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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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52 Person<br />

Grundzügen. Gehen wir noch ein wenig tiefer. Als Gilgamesch beschließt, den Wächter<br />

des göttlichen Zedernwaldes (Libanon) zu besiegen, ist der Tod ihm noch gleichgültig, es<br />

geht um die ewige Ehre als Held, die den Menschen jedenfalls geistig (als Ahne)<br />

unsterblich macht. Die beiden Helden ermorden den von den GöttInnen bestallten<br />

Wächter ganz ausdrücklich: sie reflektieren, ob der im Kampf schon Unterlegene sterben<br />

soll. Später weist Gilgamesch die sexuellen Angebote der Göttin Inanna grob zurück, die<br />

darauf den Himmelsstier auf ihn hetzt, doch auch der wird von den beiden erschlagen.<br />

Diese Szenen lassen sich als Differenz zwischen sakralem und weltlichem (Stadt-) Staat<br />

deuten. (Schmökel, 1956: 58) Auch darin steckt individuelle Differenzierung. Nun reicht<br />

es der göttlichen Gemeinschaft, zur Strafe soll Enkidu durch Krankheit, also ganz<br />

menschlich sterben. Und Gilgamesch erfährt die Trauer, die dem mitleidlosen Töten der<br />

früheren Zeit gegenüber steht. Das „paßt“ in die neue Zeit der städtischen Hochkultur,<br />

oder? In diesem Epos geht es generell um Zivilisierung und Individuation. Schon hier war<br />

es eine starke Frau, die den Wildling Enkidu zu einem Kulturmenschen und Individuum<br />

macht; Schamchat, die – insofern ehrbare – Tempelhure, unternimmt durch den Sex mit<br />

ihm dessen Initiierung ins Erwachsenenleben (als Städter); im Auftrag der GöttInnen;<br />

erinnern wir uns der Lesart der Mythen. Von Gilgameschs Mutter wird er adoptiert,<br />

eingebunden in eine Familie (!) als Basis seiner neuen Sozialität. (Steinert, 2012: 87)<br />

Schamchat ist das Vorbild für Eva, die starke Frau der biblischen Schöpfungsgeschichte,<br />

die aus dem (paradiesischen) Wildbeuter Adam den Bauern werden ließ, auch das ein Akt<br />

der Individuierung, wenn auch ein kleiner nur, aus unserer Sicht. Wie ebenso das<br />

Verlangen Gilgameschs auf Unsterblichkeit individuell ist, wenn auch in gewisser Weise<br />

rückwärts gewandt, er will vom Halbgott zum Vollgott werden. Die Auflehnung gegen<br />

den Tod symbolisiert einen Ausbruch aus einem naturwüchsigen Organischen. So kann<br />

erst in der Stadt gedacht werden. Selbst der Tod wird zum Unrecht, vorgezeichnete Wege<br />

bekommen andere Möglichkeiten zur Seite gestellt, die Macht der Geistlichkeit wird<br />

durch weltliche Kraft hinterfragt; von „der neuen Auffassung von Menschenrechten“ ist<br />

in Sumer die Rede. (Jacobsen, 1954: 229) 8.000 Jahre nach dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>, der<br />

dennoch womöglich ein Anfangspunkt jener sozialen Entwicklung war, die über sehr viel<br />

einfachere Wildbeuterei hinausführte. Die GöttInnen sind der eigentliche sumerische<br />

Staat, zu deren Diensten die Menschen geschaffen wurden und nun den Gottes-Staat<br />

sozusagen nachspielen, oder ihm Leben verleihen. Gilgamesch will die ganze Macht im<br />

Staat allein für den König, um auf diese Weise seinen unsterblichen Ruhm zu festigen.<br />

Daraus wird aber erstmal nichts, die GöttInnen schicken ja die Schlange, um ihm das<br />

Kraut der Unsterblichkeit wegzufressen (und sich selbst durch Häutung zu verjüngen und<br />

sich zum Symbol zu machen). Doch Uruk wird zu einem „modernen“ weltlichen und<br />

zivilisierten Königtum der Menschen mit einer Doppelspitze: König und Tempel. Enkidus<br />

Menschwerdung und Gilgameschs Sterblichkeit bilden den Rahmen für den Ausbruch aus<br />

der GöttInnenwelt in Richtung Zivilgesellschaft, der im Epos angedeutet ist, weil es auch<br />

um das bessere, freiere Leben seines Volkes geht, Männern wie Frauen, denen die erste<br />

Nacht erspart werden soll. Ebenso führt die Entwicklung vom primitiven Landleben zum<br />

Stadt-Staat. Dux sieht darin den Übergang vom Mythos zum Epos. (1992: 45)<br />

Das Menschsein im Stadt-Staat Sumers hat Steinert (2012) für (erst) das zweite bis erste<br />

Jahrtausend vC an Keilschrifttexten untersucht. Sie stößt dabei bereits auf einen Prozeß<br />

der Zivilisation und auf einen relativ „modernen“ Menschen. Immer wieder das strukturell<br />

gleiche Thema mit entsprechend der Zeit neuem Inhalt; heute heißt es der Konflikt der<br />

Generationen. Das Bauwerk: Stadt steht selbst für neue Fähigkeiten, für ein erweitertes<br />

Weltbild. In den Keilschriften fanden sich dazu wichtige Bereiche: besprochen wurden<br />

unter anderem Ehre und Selbstbeherrschung, die für ein Zusammenleben auf engem Raum<br />

schnell eine wichtige Bedeutung bekommen. Auch über das Selbst der StädterInnen –<br />

beziehungsweise eher das der Städter – wurden Texte gefunden, über Würde, Scham und<br />

Schuld gesprochen. (102, 267, 405, 492) Obwohl es keine generelle Herabsetzung der<br />

Frauen gab, so wurde doch in Einzeltexten am Verstand der Frau gezweifelt. Der galt<br />

jedoch als von den GöttInnen gegeben; leider hatten Frauen keinen eigenen persönlichen<br />

Gott, sondern fielen unter den Einfluß jenes des Vaters oder des Ehemanns,<br />

gegebenenfalls jenen des Bruders. (385, 389; irgendwie langweilig diese Geschichte, nicht<br />

wahr?) Doch waren ja alle Menschen den GöttInnen untergeordnet, nicht autonom.<br />

Allerdings waren sie ihnen nicht passiv ausgeliefert. In Mesopotamien wurde versucht,<br />

„den Einzelnen in die gesellschaftliche Ordnung zu integrieren, die Verantwortung des<br />

inneren Selbst mit dem öffentlichen Selbst, der Ausübung sozialer Rollen, Einfüllung von

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