Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen
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Eva Schumann<br />
zoglichen Räte ausgewiesen ist, vielmehr wird gerade im zweiten Fall auch die<br />
Nachlässigkeit der Mutter des Kindes besonders hervorgehoben, so dass der für<br />
die öffentliche Hinrichtung angegebene Zweck, sie solle „anderen <strong>zum</strong> abschewlichen<br />
exempel“ dienen,<br />
n<br />
47 möglicherweise anderen Eltern vor Augen führen sollte, welche<br />
Folgen die Vernachlässigung ihrer Fürsorge- und Aufsichtspflicht habe<br />
kann. 48<br />
den leib zu thuen, auch Endtlich […]. Der Schluss des Aktenstücks ist nach Angabe Wehrhans unleserlich.<br />
47 Wehrhan, Tierprozess, S. 70: Diweil dan sollich factum fast erschrecklich und straflich: so als ist an statt unsers<br />
gnedigen fursten und herren hertzogen zu Gülich, Cleve und Berg etc. unsere meinung und bevelch, das ir das vercken<br />
durch den nachrichter hinrichten und folgents auf ein rhatt in die hohe zue gedechtnis und anderen <strong>zum</strong> abschewlichen<br />
exempel hinsetzen lasset. Was aber die Mutter des entleibten kindz anlangt, soll dieselbe von wegen irer nachliessigkeit<br />
bei der predig und ambt der heiligen messe an einem Sontag zur offentlicher buess gehalten und dargestalt werden, und<br />
damit ferner straf darnacher enthoben sein und bleiben.<br />
48 Vgl. auch v. Amira, MIÖG 12 (1891), S. 554 f. („die Eigenthümer von Thieren sollen zur Wachsamkeit<br />
angetrieben werden“); Fischer, Tierstrafen, S. 128 mit Hinweis auf generalpräventive Wirkungen<br />
auf Menschen. Weitere Interpretationsmöglichkeiten sind in Betracht zu ziehen, beispielsweise<br />
ein Prozess gegen den Tierhalter, der sich sowohl nach mittelalterlichem Recht als auch nach<br />
rezipiertem römischen Recht (Inst. 4, 9, 1 mit Verweis auf das Zwölftafelgesetz) von der Haftung für<br />
sein Tier befreien konnte, wenn er dieses dem Geschädigten auslieferte, wobei der Geschädigte mit<br />
dem Tier verfahren konnte, wie er wollte (zur römisch-rechtlichen actio de pauperie und zur Noxalhaftung<br />
sowie zur mittelalterlichen Tierhalterhaftung und Preisgabe des Tieres zugunsten des Verletzten<br />
vgl. Behrens, O., Die Haftung für Tierschäden in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Diss. iur. Göttingen 1906;<br />
Hoffmann, H., Die Haftung für ausserkontraktliche Schadenszufügungen durch Tiere nach Hamburger Recht, in:<br />
Gierke, O. (Hrsg.), Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Heft 51, Breslau<br />
1896, S. 21 ff., 25 ff.; Brunner, H., Ueber absichtslose Missethat im altdeutschen Strafrechte, in: ders., Forschungen<br />
zur Geschichte des deutschen und französischen Rechtes, Gesammelte Aufsätze, Stuttgart<br />
1894, S. 487 ff.; Sellert, Tier, S. 71 ff.; Gergen, Natur und Recht 29 (2007), S. 465). Die öffentlich<br />
vollzogene Tötung des Tieres könnte daher auch eine frühneuzeitliche Fortentwicklung der mittelalterlichen<br />
Preisgabe des Tieres sein (so lassen sich die Hinweise bei Brunner, S. 517 f. deuten). Auch v.<br />
Amira, S. 550 weist darauf hin, dass „ein Rechtsstreit, worin das Thier als Partei behandelt wurde,<br />
[…] nirgends vorzukommen“ scheint; „Beklagter ist, wofern es überhaupt zu einen Process kommt,<br />
der Eigenthümer des Thieres“ (vgl. weiter S. 587 ff.). Dazu auch Laufs, Tier, S. 121 f. Obwohl Art.<br />
136 CCC eine Auslieferung des Tieres nicht mehr vorsah und der Tierhalter bestraft wurde, wenn<br />
ihm der Schaden, den sein Tier angerichtet hatte, zugerechnet werden konnte (vgl. auch Art. 150<br />
CCC), hielt sich vereinzelt die Regelung zur Befreiung von der Haftung durch Preisgabe des Tieres<br />
wie das folgende Zitat aus dem Ende des 16. Jahrhunderts belegt (es handelt sich hier um das Praktikerhandbuch<br />
von Sawr, A., Straffbuch, Frankfurt a. M. 1590, fol. 117 mit Hinweis auf die Wormser<br />
Reformation von 1499, IV, 1, 21): So Thiere jemandt Schaden theten: So einer ein Thier hett oder mehr/das<br />
einem andern schaden thete/So ist der Herr deß Thiers schuldig/deß schadens dem jenigen/so solcher schad geschehen<br />
were/zu bekehren/oder ime das Thier vor seinem schaden zu geben/das es gethan hett. So noch immer Mitte des<br />
18. Jahrhunderts Meckbach, Anmerkungen, S. 264 f. zu Art. 136 CCC (dazu auch Gerick, Recht, S.<br />
44 f.). Einen möglichen Zusammenhang zwischen Preisgabe des Tieres und öffentlicher Tötung lehnt<br />
Dinzelbacher, Mittelalter, S. 134 ohne Begründung ab. Zu Art. 136, 150 CCC und zur frühneuzeitlichen<br />
Rechtspraxis vgl. Steppan, Tier, S. 157 f.