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Düsseldorf ist ARTig – ein innovatives Bildungsprojekt - Musenkuss ...

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iK VERTREK STella volkenand, arTig v<br />

hi Anne.<br />

Wie geht es Dir? M<strong>ein</strong> Name <strong>ist</strong> Maya. Ich hab D<strong>ein</strong>e Anzeige gelesen. Ich habe <strong>ein</strong>e Frage: D<strong>ein</strong>e Hobbies sind Lesen<br />

und Tiere? Herr im Himmel, wie können denn verfickte Tiere <strong>ein</strong> Hobby s<strong>ein</strong>? Jetzt sollte eigentlich kommen: Mir<br />

geht es gut. Mir geht es aber nicht gut und das liegt nur an m<strong>ein</strong>en beschissenen Eltern. Okay, vielleicht auch an<br />

m<strong>ein</strong>em beschissenen Freund, aber vor allem an m<strong>ein</strong>en Eltern. Sie streiten sich nämlich gerade über irgend<strong>ein</strong>e<br />

Scheiße, die m<strong>ein</strong> Vater vor über 15 Jahren verbockt hat. Du denkst bestimmt, und? Denk Dir lieber, dass Du mit<br />

d<strong>ein</strong>em Mathebuch genau zwischen den beiden sitzt und dass sie schreien, wobei D<strong>ein</strong> Vater lauter <strong>ist</strong>, aber er hat<br />

weniger Sätze drauf als D<strong>ein</strong>e Mutter, und wenn er nicht schreien würde, könnte man echt denken, er wolle beschwichtigen,<br />

er also: „Hör auf, Ina, sei still.“ Und sie: „Ich erinnere mich noch genau, schon damals...“ Und er wieder:<br />

„Hör auf Ina, lass das. Was <strong>ist</strong> mit Maya?“. Und sie: „Jetzt schämst Du Dich doch, Du Bastard-Wichser-Scheiß-asozialer-Proll!“<br />

Und so weiter. Und mit jeder Runde wird D<strong>ein</strong> Vater lauter und D<strong>ein</strong>e Mutter gräbt noch fiesere Sachen<br />

aus. Als würden die Ping Pong spielen, immer heftiger. Und Du? Du verziehst Dich in D<strong>ein</strong> Zimmer, sitzt am Kopfende<br />

D<strong>ein</strong>es Bettes, oder, wenn Du es dramatischer haben willst und wärmer, dann hockst Du an der Heizung und Du<br />

heulst, weil Du ihm niemals verzeihen kannst oder weil Du ihr niemals verzeihen kannst und ganz selten heulst Du,<br />

weil Du Angst hast, dass sie Dir irgendwas niemals verzeihen und so weiter und so weiter. Dann klopf irgendwer an<br />

die Tür, die Du ja abgeschlossen hast, weil Du all<strong>ein</strong> s<strong>ein</strong> musst mit D<strong>ein</strong>em beschissenen Selbstmitleid, und fragt,<br />

wie es Dir geht, Scheißfrage, und Du genießt es, der Person hinter der Tür so richtig den Tag zu versauen, indem Du<br />

sie anbrüllst, noch lauter schluchzt, oder, am besten, gar nichts sagst. Zieh D<strong>ein</strong>en Vater oder D<strong>ein</strong>e Mutter oder<br />

wer auch immer da hinter der Tür steht, mit in D<strong>ein</strong>e Scheiße r<strong>ein</strong>, was ja eigentlich gar nicht so schlimm <strong>ist</strong>, weil<br />

sie Dich ja schon in ihre r<strong>ein</strong> gezogen haben. Am Ende vergisst Du ja eh wieder alles. Kotzt mich an, diese selbstmitleidigen<br />

Minidepressionen, aber so was braucht man, für die Entwicklung und so, wenn man 12, 13 <strong>ist</strong>, denke<br />

ich. M<strong>ein</strong> Problem <strong>ist</strong>, dass ich es immer noch brauche, und ich bin 17! Also hab ich gedacht, okay, lenk Dich ab,<br />

nimm <strong>ein</strong>e von Mamas Omazeitschriften in D<strong>ein</strong> Zimmer und da war D<strong>ein</strong>e Anzeige. D<strong>ein</strong>e Anzeige…Die war<br />

langweilig. Daran musst Du echt feilen. Aber die Sache mit den Kassetten find ich cool. Ich hab’s nicht so<br />

mit Schreiben. Ich überspreche Papas Bruce-Springsteen-Kassette, wunder Dich also nicht, wenn am Ende noch<br />

was davon drauf <strong>ist</strong>. Ende. 04.Mai 2008 Bleicherhof 12a dritter Stock, Küche Liebe Maya, Hoffentlich haben D<strong>ein</strong>e<br />

Eltern sich wieder vertragen, aber das haben sie bestimmt, sonst hätten sie ja drei Tage gestritten(oder auch vier,<br />

das kommt ganz auf die Post an, wie schnell Du die Kassette bekommst). 72-oder 96-Stunden! Das würde ich nicht<br />

durchhalten! Zu D<strong>ein</strong>er Aussage, dass „verfickte“ Tiere k<strong>ein</strong> richtiges Hobby seien, möchte ich etwas sagen. Ich<br />

dachte bei „Hobby“ nicht an <strong>ein</strong>e regelmäßige Beschäftigung, der man im Ver<strong>ein</strong> nachgeht, wie Ringen oder Rudern<br />

oder Ballett. Ich dachte, man darf das etwas weiter fassen, denn ich hatte nur 160 Buchstaben zur Verfügung, sonst<br />

wäre die Annonce teurer geworden, und „Dinge, die ich mag“, dass sind schon 14 Buchstaben, ohne Leerzeichen,<br />

und die werden auch berechnet. Da <strong>ist</strong> „Hobbies:“ besser, das hat nur sieben Zeichen. Dann Tiere…naja, ich mag<br />

Tiere eigentlich nicht. Sie stinken, also die Großen, also Schw<strong>ein</strong>e und Schafe und Pferde und Gorillas. Und die<br />

kl<strong>ein</strong>e Tiere, also Mäuse, Katzen, Hasen und Frettchen, tun nichts als essen, schlafen, und, naja, sich vermehren. Ich<br />

habe das nur geschrieben, weil alle Leute Tiere mögen, warum auch immer. Im Fernsehen haben die Guten immer<br />

<strong>ein</strong>en Hund oder <strong>ein</strong> Pferd und die Bösen haben nie Tiere, wenn überhaupt, dann Katzen. Was ich noch sagen wollte:<br />

ich heiße eigentlich nicht Anne, sondern Anne (Änn), aber es <strong>ist</strong> in Ordnung, wenn Du mich Anne nennst und es<br />

<strong>ist</strong> auch in Ordnung, dass Du mich bisher Anne genannt hast, das konntest Du ja nicht wissen. „Bitte Englisch aussprechen“,<br />

das sind 23 Zeichen, ohne Leerzeichen. Ich bin nämlich Amerikanerin, oder Halbamerikanerin, oder wie

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