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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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60 Frauenmacht?<br />

Für die patriarchalen städtischen Familienformen Mesopotamiens in Sumer/ Akkad (ab<br />

circa vor 6.000 Jahren) und Babyloniens (ab circa vor 4.000 Jahren) wird ebenfalls die<br />

Vormacht der Männer gezeigt, die formal eindeutig, aber im Alltag offenbar nicht extrem<br />

war; Frauen konnten Besitz haben und Geschäfte tätigen; (Hrouda, 2000; Jursa, 2004) eine<br />

Vergewaltigung war allerdings nur die Kränkung des Gatten und der Gesellschaft!<br />

(Jacobsen, 1954: 171) Auch frühe Mythen lesen sich in dieser Weise. Balz-Cochois sagt<br />

über die wichtige sumerisch-akkadische Göttin Inanna/ Ischtar, die eine Kriegerin und<br />

Hetäre sei, auch eine „Zeitgenossin“ Gilgameschs war, sie ließe sich weniger als die<br />

„Große Mutter“ identifizieren, von der in einigen matriarchalen Thesen die Rede sei,<br />

sondern erscheine viel mehr als „Männergöttin“, wenn auch hochgeachtet. (1992)<br />

Macht und Vorratshaltung<br />

Dux hat die Macht als „das schlechterdings konstitutive Organisationsmoment in der<br />

Gesellschaft“ untersucht, um das Geschlecherverhältnis unter einem sozialen Grundprizip<br />

zu analysieren, bevor es noch konkrete soziale Differenzierungen gab. (1997: 77) Er<br />

versteht darunter für unser Thema nicht schon politische Macht und meint ausdrücklich<br />

nicht Machtstreben als Menschenbild des: Jeder gegen Jeden. Sondern Macht ist ein<br />

„natürliches“ Medium im alltäglichen Handeln von Menschen in Bezug zu ihren<br />

Mitmenschen. Jedes menschliche Wesen – etwas weit verstanden schon ein Säugling beim<br />

Schrei nach Nahrung – müsse sich darum kümmern, seine Interessen, oder sagen wir hier<br />

besser, seine Bedürfnisse, hinreichend durchzusetzen oder zur Geltung zu bringen, um<br />

genügend Lebensmittel zu erhalten, möglichst ein wenig mehr als das. Lebensmittel<br />

wiederum im weiten Sinn von Nahrung, Kleidung, menschlicher Wärme, Schutz. In einer<br />

sozialen Gruppe gibt es diesbezüglich eine Konkurrenz. Wer sich nicht kümmert und/<br />

oder sich meldet gerät in die Defensive, bekommt weniger als andere. Manchmal gehört<br />

schon früh auch etwas Kraft dazu, wenn das Händchen sich den Weg zum Essen im<br />

Gerangel bahnen muß. Macht wird so etwas wie das erste Movens sozialer Entwicklung;<br />

ich sage noch einmal: des Alltags. Erst darüber hinaus wird dieser Prozeß der<br />

gegenseitigen Machtsicherung zu einem bewußten Handeln als Schema auch zwischen<br />

den Geschlechtern und auch politisch. Ein Prozeß also, der nicht mehr nur „irgendwie<br />

passiert“, sondern reflektiert wird, etwa bei der Ausübung der Riten, wenn Frauen nicht<br />

zugelassen werden (Menstruation), oder sie im Stammesrat keine Stimme haben, auch<br />

wenn sie vielleicht teilnehmen dürfen. Grundlage der Sozialisation ist der zu lernende<br />

Umgang mit alltäglicher Macht. In den frühen Gemeinschaften und Gesellschaften ist<br />

Macht immer durch Werte legitimiert worden: der heilige Schamane, der König von<br />

Gottes Gnaden. Dafür steht vor allem auch Religion.<br />

In der Ethnologie werden manchmal egalitäre und nicht-egalitäre Wildbeutungs-<br />

Gruppen, Dorfgemeinschaften, Häuptlingsysteme und Staaten unterschieden; hinzu<br />

kommen Zwischenstufen, beispielsweise Proto-Staaten. (Harris, 1991; Dux, 1997) Nach<br />

der Konkretion einer solchen Zwischenstufe suche ich, wenn ich für den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong><br />

eine für die damalige Zeit besonders weit ausgebildete Sozialform vermute, die dem<br />

Bauwerk entsprechen kann. Auf die komplexen Formen seßhafter SammlerInnen und<br />

Jäger verwies ich schon. Bei ihnen ist bereits ein Häuptlingsystem (chiefdom) im Natufien<br />

denkbar, meint auch Bartl. (2004: 170) Ein Verbund wie die (Clan- oder)<br />

Gentilgemeinschaft (aus mehreren Gentes/ Gruppen) kann vermutlich in dieser Weise<br />

weitgehend egalitär existieren, wie Morgan (1877) die Irokesen schildert. Wenn aber –<br />

wie bei jenen durch die Frauen – von den einzelnen Gruppen Abgesandte für höhere<br />

Gremien gewählt werden, gelten die offensichtlich als für den Job qualifiziert (nicht<br />

unbedingt: haben sich ! qualifiziert). Sie besitzen also Autorität, so oder so. Für die<br />

damalige Zeit der Proto-Neolithisierung kommen drei Bereiche besonders in den Blick, in<br />

denen sie erworben wurde: Krieg, Nahrungsbeschaffung und Welterklärung. Ebenso ist<br />

aber die ausdrückliche Bemühung um Ansehen möglich, bei Krieg und Jagd, in der Magie<br />

und Heilkunst oder beispielsweise über das Ausrichten von Festen mit der Funktion der<br />

Umverteilung eines Teils des Reichtums solcher bedeutenden Männer; das Potlatch der<br />

Nord-West-Indianer ist wahrscheinlich der bekannteste Name dafür. (Josephy, 1998: 47)<br />

Solche Feste gab es auch in anderen Weltteilen, etwa bei den Nuristanern in Afghanistan.<br />

(Bild-8: 120) Auch Gilgamesch hatte die Königspflicht, zweimal jährlich ein (Neujahrs-)<br />

Fest auszurichten.<br />

Ein solcher Prozeß zu hohem Ansehen/ Macht könnte beginnen, in dem ein Jäger/<br />

Krieger eine Gefolgschaft um sich sammelt, deren Mitglieder ihm gern zur Jagd oder zum

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