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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 47<br />

Schwierigkeit beim primitiven Denken“ – sagt Hallpike – „liegt darin, daß vieles in<br />

Handlungen und konkreten Symbolen ausgedrückt wird und in soziale Institutionen und<br />

Gebräuche eingekleidet ist – daß es, kurz gesagt, nicht artikuliert“ wird. (1990: 85)<br />

Praktisches Lernen beruht auf Zuschauen und Nachahmen (das war übrigens noch in<br />

meiner Lehre so). Handeln kann oft nicht verbal ausgedrückt werden. Es geht also um ein<br />

historisch relativ (!) komplexes Sprechen, das aber den alltäglichen Anforderungen<br />

gewachsen ist beziehungsweise angepaßt werden kann. Sprache sei auch nicht eng mit der<br />

Intelligenz (IQ) verbunden. (94) Denken und Sprache entstehen unterschiedlich. Sprache<br />

ist nicht gleich dem Denken, entspricht aber wohl dem Bewußtsein. „Der Gebrauch der<br />

Sprache ist somit nicht nur ein Anheften von Etiketten an die Gegenstände; man muß<br />

vielmehr lernen, durch Tun erworbene oder auf Bildern beruhende Vorstellungen auf<br />

der Stufe des verbalen Denkens zu rekonstruieren“. (Hv. h.; 96)<br />

Diese Hinweise mögen reichen, um zu einer Vorstellung über die sprachliche<br />

Kommunikation beim Bau des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> zu kommen. Schmidt spekuliert sogar<br />

angesichts bestimmter Reliefs nachvollziehbar über erste Schriftsymbole. 1 (2008: 209f)<br />

Folgen wir ihm – für einen Moment – auch in der Vermutung, nicht kleiner Hackbau am<br />

Lager und dann am eigenen „Bauernhof“ sei der Keim des seßhaften Landbaus gewesen,<br />

sondern der habe sich aus der gemeinsamen Nutzung großer Wildgetreideflächen ergeben,<br />

aus einer Art Landschaftsmanagement, 2 wenn nicht die Versorgung der Bauleute den<br />

Landbau überhaupt habe entstehen lassen, dann sehen wir hier eine Häufung von<br />

Fähigkeiten und Entwicklungen, die ein entsprechend weit entwickeltes Wissen und<br />

Denken sichtbar machen (das durch Alkoholsucht mittels Bierbrauens kaum gestärkt<br />

wurde). Warum soll es eine „jägerische ‚Hochkultur‘“ gewesen sein? (Hv. h.; Schmidt,<br />

2008: 210) Dux hält es für plausibel, der Erwerb der Sprache sei den Anforderungen der<br />

Großwildjagd zuzuschreiben, um zu zeigen, Handlungskompetenz sei mächtigster Antrieb<br />

für sie. (2008: 293; andere Töne: 305) Ob nicht solche Jagdform für die Entwicklung des<br />

Menschen eher randständig war? Die Antwort auf diese Frage nach der<br />

Sprachentwicklung „schreit“ doch geradezu nach schon weitgehend verstätigten Lagern<br />

der Frauen. In ihnen wird vor allem die Sprache um das jeweils nötige Quantum weiter<br />

entwickelt, weniger auf der Jagd oder bei der Waffenherstellung. Bei den Frauen lernen<br />

Kinder die Sprache; allerdings gibt es Hinweise auf frühe spezielle Frauensprachen,<br />

beispielsweise im Sumerischen. (Krecher, 1993; Lévy-Bruhl, 1910: 151, erwähnt solche<br />

auch und dazu Geheimsprachen für magische Praktiken) Die Initiation der Jungen zu<br />

Männern hätte damit eine zusätzliche Funktion: die gegenüber Frauen geheimen Anteile<br />

der Männersprache zu übernehmen, sozusagen die Ordnung selbst. Eine Entwicklung mit<br />

einem so großen Sprung beginnen zu lassen, von der unmittelbaren „Hand in den Mund<br />

Nutzung“ des Wildgetreides hin zum kollektiven Landschaftsmanagement, scheint aber<br />

auch problematisch. Viele kleine Schritte – über einen Windschutz zur Hütte, über die<br />

Zufallsentdeckung wieder aufkeimender Pflanzen am Abfallplatz (Graebner) und so fort –<br />

sind auch für die Weiterentwicklung einer vollwertigen Sprache plausibler; die<br />

Geistwesen/ GöttInnen der Neuerungsfeinde mußten das auch immer zulassen.<br />

Person<br />

Um dem Phänomen der Person, der Persönlichkeit oder dem Individuum näher zu<br />

kommen, das wir mit dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> verbinden können, gilt es ein grobes Raster<br />

anzulegen beziehungsweise zu akzeptieren. Individualität ist mal ein äußeres Zeichen,<br />

etwa die Fähigkeit der SchamanInnen mit einer gegenüber anderen Leuten ausgeprägteren<br />

Denkweise. Es geht aber auch um das Denken und um Vorstellungen zum Individuum, zur<br />

Substanz eines Ichs, soweit sie schon vorhanden sind. Deshalb suche ich bei rezenten<br />

Urvölkern nach Hinweisen in entsprechenden Forschungen. Ein solches Vorgehen wird<br />

manchmal kritisiert, da rezente WildbeuterInnen sich einer Vergleichbarkeit mit der<br />

Steinzeit entzögen, weil sie lange schon bei ihren Nachbarn den Ackerbau kennen, zum<br />

1 Ruspoli (1998) denkt sogar schon bei den unidentifizierten „Zeichen“ der Höhlenmalerei in Lascaux an<br />

Verständigung; auch an solche während der Jagd bei Handabbildungen, bei denen oft Glieder zu fehlen<br />

scheinen. Das Abschneiden von Fingergliedern in besonderer Situation ist bei rezenten Urvölkern aber belegt.<br />

Es gibt beim Volleyball heute solche Zeichen hinter dem Rücken für die hinten stehenden Teammitglieder.<br />

2 Eine ganz andere Entwicklung sieht – streng „naturwissenschaftlich“ – Reichholf (2008), der für die<br />

Frühzeit im wildreichen Afrika von Fleisch als Grundlage ausgeht. Er sieht Stufen der Evolution durch<br />

Wohlstand (nicht Mangel, wie es auch vertreten wird) entstehen. Die Seßhaftigkeit entwickelt sich bei ihm<br />

durch das frühe Bierbrauen aus Wildgetreide, das dann (als unintendierte Folge) den Ackerbau als<br />

Lebensweise hervorbrachte. Alkoholsucht als Basis der Zivilisation, ein typisch männlicher Gedanke, sie ließe<br />

sich auch als Hemmschuh begreifen. Über Arbeitsteilung und Geschlechterbeziehung verliert er kein Wort.

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