Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen
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Rolf-Jürgen Gleitsmann-Topp<br />
fahren „[…] Folgen für Gesellschaft und Umwelt voraus[zu]kalkulieren […].“<br />
(Ebd.) Zum anderen sollte die Technikgeschichte „verstärkt damit beginnen, die<br />
Umweltfolgen des technischen Wandels in ihre Untersuchungen mit einzubeziehen.“<br />
(Ebd.) Gegenstandsbereiche seinen hierbei insbesondere die Luft- und Wasserverschmutzung<br />
oder die Ressourcenknappheit, wobei Troitzsch zwischen historischer<br />
Erkenntnis in diesen Bereichen und der Bewältigung aktueller Probleme<br />
von Industriegesellschaften einen deutlichen Zusammenhang ausmachen zu können<br />
glaubte: „[…] so könnte doch die Darstellung der verschiedenen [konstanten<br />
und variablen] Faktoren dieses Verhältnisses von Technik und Umwelt unter Umständen<br />
wichtige Aufschlüsse und <strong>Beiträge</strong> zur heutigen Problematik bringen.“<br />
(Ebd.)<br />
Die Formulierung dieser Aufgabenfelder für eine „moderne Technikgeschichte“<br />
mag möglicherweise ihren Ursprung noch im Zeitgeist der 1970er Jahre gehabt<br />
haben, also Ausdruck jenes Bewusstseins gewesen sein, welches sowohl einer breiten<br />
Öffentlichkeit als auch den politischen Parteien die Kehrseiten der<br />
Wohlstandsgesellschaft infolge der Ölkrisen und Umweltbelastungen erstmals<br />
drastisch vor Augen geführt hatte. Hinzu kam zudem, dass die vorherrschende<br />
politische Doktrin der sozialliberalen Regierungskoalition von der bewussten politischen<br />
Plan- und Steuerbarkeit gesellschaftlich-technischer Innovationsprozesse<br />
ausging. Dies implizierte eine politische Verwertbarkeit technik- und wissenschaftshistorischer<br />
Erkenntnisse im Sinne eines „retrospectiv technology assessment“<br />
und wertete so die Disziplin Technikgeschichte ungemein auf.<br />
Auf der anderen Seite allerdings begünstigte gerade der methodische Ansatz<br />
einer „modernen Technikgeschichte“, dem sich die junge Fachgeschichtsschreibung<br />
nun programmatisch verpflichtet hatte, das Abrücken von rein internalistischen<br />
Technikbetrachtungen. Der weit gefasste Technikbegriff Ropohl’scher<br />
Prägung, der Technik neben einer naturalen zwingend auch eine humane und soziale<br />
Dimension zuwies, erforderte mithin eine Technikdarstellung im Kontext vielfältigster<br />
Bezüge. Und dies bedeutete, dass gerade auch das Themenfeld „Technik<br />
und Umwelt“ <strong>zum</strong> integralen Erkenntnisinteresse technikhistorischer Fachhistoriographie<br />
avancierte.<br />
2.3 Ein innerdeutsches Konfliktfeld. Die Dominanz der<br />
Produktivkraftgeschichtsschreibung der DDR und ihre Folgen<br />
Die Affinität, die die bundesrepublikanische Technikgeschichte im Zeitraum der<br />
späten 1970er bis Ende der 1980er Jahre <strong>zum</strong> Themenbereich Umwelt ausprägte,<br />
hat noch eine weitere, wenig bekannte und deshalb möglicherweise auch überraschende<br />
Wurzel, nämlich die Technikgeschichtsschreibung der damaligen DDR.<br />
Diese war in der DDR bereits seit den frühen 1950er Jahren als stark geförderte,<br />
staatstragende Herrschaftswissenschaft nach sowjetischem Vorbild institutionalisiert<br />
worden und dazu wissenschaftlich sowie publizistisch höchst produktiv. (Weber/Engelskirchen<br />
2000: 167-198) Autorenkollektive bzw. Autoren wie Rolf Son-