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Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen

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Tiere sind keine Sachen<br />

des 17. Jahrhunderts des österreichischen Schriftstellers und graduierten Juristen<br />

Matthias Abele von und zu Lilienberg (um 1617-1677), kaiserlicher Hofhistoriker<br />

Leopolds I. und Mitglied der Dichtergilde „Fruchtbringende Gesellschaft“, 59 mit<br />

dem Titel Zwey Wunderseltzambe Gerichts-Verfahrung, das neben einem Teufelsprozess<br />

(Erstlich Asmodaei Teufflischen An-Clagers bey dem göttlichen Gericht. Wider ein arme Ihme<br />

mit Leib und Blut verschriebene / Seel) 60 einen zweiten Prozess Zwischen den armen Baurn<br />

u. Weinhauern / oder Weinzierl deß Dorffs Limmelsöckh Clagern An einem: Dann denen<br />

Heuschröcken / und anderen Unreinen Würm-Gezieffer / Beklagten. Anderten Theils: Verwüstung<br />

der Getraidts Feldter und Weinstöck betreffendt 61 enthält. 62 Am Ende des zweiten<br />

Prozesses heißt es:<br />

[…] ich will aber gleichwol mein Geschwätz abbrechen und beschliessen. Deß Erbietens / dich<br />

frl. gesinnter Leser / bald widerumb mit dergleichen lustigen Tractat / wann ich nur weiß / daß<br />

ich annemblich bin / heim zu suchen / wenigist main ich es gut / in dem ich mich dir zu Ehrn<br />

umb sonst bemühe / und mein Vorsatz ist / dich nur zu belustigen / keines weegs aber (so fern<br />

Parallelen: […] Der formaljuristische Ablauf des Prozesses – das Einbringen einer Klage, das Pro und<br />

Contra der Argumente und schließlich der Urteilsspruch mit gewissen Zugeständnissen an die unterlegene<br />

Partei (jeweils die Natur) – ist ebenfalls fast deckungsgleich.“<br />

59 Zu ihm Killy, W. (Hrsg.), Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 1, München 1995, S. 7; Jöcher, C.<br />

G., Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Erster Theil, Leipzig 1750 (Nachdruck 1960), S. 18 f. Fehr, H., Das<br />

Recht in der Dichtung, Bd. 2, Bern 1931, S. 383 f. schreibt über Abeles Werk: „In Gestalt von Anekdoten<br />

werden Hunderte von Rechtsfällen zur Darstellung gebracht. […] Oft bringt er den juristischen<br />

Stoff in Gestalt eines Schwankes oder in Gestalt wahrhaftiger Moritaten vor. […] Viele bekannte<br />

Stoffe werden herangezogen, wie der Kaufmann von Venedig oder die Susanna-Erzählungen. Am<br />

interessantesten sind einzelne Tierprozesse.“<br />

60 Abele von und zu Lilienberg, M., Zwey Wunderseltzsambe Gerichts-Verfahrung, Steyr 1666, ließ sich für<br />

das erste Verfahren von Jakob Ayrers deutscher Bearbeitung des Belial-Prozesses (Historischer Processus<br />

Iuris) inspirieren (S. 1, 4 f.: Begebenheit / Welche mich zu diesem Feder-Streit veranlasst hat […] Weilen nun der<br />

hochberühmte Herr Doctor Ayrer / einen Lust- und Lehrreichen Process zwischen unserm Heylandt / und der Höllen<br />

Anwald / den verschmitzten Belial / in öffentlichem Truck außgehen lassen / als hab ich mich gleichfalls erkühnet<br />

[…]).<br />

61 Bei diesem zweiten Verfahren beruft sich Abele, Gerichts-Verfahrung, auf den französischen<br />

Juristen Bartholomaeus de Chasseneuz (1480-1541); S. 86 f.: Veranlaßte Begebenheit. Es erzehlt der berühmte<br />

Doctor und Außleger der Geistlichen Rechten / Herr Bartholomaus Chasseneus […] daß in Burgund ein<br />

Landschafft seye / Nahmens Belna, welche <strong>zum</strong> öfftern / von denen Hewschröcken und anderem üblem und schädlichen<br />

Erden-Geschmaiß / so mercklich überfallen wird […] und daß auff solchem Unfall bemelte Innwohner zu der<br />

hohen Geistlichkeit ihr Zuversichtiges Vertrauen nemmen […] welches auch / doch durch vorherige Ein- und Außführung<br />

eines ordentlichen Gerichts-Proceß / darvor ich mich eines Forms / Gestalt und Nachfolge bey gegenwärtiger<br />

Wurms-Verfahrung bedienen wil / in einem und anderem verwilliget werde […].<br />

62 Die Einschätzung Dinzelbachers, Mittelalter, S. 121 f., dass die Tierprozesse, da es sich um Veröffentlichungen<br />

gelehrter Juristen (er bezieht sich hier ebenfalls auf Bartholomaeus de Chasseneuz)<br />

handle, ernst zu nehmen seien, dürfte an der Intention der Werke vorbeigehen. Seine These stützt<br />

Dinzelbacher (S. 132) aber nicht nur darauf, dass es sich „um von teilweise hochrangigen geistlichen<br />

und zivilen Rechtsgelehrten durchgeführte ordnungsgemäße Verfahren“ gehandelt habe, sondern<br />

auch darauf, dass ein Urteil von 1314 „angeblich“ vom obersten französischen Gericht bestätigt<br />

worden sei. Zu Chasseneuz vgl. auch Barton, K., Verfluchte Kreaturen: Lichtenbergs „Proben seltsamen<br />

Aberglaubends“ und die Logik der Hexen- und Insektenverfolgung im „Malleus Maleficarum“, Lichtenberg-<br />

Jahrbuch 2004, S. 11, 13. Auch für Fischer, Tierstrafen, S. 7 ff. ist die Überlieferung der Verteidigung<br />

von Ratten durch Chasseneuz vor dem Kirchengericht von Autun zu Beginn des 16. Jahrhunderts<br />

Ausgangspunkt seiner Untersuchung (wobei Fischer nicht auf die Originalquelle zurückgreift, sondern<br />

Evans, Prosecution, und weitere englische Werke aus dem 20. Jahrhundert zitiert).<br />

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