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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 11<br />

vielleicht um mehr Platz für Tempel des wachsenden Stammes zu schaffen. Zu diesem<br />

Ende soll hier nicht mehr gesagt werden, als daß sich im Geröll zur Verfüllung auch<br />

menschliche Knochen finden, vielleicht solche aus aufgelassenen Gräbern; unberührte<br />

Gräber oder Schädelbestattungen fanden sich bislang nicht. Später wurden – zum Teil auf<br />

dieser Verfüllung – neue Anlagen mit deutlich kleineren T-Pfeilern errichtet.<br />

Wer einen solchen Tempel baut, versteht sich offenkundig als seßhaft, markiert ein<br />

bestimmtes Gebiet, 1 selbst wenn das alltägliche Leben noch mit Sammeln und Jagen<br />

verbracht wird und temporär wechselnde Lager/ Camps bezogen werden, oder Jagdlager<br />

an Herdenrouten der Region die Hauptsiedlung ergänzen. 2 (Bosinski, 1989) Diese<br />

Menschen waren höchstwahrscheinlich in Familien gruppiert, wie es bei allen bekannten<br />

rezenten Urvölkern der Fall ist. Ob es bei den früheren Gruppen unter den großen<br />

Felsdächern (Abris, vor allem in Südfrankreich) viel anders war, steht dahin. Wo immer<br />

es ging, blieben schon die WildbeuterInnen an guten Plätzen, nicht zuletzt um auf dem<br />

heiligen Boden der Ahnen zu leben. Das bedeutet: die Erkenntnisse über einzelne<br />

Siedlungen seßhafter (komplexer) WildbeuterInnen in der Zeit der Proto-Neolithisierung<br />

und noch weiter zurück geraten stärker als bisher in den Vordergrund der Überlegungen.<br />

Begann dieser Prozeß deutlich früher bereits flächendeckend oder jedenfalls in vielen<br />

regionalen „Inseln“? Muß das Menschenbild insgesamt geändert werden, das mit der Eis-<br />

und Steinzeit noch verbunden wird? Die Eiszeit endete – am Übergang vom Pleistozän<br />

zum Holozän – gerade offiziell, als am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> Baumeister bis weit über zehn<br />

Tonnen schwere Fels-Rohlinge bearbeiten und dann die aufwendig verzierten<br />

anthropomorphen GöttInnen-Pfeiler mit angedeuteten Köpfen in T-Form aufstellen ließen.<br />

Wohl weit über einhundert Arbeitskräfte wurden dafür benötigt, eine schlagkräftige<br />

Organisation mußte geschaffen sein – geistig vor allem!<br />

Wer über komplexe WildbeuterInnen oder SammlerInnen und Jäger nachdenkt, muß sie<br />

von nomadischen Lebensweisen unterscheiden, die sich keineswegs immer decken.<br />

Solche Gruppen ziehen nicht nur alle Tage herum, futtern was sie am Wege finden und<br />

was die Jäger heimbringen, wenn sie etwas heimbringen, zumal Jagd- und Kriegsglück<br />

von der Einhaltung bestimmter Tabus der Frauen (!) zu Hause abhängen konnten. (Lévy-<br />

Bruhl, 1910: 59, 207; ähnlich Malinowski, 1979: 244) Oft wird ihr Wirken als Typus zu<br />

einseitig in den hohen Norden verlegt, in die Tundren vor dem unermeßlichen Eisschild,<br />

in denen sie Tierherden hinterher rannten und sich die Jäger bevorzugt unter das Mammut<br />

schlichen, um den Speer von unten ins Herz zu stoßen, wie es zumindest in einem Fall<br />

belegt scheint – Steinzeit, Eiszeit, Primitivzeit? Natürlich gibt es auch nomadisch lebende<br />

Gruppen, die sich zumindest über bestimmte Zeiten an Tierherden orientieren, die<br />

Reiselust von wandernden Tieren scheint auch gelegentlich überschätzt. Doch meist sind<br />

offenbar Basis- und Jagdlager Grundlage des Lebens gewesen. Ein Nomadentum spielt als<br />

besonderer Typus wildbeuterischen Lebens auch in den Steppen Afrikas und Asiens eine<br />

Rolle, doch selbst Hirtenvölker wechseln Sommer- und Winterrouten oder -plätze in ihrer<br />

Region regelhaft. Und immer wieder werden diese Menschen nur als „Jäger“ gedacht,<br />

nicht nur weil sich vom Frauenleben weniger über die Jahrtausende erhält, sondern als<br />

grundsätzlich männliche Sicht auf die Welt. 3<br />

Wenn auch oft davon die Rede ist, steinzeitliche Gruppen hätten – wie die<br />

entsprechender rezenter Urvölker – im Durchschnitt 30 Personen, muß doch für die<br />

soziologische Analyse erstmal von größeren sozialen Einheiten in einer Region<br />

ausgegangen werden, von Stämmen oder Völkern, die sich nach Bedarf aufteilten (und so<br />

die oft nur bekannten kleinen Fundplätze schufen). Die Khoisan oder Mbuti lebten bis in<br />

die Gegenwart so, sind aber größere Völker, die sich etwa die Streifgebiete aufteilen, wie<br />

wir noch sehen werden. Wie wäre auch eine 30-Kopf-Gruppe über 100 Jahre in der<br />

1 Gebel möchte für das Neolithikum Seßhaftigkeit auf Orte beschränken, „bei denen der substanzielle Teil<br />

einer Gemeinschaft seinen Lebensmittelpunkt ganzjahrig ̈ und uber ̈ mindestens 10 Generationen hinweg an<br />

einem Standort aufrechterhalt, ̈ der die Subsistenz weitgehend allein bestreiten ließ und eine ‚kontinuierliche‘<br />

Sozial-, Wirtschafts- und Kulturentwicklung ermoglichte; ̈ Seßhaftigkeit sollte auch immer durch<br />

bioarchaologische ̈ und archaodemographische ̈ Daten bewiesen sein“.<br />

Die Existenzweise von an dauerhaften<br />

Standorten lebenden WildbeuterInnen wird aber für die Levante angenommen. (2002: 28ff) Zehn<br />

Generationen als Maßstab scheint eine zu lange Zeit in unsicherer Lebenslage, wo Konflikte einen Stamm<br />

auch zum seßhaften Weiterleben an anderem Ort zwingen können, wie es Gebel selbst anspricht.<br />

2 Dietl erkennt aus dem Survey von Freilandfundplätzen in der levantinischen Steppen zone Syriens und<br />

Jordaniens zum Epipaläolithikum hin eine Regionalisierung der vorher größeren Streifgebiete beim Homo<br />

sapiens und zuvor schon beim erectus oder neanderthalensis. (2009: 112)<br />

3 Kurztexte in einem Katalog können beispielsweise so begonnen werden: A) Bereits früheste menschliche<br />

Hinterlassenschaften zeugen davon, dass der Mensch stets ein Jäger war. B) Über Hundertausende von Jahren<br />

bildete die Jagd die Hauptgrundlage des menschlichen Lebens und Überlebens. (in Eiszeit, 2009: 186, 192)

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