Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium ... - Oapen
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Gutsgärten<br />
Siegrid Westphal<br />
Diese Zweckmäßigkeit im Bauen und Gestalten lässt sich auch für den Nordwesten<br />
des Reiches feststellen, wo die Dichte der vielen kleinen Adelssitze auf dem<br />
Land und die Durchdringung des Landes mit adligen Herrschaftssymbolen besonders<br />
ins Auge fallen. Dem Eigentumsanspruch an der Natur, der mit überkommenen<br />
Herrschaftsrechten legitimiert wurde, entsprach auch ihre Beherrschung, die in<br />
der Gestaltung und Nutzbarmachung der natürlichen Ressourcen ihren sichtbaren<br />
Ausdruck fand. In diesem Zusammenhang hat die Untersuchung von Gärten die<br />
größte Aufmerksamkeit der Forschung gefunden, gilt doch eine repräsentative<br />
Garten- oder Parkanlage als wichtiger Teil der natürlichen Umwelt, die der Adel<br />
nach seinen Bedürfnissen gestalten konnte. Bisher hat sich die Forschung jedoch<br />
auf die großen repräsentativen Parks und Landschaftsgärten wie Wörlitz oder<br />
Muskau konzentriert. Die vielen Gutsgärten blieben bisher außen vor und rücken<br />
erst jetzt stärker ins Bewusstsein der Forschung.<br />
Jedenfalls lässt sich auch hier das feststellen, was bereits für das Bauen im ländlichen<br />
Raum konstatiert wurde. Trotz einer im 17. und 18. Jahrhundert ausgefeilten<br />
barocken Gartenbaukunst, die vollständig von der Geometrie geprägt war, unterlag<br />
die Gestaltung der landadligen Gutsgärten Kriterien der Zweckmäßigkeit. Denn<br />
die Gutsgärten waren auf dem Land immer Bestandteil der Ökonomie und dienten<br />
nur in seltenen Fällen der Repräsentation. Im Gegensatz zu den Gartenanlagen der<br />
großen Residenzen, die sich durch die zentrale Ausrichtung auf das Haus auszeichneten<br />
und so den Herrschaftsanspruch optisch unterstrichen, finden sich in<br />
den barocken Gutsgärten weder ikonographische Programme (Parkarchitektur,<br />
Figuren), Bassins, Parterres, Bosketts noch große Achsen, Alleefächer oder sternförmige<br />
Plätze.<br />
Als vorbildhaft werden jedoch die Grundstrukturen der aus verschiedenen<br />
Gärten angelegten Gutsanlagen bezeichnet (Beck 2008, 93). „An erster Stelle stehen<br />
die als Blumen- und Küchengärten bezeichneten Beetgärten, die meist durch<br />
ein Wegekreuz gegliedert wurden. Hinzu kamen Kübelpflanzen und andere<br />
schmückende Elemente wie Einfassungshecken, Rabatten, bepflanzte Einzäunungen,<br />
Spaliere, geschnittene Formgehölze und Lauben. Sehr selten waren Brunnen<br />
und Gartenhäuser vorhanden. Die umfangreichen Obstgärten, über die jedes Gut<br />
verfügte, waren entweder in Form eines Rasters angelegt oder bestanden aus<br />
Baumreihen, die in einigen Fällen alleeartig angeordnet waren. Auch diese im Sinne<br />
der Bearbeitung besonders wirtschaftlichen Formen der Pflanzung finden sich in<br />
den Gärten der örtlichen Bevölkerung wieder.“<br />
Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts breitete sich die Idee des Landschaftsgartens<br />
von England ausgehend auf dem europäischen Kontinent immer<br />
weiter aus. Viele barocke Gartenanlagen wurden den neuen ästhetischen Kriterien<br />
angepasst. Dieser Prozess dauerte bis Mitte des 19. Jahrhunderts und gestaltete<br />
sich bei den Gutsgärten schwierig, weil der Landschaftsgarten sehr viel Raum benötigte,<br />
um die ästhetisch geforderten Landschaftseindrücke zu erzielen. Die meis-