Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen
Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen
Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
248<br />
Claus Schönig<br />
Ausflugsziel der Stadtbevölkerung geworden seien; über weniger attraktiv oder<br />
weiter abseits gelegene Grabmäler wird nichts Entsprechendes vermerkt (128b; 346).<br />
Eine Komponente des intellektuellen Interesse Baburs an der Natur, das unter<br />
anderem zu einer gewissen Systematisierung drängt, offenbart sich etwa bei den<br />
„Tulpenzählungen“. Einmal ließ Babur die Tulpenarten in der Schaykh-Ebene in<br />
Afghanistan zählen und erhielt als Ergebnis „zweiunddreißig“; eine nur an einer<br />
bestimmten Stelle dieser Ebene wachsende Tulpe taufte er ihres Dufts wegen auf<br />
den Namen „Rosenduft“. (136a; 362) Eine weitere Zählung der „Blütenarten“ von<br />
Tulpen ordnete Babur im Frühling im Hochland von Gül-i Bahar an und erhielt als<br />
Resultat „vierunddreißig“ (202a-b; 505).<br />
Eine andere Art von intellektueller Neugier wird befriedigt, als auf einem Zug in<br />
der Begleitung von Elefanten unvermittelt ein Nashorn auftaucht (253b-254a;<br />
649f.) und die Flucht ergreift; dieses Ereignis trägt wohl auch dazu bei, dass Babur<br />
sich nicht der landläufigen Meinung anschließt, „ein Nashorn könne einen Elefanten<br />
mit seinem Horn hochheben.“ (275b; 692). Überhaupt sind seine Tierbeschreibungen<br />
von Interesse nicht nur an äußerlichen Details sondern auch am Verhalten<br />
der Tiere gekennzeichnet. Sein Interesse an Tieren lässt ihn auch <strong>zum</strong> Halter eines<br />
eingefangenen dang-Vogels werden, über dessen Fähigkeit, Dinge zu verschlucken,<br />
er Bemerkenswertes berichten kann (280a; 702). Bezüglich der in Indien als<br />
Haustiere verbreiteten Papageien bemerkt er: „Wir waren der Meinung, Papageien<br />
und Minos wiederholen alles, was man ihnen beibringt, können aber keinen eigenen<br />
Gedanken wiedergeben“. Eine Geschichte, in denen ein Papagei gleich zweimal<br />
situationsbezogen eigene Gedanken äußert, 19 kommentiert er deswegen mit<br />
der ihm eigenen gesunden Skeptik: „Ich überlasse es dem Erzähler, für die Glaubwürdigkeit<br />
seiner Worte einzustehen, aber nichtsdestoweniger ist es unglaublich,<br />
wenn man es nicht mit eigenen Ohren gehört hat“ (278a; 698). Als Haustier erwähnt<br />
er auch die kalahara-Antilope, die auf denkwürdige Weise gefangen und bei<br />
Tierkämpfen eingesetzt wird (276a-b; 695). 20 Alles in allem haben Tiere und ihr<br />
Verhalten für Babur durchaus auch unterhaltsame Aspekte.<br />
Ein denkwürdiger Fund, der auch noch heute Biologen faszinieren würde, gelingt<br />
dem naturinteressierten Babur in Afghanistan: „In der Umgebung von Khaja<br />
Sîyaran erlegten wir eine große Schlange, so dick wie ein Handgelenk und von<br />
einem Faden Länge. In ihrem Innern fanden wir eine etwas kleinere Schlange, die<br />
sie wohl kurz zuvor verschlungen hatte, da sie noch vollständig erhalten war. Sie<br />
war kaum kleiner als die große Schlange. Im Innern dieser kleinen Schlange fanden<br />
wir eine Maus; auch sie war noch vollständig erhalten.“ (240a-b; 618).<br />
19 „Als man einem dieser Papageien den Käfig zugedeckt hatte, soll er gerufen haben: „Nehmt die<br />
Decke ab! Ich ersticke!“ Ein andermal, als ein Bediensteter, der den Käfig trug, sich hinsetzte, um<br />
Atem zu holen, rief der Papagei: „Die Leute gehen und warum du nicht?“ Vor ihm liefen tatsächlich<br />
Leute auf und ab.“ (253b; 697).<br />
20 Beachte hier auch die Bemerkungen zu Sultan Husayn Mirza (Huseyn Bayqara); obwohl ein bedeutender<br />
Timuriden-Herrscher, „widmete er sich der Aufzucht von Kampfwiddern, spielte mit seinen<br />
Tauben und veranstaltete Hahnenkämpfe ganz nach der Art des einfachen Volkes.“ (164b-165a; 424).