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Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen

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Technikgeschichte als Umweltgeschichte<br />

von Jürgen Kuczynski und seinem Berliner Institut für Wirtschaftsgeschichte wurde<br />

das neue Wissenschaftsfeld zunächst seinem Fach zugeordnet. Erst in den<br />

1980er Jahren und nach heftigen innerdisziplinären wie innerparteilichen Auseinandersetzungen<br />

„[…] bildete sich innerhalb der Historikergesellschaft der DDR<br />

die Fachkommission Wissenschafts- und Technikgeschichte […].“ (Sonnemann<br />

1996: 6) mit dann neuer Zuständigkeit bei der Produktivkraftforschung.<br />

Man tat sich in der DDR, wie bereits angedeutet, also schwer mit einer Umweltgeschichtsschreibung<br />

im Rahmen der Produktivkrafthistoriographie, und dies<br />

hatte vorrangig ideologische Gründe. Die DDR postulierte, mit dem Gesellschaftssystem<br />

des Sozialismus im Vergleich <strong>zum</strong> Kapitalismus – „trotz aller Mängel und<br />

Schwächen“ (Ebd.: 10) – ohnehin die höhere Stufe gesellschaftlicher Entwicklung<br />

zu repräsentieren und, wie unter anderem der „Sputnikschock“ von 1957 dem<br />

Westen deutlich vor Augen geführt haben, auch auf wissenschaftlich-technischen<br />

Felde dem Kapitalismus überlegen zu sein. In der Diktion der damaligen Zeit:<br />

„Der von den Fesseln des Kapitalismus befreite sozialistische Produzent böte in<br />

letzter Instanz die Garantie für die Überlegenheit des sozialistischen Systems.“ (Ebd.)<br />

Vor diesem Hintergrund konstatierte Hans Mottek in seinem 1974 im Jahrbuch<br />

für Wirtschaftsgeschichte der DDR erschienenen Aufsatz „Wirtschaftsgeschichte<br />

und Umwelt“ dogmatisch: „Industrialisierung unter kapitalistischen<br />

Bedingungen stellt den Beginn der Umweltzerstörung dar, die nur auf dem Wege<br />

der Ablösung der anarchischen, auf Profit gerichteten Produktion durch die bewusste<br />

planmäßige Produktion im Interesse der Erhaltung der menschlichen Gesellschaft<br />

überwunden werden kann.“ (Mottek 1974: 81) Dieser Analyse und<br />

Schuldzuweisung folgte dann die Formulierung der Aufgabenstellung im Rahmen<br />

der Geschichte der Produktivkräfte. Diese, „[…] die doch in hohem Maße die<br />

Geschichte des Verhältnisses des Menschen zur Natur ist, muss die Umgestaltung<br />

der Umwelt sowie die umgestaltete Umwelt in viel stärkerem Maße als bisher berücksichtigen.<br />

Die umgestaltete Umwelt, das sind ja auch die Lebensbedingungen<br />

der arbeitenden Menschen als der entscheidenden Produktivkraft. Die umgestalteten<br />

Naturbedingungen, das sind selbst Produktivkräfte, Produktionsmittel […]. Je<br />

mehr die Natur durch den Menschen beeinflusst wird, um so mehr werden die<br />

Systeme der natürlichen Umwelt zu Produktivkräften.“ (Ebd.: 82)<br />

Und das Fazit von Mottek lautet: „Es ist Aufgabe der sozialistischen Gesellschaft,<br />

die Gesamtheit der Wirkungen der menschlichen Produktion planend zu<br />

erfassen und dafür zu sorgen, dass die Maximierung der Produktion in einem<br />

Zweig nicht zur Einschränkung der Produktion in anderen Zweigen, zur Schädigung<br />

der Umwelt führt.“ (Ebd.)<br />

Diese Position spiegelt zwar die offizielle Parteilinie der SED wider, die Realität<br />

in der sozialistischen Gesellschaft sah jedoch für jedermann leicht erkennbar,<br />

ganz anders aus. Bereits ein flüchtiger Blick auf die Städte und Industriezentren der<br />

DDR, etwa den Braunkohletagebau, die Chemieregion Merseburg/Bitterfeld, die<br />

Luftverschmutzung, die zu Kloaken verkommenen Flüsse/Seen und Vieles mehr<br />

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