Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
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82 Tausend Pfeiler...<br />
Interessen zurück, die nun mit zu reflektieren sind. Das kann alles noch auf Konsens<br />
beruhen, wie – ein letztes mal – bei den Irokesen. Das gilt auch für den Tempelbau. Doch<br />
ist er einmal beschlossen, gibt es Verpflichtungen. Auch die können kaum erzwungen<br />
werden, wenn sich eine Gruppe das anders überlegt. Aber es gibt auch den informellen<br />
Zwang mit der Ehre, oder daß das „Einschlafen“ (wie bei den Mbuti) bei der Bewältigung<br />
der Zukunft gegen die GöttInnen gerichtet ist, gegen den Zusammenhalt des Ganzen.<br />
Nicht weniger wahrscheinlich als ein völlig egalitärer Konsens als Basis des Stammes ist<br />
aber die Herausbildung hierarchischer Strukturen, die doch im sozialen Organismus<br />
angelegt sind über Geschlecht, Alter, Körper- und Geisteskraft... Sei es mittels des Großen<br />
Mannes in der Form über Ansehen, Verteilungsfeste, oder wie auch immer dort. Auch ein<br />
Kriegshäuptling kommt in Frage.<br />
Für das Gebiet von den Pyrenäen bis Südfrankreich wird am Ende der Eiszeit eine<br />
Bevölkerung von nur bis 3.000 Menschen angenommen, die dann aber schnell anwuchs.<br />
(Burenhult) Eine solche Vorgabe macht es nötig, auch für Nord-Mesopotamien mit<br />
möglichst niedrigen Zahlen zu argumentieren. So entstand bei mir als Mindestzahl der<br />
Kult- und Baugemeinschaft eine Stammesgröße von um die 750, also knapp 1.000<br />
Personen, denn nicht alle werden jeweils zur Stelle gewesen sein. Und das Gelände war<br />
groß genug für mehr. Doch wenn wir dabei bleiben, es sei gelungen, mehrfach 180<br />
erwachsene Männer für die Bewältigung der Pfeileraufstellung zusammen zu bringen,<br />
dann heißt das auch, dort trafen 180 Jäger und Krieger zusammen, wenn auch nur für<br />
jeweils kurze Zeit. Doch in den Lagern fehlten sie ohnehin oft, weil sie zur Jagd oder zu<br />
kleineren Kriegszügen unterwegs waren. Warum künftig nicht größere bewaffnete Züge<br />
unternehmen? In jener Zeit vor 12.000 Jahren eine Truppe von 180 Kriegern aufbieten zu<br />
können, läßt andersherum plausibel werden, daß auf dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> nicht eine Burg,<br />
sondern ein Tempel errichtet wurde, dessen Verteidigungsfähigkeit eher in Frage steht.<br />
Ein solcher Stamm mußte sich in jener Zeit jedenfalls kaum vor Menschen fürchten. Ob<br />
das jedoch auch für die Nachbarn gegolten hat? Spätestens mit dem Tempelbau mußte<br />
allen dort klar werden, welch gewaltiges weltliches Potential der Macht sich neben der<br />
religiösen entwickelt hatte. Von daher ist die Kraftentwicklung, die von diesem Bau<br />
symbolisch ausging, vielleicht jenseits aller Verbindung zur Domestizierung von Korn<br />
und Schafen zu bedenken. War dort ein Kriegervolk entstanden, eine Armee der Steinzeit,<br />
mit guten Waffen, wie die Funde von Pfeilspitzen zeigen? (Schmidt, 2008: 127) Die<br />
historischen Momente, wo eine solche Möglichkeit nicht auch genutzt worden wäre, sind<br />
vermutlich selten. Handelswege konnten gesichert werden, um noch mehr Reichtum zu<br />
akkumulieren. Der Gedanke läßt sich aber auch zur Landwirtschaft hin fortsetzen: die<br />
Krieger fordern Tribut, was die Produktion ansteigen läßt. Naturausnutzung ist damals die<br />
wesentliche Möglichkeit, in großem Umfang sich zu bereichern. Und zur Erfüllung von<br />
Tributpflichten wäre organisierte Landwirtschaft ein guter Weg... Anders als bei den<br />
Mbuti ist nicht Fleisch abzuliefern, sondern Getreide und Gemüse. Doch das führt nun<br />
wirklich etwas zu weit.<br />
Zwischenstand: Den Himmel stützen<br />
Nach acht Monaten Beschäftigung mit der Analyse des Sozialen um den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong><br />
kommt es mir so vor, als sei eine erste Stufe eingegrenzt; falls es eine weitere Stufe<br />
überhaupt noch geben wird; jedenfalls ist an einigen Fragen weiter zu arbeiten. Von der<br />
Rekonstruktion der sozialen Entwicklung ist noch keine Rede. Aber es gibt doch einige<br />
Ansätze, die wahrscheinlich den Rahmen abstecken. Aus diesem Material ist sowohl<br />
technisch wie geistig und sozial dort eine Gemeinschaft vorstellbar, die den Tempel bauen<br />
konnte, ohne ihr für die damalige Zeit extreme oder gar „wundersame“ Kenntnisse<br />
unterstellen zu müssen. Auch von SammlerInnen und Jägern dort auszugehen, muß nicht<br />
auf Unglauben stoßen. Allerdings ist von überwiegend seßhaften, komplexen<br />
SammlerInnen und Jägern auszugehen, die die nötige soziale und technische Organisation<br />
entwickelt hatten. Die Vorstellung, noch von ganz egalitären Gruppen auszugehen, liegt<br />
nicht völlig außer Reichweite, scheint aber unwahrscheinlich. Auf der anderen Seite ist<br />
ebenso eine streng hierarchisch organisierte Gruppierung denkbar, bis hin zu einer<br />
Kriegergemeinschaft, die SklavInnen einsetzen oder Fronarbeit anderer Gruppen oder<br />
unterdrückter Schichten des eigenen Volkes durchsetzen konnte. Ob hier die<br />
Landwirtschaft durchgesetzt wurde, oder das Ende dieser Kultgemeinschaft eher das<br />
Gegenteil bezeugt, scheint offen zu sein. Plausibel ist eine Gemeinschaft mit relativer<br />
Gleichheit der Männer/ Familienvorstände, die in den einzelnen Gruppen und Gentes