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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 73<br />

es im Amazonasgebiet sahen – reichlich vorhanden, viel verdirbt sogar. Die Männer<br />

haben reichlich Zeit, weil sie nicht Tag für Tag mit der Nahrungssicherung beschäftigt<br />

sein müssen. Angesichts der Hinweise auf frühere Kriege und die Vernichtung von<br />

Dörfern, ohne daß es zu vielen Todesfällen dabei kam, (94) angesichts der früheren Sitte<br />

der Kopfjagd in jener Gegend, interpretetiere ich auch den inneren Gaben-Tausch und die<br />

Verteilungsfeste als soziales Prozedere der Friedenssicherung und des Zusammenhalts, die<br />

durch die Herausbildung Großer Männer eine soziale Form erhalten und rituell sich<br />

verfestigen. Mehr soll über die Trobriand-Inseln nicht erzählt werden; generell sind alle<br />

Hinweise Malinowskis auf Gebräuche und geistige Riten mit jenen Hinweisen Lévy-<br />

Bruhls in Übereinstimmung, von denen wir schon einiges hörten, etwa der<br />

Konservativismus (152) oder manches über Geistwesen beziehungsweise Magie. (102)<br />

Zurück zum <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>. Was ich weiter unten als eine Art Traum zu meinen ersten<br />

Vorstellungen über das Zusammenleben der Leute dort schrieb, finde ich bei Malinowski<br />

nun näherungsweise wieder. Stellen wir uns dessen Beschreibung der sozialen<br />

„Verfassung“ auf den Trobriand-Inseln zu einem sehr frühen Zeitpunkt vor, als es im<br />

Entstehen war, dann können wir dieses Prinzip auf Nord-Mesopotamien ganz gut<br />

übertragen: verschiedene kleine Stämme leben dort vor 12.000 Jahren auf der Harran-<br />

Ebene und vielleicht darum herum. Rachezüge beim Sterben eines Häuptlings, Blutrache<br />

nach der Tötung eines Mannes im Kampf, als sie bei der Jagd aufeinander stießen,<br />

kennzeichnen einen ständigen Krieg aller gegen alle. Trophäen des Gegners zum<br />

Ausstellen sind universell, ob Köpfe oder Skalpe... Doch irgendwann kommt es zu<br />

Friedensregelungen, wir sahen sie bei den Baruya, in anderer Weise ebenso bei den Mbuti.<br />

Eine Gruppe ist vielleicht besonders stark und kann andere unterwerfen. Ein kluger<br />

Ältester vernichtet sie nicht, sondern schafft Abhängigkeiten. So entwickelt sich ein<br />

Häuptling, dessen Ansehen in der klugen Führung von Vasallendörfern entsteht, die er<br />

weise führt und zusammenhält. Durch rituelle Kommunikation, wie durch Ringtausch von<br />

begehrten Dingen, durch Verteilungsfeste und ähnlichem entsteht ein fester Stamm. So<br />

könnte aus isolierten Gruppen eine Gentilgemeinschaft entstanden sein, die sich auf den<br />

Trobriand-Inseln auch findet, Gruppen mit eigenen Totems, die exogam heiraten können.<br />

Und ist eine solche soziale Einheit erstmal von den Geistwesen abgesegnet, wird sie<br />

heilig, die Macht des Großen gilt als „natürlich“, wie ein spontan sinnlos aussehendes<br />

Gaben-Tausch-Spiel erstmal als „Männerspielzeug“ erscheint, für Männer mit zu viel Zeit,<br />

weil sie die wesentliche Arbeit von Frauen machen lassen. Zuerst bleibt die neue<br />

Gemeinschaft matrilinear.<br />

Da Nahrung am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> leicht zu beschaffen ist, konnte womöglich das Geben<br />

als (neue) Tugend sich ein wenig analog zum Kanubau auf den Trobriand-Inseln<br />

entwickeln. So wie dort zur Vorbereitung des Kula von einem Dorf ein Kanu gebaut wird,<br />

könnte hier im neuen Stamm oder gar Stammesbund die Sitte entstanden sein, immer mal<br />

wieder ein paar große Steine aufstellen zu lassen. Ganz ohne Eiszeit. Als<br />

institutionalisiertes Friedenszeichen eines wachsenden Gemeinwesens der Steinzeit. Das<br />

Kanu wird von Fachleuten gebaut, die durch entsprechende Gaben bezahlt/ ernährt<br />

werden. Es wird ein großer Baum gefällt, von den Zweigen befreit, dann mit Lianen von<br />

allen Dorfbewohnern aus dem Wald an den Strand gezogen und erst dort weiter bearbeitet.<br />

(455) Ganz ähnlich entstanden offenbar die großen T-Pfeiler des Tempels am <strong>Göbekli</strong><br />

<strong>Tepe</strong>, sehen wir gleich. Sammel- und Jagdgut wird in den Lagern präsentiert, ein Teil dort<br />

ausgleichend verteilt, auch an die Steinmetze für ihre Arbeit, einen T-Pfeiler für das<br />

äußere Rund des Tempels zu schaffen. Der Rest geht als Gabe an den Großen des<br />

Stammes und wird wiederum von dem verteilt, wobei nun auch Steinmetze für die beiden<br />

großen mittigen T-Pfeiler ihren „Lohn“ bekommen. So werden die Lager der<br />

WildbeuterInnen zum Geber der Steinpfeiler, vermittelt vom Großen Mann. Alle<br />

gewinnen Ansehen dabei, wie die Fachleute durch ihre Arbeit auch. Und die Magie<br />

garantiert den Zusammenhang mit den konservativen Geistwesen – und den neuen Göttern<br />

in der Mitte.<br />

Gehen wir noch einmal vor die mögliche Herausbildung Großer Männer zurück. Im<br />

Inneren eines solchen Stammes noch nicht komplexer SammlerInnen und Jäger sind –<br />

solchen Gedanken folgend – jenseits der Geistwesen und deren Ansprüche zwei Wege zur<br />

Ausdifferenzierung erkennbar: Alter und – Ansehen. Immer schon regelt das Alter die<br />

Vorrangstellung. Die Ältesten bestimmen vielleicht nicht über Krieg und Frieden, jeder<br />

kann losziehen, sie regulieren aber doch solche Pläne ein wenig. Zumindest, wenn sie<br />

beispielsweise zuvor schon Ansehen aus der Jagd gewonnen haben; ein richtiger

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