Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen
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Konstruktion einer Küstenidentität<br />
(1982, 1994, 1995, 1997) ausformuliert hat. Gegenwartsflucht korrespondiert demnach<br />
mit einer „Vergangenheitssucht“. Die bewahrenden Institutionen fungieren<br />
gleichsam als Authentisierungsagenturen. Referenzpunkte für diese These sind so<br />
genannte Verlusterscheinungen angesichts gesellschaftlichen Wandels, der Auflösung<br />
nationaler Horizonte und der zunehmenden Globalisierung, mit denen die<br />
Zunahme an – auch historischen – Identifizierungsagenturen bzw. nach Giddens<br />
(1995) die reflexive Aneignung historischen Wissens erklärt wird.<br />
Der kompensatorische Charakter des Gedenkens ist auch im vorliegenden Beispiel<br />
unübersehbar. Ohne eine Skulptur oder ein Denkmal erscheint ein Ort wie<br />
Carolinensiel schmuck- und bedeutungslos, ohne Attraktivität. Für einen touristisch<br />
ausgerichteten Ort wie Carolinensiel kommt zusätzlich zu dem nach innen<br />
gerichteten Bedürfnis nach lokaler Geschichte und Einmaligkeit die Bedeutung der<br />
Außenwirkung hinzu. Das Wahrzeichen soll die Randständigkeit des Urlaubsortes<br />
gegenüber den Nachbarorten, mit denen Carolinensiel nicht konkurrieren kann,<br />
durch eigene Aufwertung vergessen lassen und dem Tourismus <strong>zum</strong> dringend<br />
notwendigen Aufschwung verhelfen. Die Tatsache, dass Carolinensiel weitgehend<br />
vom Tourismus abhängig ist, spielte bei der Skulpturfindung eine zentrale Rolle –<br />
gesucht wurde ein Identifikationsobjekt und Label auch für andere. Schließlich ist<br />
schon die Frauenfigur unter durchaus bewussten Marketinggesichtspunkten gewählt<br />
und sollte als Ausdruck der Zeit gelten, auch wenn sie den postulierten<br />
emanzipatorischen Symbolgehalt letztlich wohl nur für wenige Besucher anzeigt.<br />
Ein Motor der Denkmalinitiierung ist zweifelsohne der stockende Tourismus und<br />
letztlich der Wunsch nach ökonomischem Auskommen des Küstenortes in der<br />
strukturschwachen Region (vgl. Hahn et al. 1987; Danielzyk u. Krüger 1994).<br />
Auch sozial lässt sich die kompensatorische Ausgleichsfunktion erkennen: Die<br />
„Dorfgemeinschaft“, wie es im Ort immer wieder hieß, sollte belebt werden. Erst<br />
mit einem „gemeinschaftlichen“ Festakt wie diesem kann man offensichtlich den<br />
eigenen Erwartungen an den Wohnort entsprechen, genauer: dem Bild eines intakten<br />
Dorfes, wie es von der älteren Volkskunde hätte beschrieben werden können.<br />
Dass weder der Festakt noch die Kommissionsarbeit durchgehend harmonisch<br />
und einträchtig verliefen, auch wenn die Feierlichkeiten von einer Vielzahl von<br />
Bürgern getragen und allgemein als gelungen gewichtet wurden, ist dabei sekundär.<br />
Das Bild der Gemeinschaft stand Pate und leitete die Ereignisse und deren Rezeption.<br />
Die Skulptur und die sie rahmende Jubiläumsfeier sind somit als Versuch<br />
mehrschichtiger lokaler Identitätsstiftung an einem Ort, der sich im Umbruch<br />
befindet, zu deuten.<br />
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