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Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen

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Tiere sind keine Sachen<br />

Auch Dinzelbacher, der noch zwei weitere frühneuzeitliche Belege für die Verhängung<br />

von Tierstrafen in Deutschland anführt, 40 zitiert lediglich aus der Sekundärliteratur.<br />

Beide Fälle beschreiben im Gegensatz zu dem eben geschilderten Sachverhalt der<br />

Machener Mietkuh „öffentliche Hinrichtungen“ von Tieren, die Kinder getötet<br />

hatten. Dinzelbachers „Quelle“ für beide Fälle, die Hinrichtungen eines Ferkels im<br />

Herzogtum Jülich, Kleve und Berg im Jahre 1582 und eines Ziegenbocks in Detmold<br />

im Jahre 1644, 41 ist ein Beitrag in der Zeitschrift des Vereins für rheinische<br />

und westfälische Volkskunde von 1904, 42 der Auszüge aus den jeweiligen Aktenstücken<br />

enthält, aus deren spärlichen Angaben sich lediglich ergibt, dass die Tiere<br />

durch den Scharfrichter öffentlich getötet wurden. Aus dem Umstand der „öffentlichen<br />

Hinrichtung“ kann jedoch nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden,<br />

dass diesem Akt ein Strafverfahren nebst Todesurteil gegen das Tier als „Täter“<br />

voranging. 43<br />

In Betracht zu ziehen sind auch polizeirechtlich angeordnete Tötungen der für<br />

gefährlich erachteten Tiere, 44 wobei im Zeitalter der „Hinrichtungsspektakel“ die<br />

öffentliche Vollstreckung der Maßnahmen durchaus nahe lag. 45 Dafür spricht nicht<br />

nur, dass die „Anordnung“ zur Hinrichtung der Tiere im Detmolder Fall als „Bescheidt“<br />

betitelt 46 und im „Jülicher Ferkelfall“ als „meinung und bevelch“ der her-<br />

40 Keinen Fall einer „Tierhinrichtung“ stellt ein aus der Markgrafschaft Ansbach überlieferter Fall dar<br />

(einer der wenigen Fällen, von denen eine Bilddarstellung existiert): Im Jahre 1685 wurde ein Wolf,<br />

nachdem er in einen Brunnen gefallen und von herbeigelaufenen Bauern erschlagen worden war, tot<br />

in Menschenkleider gesteckt und an einem Galgen aufgehängt. Dazu Laufs, Tier, S. 113; Gerick,<br />

Recht, S. 31 f. Dinzelbacher, Mittelalter, S. 255 (Fn. 209) weist darauf hin, dass der Ansbacher Wolf<br />

jedenfalls ohne Prozess aufgehängt wurde. Abbildungen zu diesem Fall finden sich bei Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit,<br />

Vom Gottesurteil bis <strong>zum</strong> Beginn der modernen Rechtsprechung, München 1980, S. 65 ff. (dort<br />

Abb. 116-118); ders., Missetäter, S. 1025 ff. Auch einem aus Schweinfurt überlieferten Fall (Aufhängen eines<br />

Schweines durch den Henker im Jahre 1576) ging kein Verfahren oder Urteil voraus; dazu Berkenhoff,<br />

Tierstrafe, S. 23 f.; Kaufmann, E., Tierstrafe, HRG V, 1. Aufl. Berlin 1998, Sp. 237, 238.<br />

41 Dinzelbacher, Mittelalter, S. 103 (Fn. 2), 151 (Fn. 343).<br />

42 Wehrhan, K., Ein Detmolder Tierprozess von 1644 und die Bedeutung des Tierprozesses überhaupt, Zeitschrift<br />

des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde 1904, S. 65, 69 ff. Zum Detmolder Tierprozess<br />

vgl. auch Gerick, Recht, S. 40, die sich ebenfalls auf diese Quelle stützt.<br />

43 Diesen Schluss zieht aber Wehrhan, Tierprozess, S. 71: „Die Form des Prozesses scheint nirgends<br />

von den Grundformen des damals herrschenden ordentlichen Verfahrens abzuweichen. […] Aus<br />

alledem erfolgt, dass das Tier als ein Verbrecher angesehen und ihm ein verbrecherischer Wille zugeschrieben<br />

wurde; das Urteil sollte ein Strafurteil sein.“ Ähnlich auch zu Beginn der Abhandlung (S.<br />

66): „Es ist noch gar nicht so sehr lange her, dass von seiten der Staatsgewalt Tiere öffentlich angeklagt,<br />

vorgeladen und verurteilt wurden zu Strafen, die auch an Menschen vollzogen wurden.“<br />

44 So auch schon v. Amira, MIÖG 12 (1891), S. 555 ff.<br />

45 Dazu auch Fischer, Tierstrafen, S. 36, 102 f., insb. S. 117, 132 („Inszenierung von Herrschaft/Macht“).<br />

46 Wehrhan, Tierprozess, S. 69 gibt das Aktenstück wie folgt wieder: An. 1644. Am 12. Novembris<br />

abends zwischen 3 vndt 4 Vhr ist ein Ziegenbock in Hrn. vicecantzlarß Tilhennen hauß gelauffen kommen vndt deßen<br />

Sohnchen Simon Ludewich genandt, gar gefehr- und Jämmerlich gestoßen, also sehr, daß der Knabe inwendig einer<br />

halben stunde des todts gewesen und darauf dieser bescheidt gegeben, Bescheidt. Es soll der Ziegenbock vom Scharffrichter<br />

auff den offenen Markt zu Detmoldt geführt vndt daselbst eine Zeitlang, von einer virtell stunde gebunden gehalten,<br />

darnach offentlich kundt gemacht vndt angezeiget werden, was es für eine bewandtniß damit hette, daß nemblich derselbe<br />

Ziegenbock einen Jungen vornehmen Knaben mit einem stooß vmb sein leben gebracht, derowegen Er befhelicht wehre,<br />

demselben zu abschewlichen Exempel mit einem beill den halß abzuhawen, vndt etzliche stiche hin vndt wieder durch<br />

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