweiterten,<br />
nichtrestinktiven, auf das staatliche<br />
Gewaltmonopol fixierten Gewaltbegriff<br />
sich den Bedingungen<br />
und dem Entstehen von Gewalt<br />
zuzuwenden, stellt eine nach der<br />
Debatte der siebziger Jahre (5)<br />
weiterhin notwendige Herausforderung<br />
für die Friedensforschung<br />
sowie für andere Wissenschaften<br />
und Wissenschaftsansätze dar, die<br />
in den einzelnen Veranstaltungen<br />
unterschiedlich öffentlichkeitswirksam<br />
angenommen worden ist.<br />
Die Zahl der Teilnehmerinnen, die<br />
aus unterschiedlichen Bereichen<br />
und auch von außerhalb der Hochschule<br />
kamen, lag zwischen 3 und<br />
133. Während bei fachphilosophischen<br />
Vorträgen und friedenspolitischenInformationsveranstaltungen<br />
weniger Zuspruch festzustellen<br />
war, wurden insbesondere Kulturveranstaltungen,<br />
die Vorlesung<br />
im Rahmen einer Einführung in<br />
die Friedens- und Konfliktforschung<br />
und ein Gesprächsabend<br />
recht rege besucht. Es wäre voreilig,<br />
aus der Beteiligtenperspektive<br />
eine Gesamtbilanz der Veranstaltungswoche<br />
Ende Oktober 1991<br />
ziehen zu wollen. Dennoch lassen<br />
sich in dreifacher Hinsicht Perspektiven<br />
einer Weiterarbeit gegen<br />
Gewalt und Krieg als extremsterFormderphysischenVernichtung<br />
hervorheben.<br />
I.<br />
Zwar ist Gewalt nicht allgegenwärtig,<br />
jedoch am Ausgang des<br />
20. Jahrhunderts in "extensiven<br />
Kulturen" (6) mit einer industrialistisch-bürokratischenProduktionsweise<br />
und einer Vorherrschaft<br />
von Männern nicht nur in<br />
der etablierten Politik eine empirische<br />
Erscheinung. Bis Ende des<br />
Jahres 1991 waren allein im Irak<br />
nachzuverlässigenBerechnungen<br />
180 000 Kinder im Gefolge der<br />
Militär-und wirtschaftlichen Drohpolitik<br />
gestorben. Daß es einerseits<br />
in Westeuropa möglich ist,<br />
einen erschütternden Dokumentarfilm<br />
über das zerschlagene Land<br />
in den Fernsehanstalten zu placieren<br />
(7) und andererseits Medien<br />
eine gewaltverschärfende und<br />
kriegsföfdende Wirkungsweise<br />
haben (8), gehört zu den derzeitigen<br />
Voraussetzungen von transnationaler<br />
und non-gouvernementaler<br />
Friedensarbeit, zu der auch<br />
eine während der Studienwoche<br />
vorgeschlagene Initiative von untenfüreinedeutsch-irakischeStädtepartnerschaft<br />
gerechnet werden<br />
sollte.<br />
II.<br />
Die feministische Theoriebildung<br />
hat nicht nur vielfältiges Datenmaterial<br />
über Gewalt in zwischenmenschlichen<br />
und geschlechtlichen<br />
Beziehungen vorgelegt, sondern<br />
auchbedeutsame Erklärungsansätze<br />
für die Entstehung von<br />
Gewaltverhältnissen erarbeitet und<br />
auf die Unterscheidung vonMacht<br />
und Gewalt hingewiesen. Daß so<br />
wohl die These von einer männlichen<br />
Vorrangstellungund Überlegenheit<br />
als auch die Annahme einer<br />
spezifisch-weiblichen Friedfertigkeit<br />
zu Deutungssystemen<br />
werden können, die selbst Gewalt<br />
mit hervorruft, wurde in der Diskussionmit<br />
dem Saarbrücker Gastdozenten<br />
Johan Gattung und 1<br />
dem<br />
Basler Philosophen Hans Saner<br />
(9) hervorgehoben. Symbolische<br />
Gewalt in kulturellen Zeichensystemen<br />
und in wissenschaftlichen<br />
Deutungssystemen können nicht<br />
nur Herrschaftsinstrumente sein,<br />
sondern - so zumindest der Kulturwissenschaftler<br />
Hans Saner- auch<br />
zum personenlosen Subjekt einer<br />
Gewaltausübung über die Köpfe,<br />
Körper und Herzen der Menschen<br />
werden. Die Symbolokratie, eine<br />
Herrschaft von Zeichensystemen<br />
in mediensüchtigen Gesellschaften,<br />
wurde kennbar gemacht als<br />
Problem der Gewalt in und im<br />
Austausch zwischen Kulturen, die<br />
mit einer Kulturalisierung sozialer<br />
Auseinandersetzungen in der Weltklassengesellschaft<br />
einhergeht.<br />
III.<br />
Wie auch immer eine Didaktik des<br />
Friedens und die Praxis einer nicht<br />
aggressionslosen Gewaltfreiheit in<br />
den nächsten Jahren auszusehen<br />
vermag, es bleibt ein Dissenz in<br />
der Bewertung von Gewalt sowohl<br />
durch Politiker als auch Wissenschaftler<br />
festzustellen. Wo nicht<br />
eine Beurteilung von Gewalt als<br />
inhumane Sozialpraxis vorgenommen<br />
wird, verschließt sich die PerspektiveeinerGewaltverringerung<br />
weitgehend. Szenische Darstel-