Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen
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Tiere sind keine Sachen<br />
t. 25<br />
verfasst hat. 24 Diese Arbeit und die 1937 erschienene Dissertation von Hans Albert<br />
Berkenhoff, Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tiertötung im Mittelalter werden<br />
von der neueren Forschung noch immer stark verarbeite<br />
1. Verurteilung von Tieren in der mittelalterlichen Strafrechtspraxis?<br />
Strafverfahren gegen Tiere, die einen Menschen getötet hatten, mit anschließender<br />
öffentlicher Vollstreckung des Todesurteils, sollen sich in zahlreichen Regionen<br />
Europas seit dem 13. Jahrhundert zugetragen haben. 26 Der Forschungsstand ist<br />
jedoch sehr unbefriedigend, weil sich auch die Verfasser neuerer Arbeiten in der<br />
Regel nicht die Mühe machen, die Quellen nochmals zu sichten, sondern auf der<br />
Grundlage der älteren Sekundärliteratur neue Erklärungsansätze vortragen. 27 Da<br />
die ungedruckten Quellen nicht in Göttingen vorhanden sind, wird auch im<br />
Folgenden das Phänomen der Tierstrafen und Tierprozesse unter kritischer Auswertung<br />
der Sekundärliteratur und auf der Grundlage gedruckter Quellen wiedergegeben. 28<br />
24 Bis heute prägt der Titel dieser Abhandlung die Diskussion, allerdings werden die Begriffe nicht<br />
einheitlich verwendet. So unterscheidet etwa Fischer, Tierstrafen, S. 17 f., 37 ff. zwei Grundformen:<br />
weltliche Tierstrafen (ohne Verfahren) und kirchliche Tierprozesse (ohne Strafe). Hingegen differenziert<br />
v. Amira, K., Thierstrafen und Thierprocesse, Mittheilungen des Instituts für oesterreichische<br />
Geschichtsforschung (MIÖG) 12 (1891), S. 545, 550, 560 zwischen weltlichen Verfahren gegen<br />
Haustiere und kirchlichen Verfahren gegen Schädlinge. Ähnlich Dinzelbacher, Mittelalter, S. 108, 113, 116.<br />
25 Entsprechendes gilt für die Arbeit von Evans, E. P., The Criminal Prosecution and Capital Punishment of<br />
Animals, London 1906 (Nachdruck 1988), auf die vor allem Fischer, Tierstrafen, zurückgreift.<br />
26 So v. Amira, MIÖG 12 (1891), S. 546; Dinzelbacher, Mittelalter, S. 108; Gerick, Recht, S. 37 ff.<br />
Fischer, Tierstrafen, S. 34 f. geht unter Berufung auf Evans, Prosecution, S. 265 ff. von fast 200<br />
Tierprozessen für den Zeitraum vom 9. bis 20. Jahrhundert mit einer Konzentration auf das 15. bis<br />
17. Jahrhundert aus. Immerhin räumt Fischer, Tierstrafen, S. 35 ein: „Andererseits wurde die Authentizität<br />
gerade der späten Fälle von Evans nicht geprüft – es ist gut vorstellbar, dass z.B. Zeitungsmeldungen<br />
rechtliche Begriffe nur metaphorisch auf die Tötung von Tieren anwenden […]. Was die<br />
mittelalterlichen Fälle anbelangt, ist die Repräsentativität der dokumentierten Fälle angesichts verlorener,<br />
beschädigter, nicht aufgefundener oder nie geführter Gerichtsakten kaum zu beurteilen […].<br />
[…] Ein weiteres Problem besteht darin, dass bei manchen frühen Berichten schwer zwischen Sagenhaftem<br />
und Tatsächlichem zu unterscheiden ist.“ Auch an anderer Stelle (S. 118) weist er auf die<br />
„Dürftigkeit des historischen Materials“ hin. Schon bei v. Amira, MIÖG 12 (1891), S. 546 f. findet<br />
sich der Hinweis, dass Tierprozesse und Tierstrafen in der älteren Literatur häufig Bestandteil der<br />
„Curiositätensammlerei“ seien.<br />
27 So verarbeiten Gerick, Recht, und Fischer, Tierstrafen, nahezu ausschließlich Sekundärliteratur des<br />
19. und frühen 20. Jahrhunderts. Bei Fischer wird dann häufig die von Evans, Prosecution, verarbeitete<br />
deutsche oder französische Literatur nach der englischen Übersetzung von Evans zitiert (z.B. S.<br />
38 f., 62 f., 74, 114).<br />
28 Für meinen Beitrag, den ich auf Anfrage für das Graduiertenkolleg „Interdisziplinäre Umweltgeschichte“<br />
vorbereitet habe, konnte ich in der vorgegebenen Zeit keine Archivstudien oder aufwendige<br />
Literaturrecherchen außerhalb Göttingens betreiben. Meine Darstellung, die sich auf den deutschsprachigen<br />
Raum beschränkt, beruht im Wesentlichen auf der Auswertung gedruckter Rechtsquellen<br />
des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Obwohl diese in großem Umfang gesichtet wurden, fanden<br />
sich keine Hinweise auf Tierprozesse und Tierstrafen. Auf das Fehlen normativer Grundlagen und<br />
mittelalterlicher Darstellungen von Tierprozessen und Tierstrafen weist auch Dinzelbacher, Mittelalter,<br />
S. 110, 114 hin.<br />
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