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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 25<br />

erstmal nur den „Bedeutenden“, den Großen der Gruppe, den Ältesten als die „Väter/<br />

Mütter“ der Gruppe entgegengebracht worden sein: Frauen und Männern, Männern mit<br />

ihren Frauen? Auch darin läge bereits eine soziale Differenzierung, eine grundlegende<br />

Vorstellung von der Höherstellung der Alten gegenüber den Jungen, die stets eine<br />

besondere Ehrung erfahren, später dann als Ahnen; auch das findet sich universal, weil es<br />

aus dem frühen Denken selbst kommt, als traditionale Logik. Wir werden später sehen,<br />

wie dieses Denken in der Ontogenese aller Menschen gleichermaßen entsteht. Das kann<br />

kulturelle Ähnlichkeiten in zeitlich wie räumlich weit zerstreuten Völkern wohl erklären<br />

helfen. Initiation wie Totenkult und GöttInnen verweisen auf ein Nachdenken über den<br />

einzelnen Menschen, welches sehr schlichte frühe WildbeuterInnen vielleicht noch nicht<br />

kannten. Jene Menschen begreifen sich als Teil der Gruppe; das gilt wohl immer weniger<br />

für sich herausbildende Große, SchamanInnen oder schon PriesterInnen, die ausdrücklich<br />

eine herausgehobene Position einnehmen und damit den Willen der Ahnen und<br />

Geistwesen wiedergeben.<br />

Religion<br />

Um mich verständlich zu machen, genügen wenige Hinweise. Glauben Menschen an<br />

höhere Mächte in Form magischer Geistwesen oder GöttInnen oder später nur an einen<br />

Gott, ist von Religion die Rede. Eine präzise Trennung zwischen Geistwesen, oft im<br />

Rahmen von Naturreligion verstanden, und GöttInnen ist empirisch nicht möglich, auch<br />

nicht die zwischen SchamanInnen und PriesterInnen; über Monotheismus müssen wir für<br />

unser Thema nicht nachdenken. Verstehen wir die Differenz in ihren gegensätzlichen<br />

Polen, bekommen wir einen weichem Übergang zwischen: (A) Magie/ Schamanismus und<br />

(B) GöttInnenglauben/ PriesterIn. Dann geht es um die Frage, ob am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> schon<br />

Typus (B) erkannt werden kann. Ich meine ja, das ist recht wahrscheinlich: zwei<br />

HauptgöttInnen und im Rund der Wand vergöttlichte Geistwesen der alten Naturreligion,<br />

stelle ich thesenhaft in den Raum. Neben der Religion ist für unser Thema der Animismus<br />

zu bedenken, wenn also Menschen alle Erscheinungen der Welt als Subjekte oder<br />

subjektivische, handelnde Kräfte verstehen. Ich verwende den Begriff Animismus dabei<br />

im Sinne der Entwicklungspsychologie; es geht nicht (!) darum, allen Erscheinungen eine<br />

Seele (von außen) zuzuordnen, wie Lévy-Bruhl (1910) sehr betont. 1 Sei es also der Wind,<br />

Donner, die Sonne, die Kraft des Steines, an dem der Mensch sich stieß, oder was immer,<br />

jede Erscheinung wird als subjektivisch geprägt verstanden, nicht als leblos. 2 Malinowski<br />

beschreibt die „Fliegenden Hexen“ der Trobriand-Inseln ebenfalls als Einheit ohne Seele.<br />

(1979: 102, 278, 290) Animistische Geistwesen in der frühen Religion sind offenkundig<br />

Folge früher Ontogenese, wie wir noch sehen werden. Der über die Vorstellung von<br />

Geistwesen als Bestandteil des eigenen Lebens hinaus weiter entwickelte und reflektierte<br />

Glaube an GöttInnen in Form einer bestimmten Religion einer Gemeinschaft erscheint<br />

dann eher als Zweck: wie zur Unterdrückung der Frauen, allgemein zur Stützung von<br />

Autorität... Mystisch-magische Geistwesen erscheinen als naturwüchsige Kräfte, sie sind<br />

einfach da wie alles in der Welt, zuerst weniger als eine Naturreligion. Sie zu beeinflussen<br />

ist wohl die Geburtsstunde der SchamanInnen, die sich mit diesen Kräften in Eins setzen,<br />

vielleicht durch hypnotische Verfahren, um beispielsweise ins Tierreich zu wechseln und<br />

dort für eine gute Jagd zu werben, oder zur Entfernung des Bösen aus dem Körper eines<br />

Menschen. 3 Bald beginnen sie ihrer Gemeinde zu erzählen: vom Wind, Donner oder der<br />

1 Er ordnet den (bei mir animistischen) Erscheinungen mystische Kraft zu, die nicht im Sinne philosophischreligiöser<br />

Mystik verstehbar sei, sondern als Glauben an Kräfte, an Einflüsse, an Handlungen, welche für die<br />

Sinne nicht wahrnehmbar und dennoch wirklich sind. (1910: 23) Es wird eine analoge Macht auch Flüssen,<br />

Wolken, Winden zugestandent, eigentlich allem, womit sich Naturvölker beschäftigen. (25) Lévy-Bruhl<br />

wendet sich gegen den Animismus‘ Tylors und dessen zu folgerichtige Lehre, die der den „wilden<br />

Philosophen“ der Urvölker unterschoben habe, als ob diese Lehre logisch entstand, um biologische Probleme<br />

zu lösen, und weiterentwickelt werden könne. Er bezweifelt die Existenz dieser „wilden Philosophen“ und will<br />

demgegenüber die Differenz mit dem Begriff des „prä-logischen Denken“ dieser Völker betonen. Dabei sei<br />

nicht an ein Stadium (in Richtung: logisch) gedacht, nicht an anti- oder alogisch, sondern es entspräche dem<br />

mystischen Denken, von dem er gesprochen habe. (59, 62) Später soll er den Begriff zurückgenommen haben.<br />

Piaget/ Inhelder benutzen den Begriff prä-logisch auch. (1977: 233) Die Arbeiten Piagets geben diesem<br />

Begriff eine gewisse Berechtigung. Mir geht es nicht um die Theoriedebatte, sondern um die kommentierten<br />

Beispiele Lévy-Bruhls. Später mehr.<br />

2 Animismus endet „formell“ bei der Anerkenntnis des Monotheismus, aber wer Hexen verbrennt, ist sich<br />

seiner Sache wohl nicht sicher; Animismus findet sich auch weiter im Volksglauben und feiert in der Esoterik<br />

fröhliche Erneuerung.<br />

3 Gegenstände aus einem kranken Körper zu saugen, was als real vorgetäuscht wird, ist der erste Hinweis,<br />

daß diese Leute um die Symbolik ihres Tuns wissen, obwohl es auch für die SchamanInnen sicher in ihrer<br />

Lehre heilige Gegenstände waren, mit denen die Krankheit aus dem Körper gelockt werden konnte.

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