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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 35<br />

steigendem Wissen über jene Steinzeit-Völker erscheinen uns deren Verhältnisse ohnehin<br />

immer komplexer. Vor dem Bau der jetzt bekannten Anlagen am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> können<br />

also nicht nur, sondern müssen wohl Arbeitsteilung und besondere Fertigkeiten entstanden<br />

sein. Handwerk scheint möglich. 1 Die Bildhauerei mag sich aus der Werkzeugherstellung<br />

entwickelt haben und daraus wiederum, weil sie nicht allen Menschen liegt, individuelle<br />

Arbeitsteilung entstanden sein. Levi-Strauss spricht von hierarchisierten Clanstrukturen,<br />

also von Gentes, auch davon, es habe Arbeitsteilung nach Clans gegeben, also<br />

beispielsweise einen Schmiede-Clan. (1994: 39) Sogar zwischen verschiedenen Stämmen<br />

sind Hierarchien nicht ausgeschlossen (wie der Irokesen-Bund Nachbarstämmen<br />

überlegen war).<br />

In Nord-Mesopotamien (und im für diese Betrachtung abseits der Reiseroute liegenden<br />

südlichen Mesopotamien), scheint es bis zur Zeit vor etwa 14.000 Jahren keine Anzeichen<br />

für eine Besiedlung zu geben, aus der heraus der Bau des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> nachvollziehbar<br />

ist. Die Studien, die ich ansah, beginnen dort „irgendwie“ mit der Proto-Neolithisierung<br />

(erste Siedlungen bei Nutzung von Wildgetreide und Jagdbeute). 2 Grundlage des Lebens<br />

damals ist Sammeln und Jagen, was normalerweise kaum Spuren hinterläßt, schon gar<br />

nicht solche die Sozialität betreffenden. Auch einfacher temporärer Hüttenbau bleibt nicht<br />

unbedingt erhalten, beziehungsweise sind Spuren alter Pfosten als leichte Verfärbungen<br />

im Boden nur schwer zu finden, ohne von einem Siedlungsplatz bereits zu wissen schon<br />

gar nicht, da die normalerweise unter dicken Erdschichten liegen. An anderen Stellen sind<br />

sie vielleicht längst überpflügt. Deutliche Siedlungsspuren gibt es im südwestlichen Teil<br />

Europas (vor allem Südfrankreich), wo es möglich war, Höhlen beziehungsweise<br />

Felsvorsprünge (Abris) als Wohnstätten über sehr lange Zeiträume zu nutzen, so daß viele<br />

Funde zusammenkamen. Es wird von generell temporären Unterkünften ausgegangen,<br />

weil Jagd oder saisonales Klima es nötig machten, Herden zu folgen, zu bestimmten<br />

Jahreszeiten Fische und Muscheln zu finden und bestimmte Pflanzen aufzusuchen.<br />

Denken und Nativismus<br />

Nach der Betrachtung von Bauwerk und Umwelt soll nun vom Menschen her der<br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> erkundet werden. Zunächst wird näher begründet, warum der Homo sapiens<br />

immer schon die geistige Kapazität moderner Menschen besaß, auf deren Basis die<br />

jeweilige Kompetenz historisch entwickelt wird, die wesentlich Handlungskompetenz ist. 3<br />

Zum Verständnis dieser Entwicklung als Prozeß gehört die Einsicht: menschliches<br />

Denken ist eine Verlängerung des rudimentären Lernvermögens bei Tieren, besonders<br />

sichtbar beim Schimpansens, mit dem wir zumindest 96% der Genausstattung teilen.<br />

Zuerst veränderte sich das Gehirn der frühen Hominiden in der biologischen Evolution, in<br />

der Phylogenese, der Stammesgeschichte. Doch dabei entstand auch eine erweiterte<br />

Möglichkeit des Denkens, die nicht mehr biologisch erklärbar ist, sondern eine geistigsoziale<br />

ist oder eine soziokulturelle, die Homo sapiens zur höchsten Entwicklung brachte;<br />

aus seiner/ unserer Sicht gesehen. Unser Gehirn ist also prozeßhaft entstanden, sowohl<br />

biologisch als auch kognitiv. Das ist für unser Thema entscheidend: ab einer bestimmten<br />

Entwicklung des Gehirns konnte sich darauf gründend der (menschliche) Geist autonom<br />

entwickeln, der also nicht mehr als irgendwie gesetzt, von Gott in die Gene geschüttet<br />

oder als Weltgeist uns durchdringend verstanden werden kann; Lévy-Bruhls<br />

Auseinandersetzung mit solchen Vorstellungen 1910 gibt Hinweise dazu. Reflexives<br />

Lernen, die Fähigkeit zur Symbolik und die zur geistigen Konstruktion sind konstitutiv,<br />

aber auch Begriffsbildung und die Sprache. Nach dem Hinweis auf die Phylogenese gilt es<br />

die Ontogenese mit in die Analyse einzubeziehen, in der jeder einzelne Mensch sein<br />

Denken erlernen muß, prozeßhaft. Dabei erkennen wir die Kontinuität der Entwicklung<br />

der Kognition vom Tier zum Menschen und daraus wiederum, daß unser heutiges Denken<br />

nur aus dieser Entwicklung erklärbar ist, in der aus der (biologischen) Evolution ein<br />

Prozeß des Geistes herauswuchs, autonom gegenüber dem Biologischen, wenn auch auf<br />

dessen Basis. Woher sollte der Geist sonst kommen? An diese Vorgaben anschließend<br />

läßt sich das Menschenbild der Leute vom <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> ein gutes Stück erkunden.<br />

1 In Breitenbach, Sachsen-Anhalt, fand sich eine 35.000 Jahre alte Werkstatt zur Elfenbeinschnitzerei<br />

(Mammuts), die sogar räumlich schon nach Arbeitsbereichen geteilt war. (Scinexx.de 26.9.12)<br />

2 Die Wanderungen aus dem Süden haben sich wahrscheinlich in Nord-Mesopotamien zuerst weiter nach<br />

Nordosten gerichtet, zum Schwarzen Meer und zum Kaukasus, weniger nach Anatolien. Vielleicht weil<br />

Herden diese Route nahmen; die historische Sprachforschung sieht Anhaltspunkte dafür.<br />

3 Morgan war schon dicht dran an dieser Erkenntnis, wenn er sagt, wir hätten dasselbe, durch Reproduktion<br />

fortgepflanzte Gehirn, welches in längst vergangenen Zeitaltern in den Schädeln von Barbaren und Wilden –<br />

damit beschreibt er frühere Zeitalter, dem die Zivilisation folgt – arbeitete. (1877: 51)

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