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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 17<br />

dem Neandertaler wird keine moderne Sprachfähigkeit zugetraut. (Haarmann, 2006) Als<br />

Maß oder Ebene für die historische und soziologische Differenzierung menschlicher<br />

Lebenswelten steht deshalb nur die je ausgebildete Kompetenz der jeweiligen<br />

Gemeinschaft/ Gesellschaft zur Verfügung, nicht mehr eine biologische Unterscheidung,<br />

wie in der biologischen Evolution hin zum Homo sapiens. Den Menschen wesentlich<br />

bestimmende genetische Veränderungen (Mutationen) liegen weit zurück (und brauchen<br />

generell sehr viel längere Zeiträume als hier zu besprechen). Aber nicht nur aus früherer<br />

Zeit kann eine gewisse Kontinuität der Lebensweise unterstellt werden, wenn etwa vom<br />

Cro-Magnon-Menschen Süd-Frankreichs von vor gut 40.000 Jahren in Europa Kenntnisse<br />

vorsichtig auf die Leute vom <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> übertragen werden. Sondern auch aus späterer<br />

Zeit, vor allem aus Mesopotamien, etwa bei der Analyse von Mythen Sumers, sind<br />

Rückschlüsse möglich. Und das gilt ebenso für die Betrachtung rezenter Urvölker aus<br />

aller Welt, die nicht nur, wie meist in der Archäologie, zur Analyse des sozialen<br />

Verhaltens dieser Leute beigezogen werden, sondern vor allem hinsichtlich der Kognition.<br />

Im derzeitigen Stadium meiner Studie geht es allerdings noch nicht um eine solche<br />

Zuordnung, sondern mehr um eine Sammlung von Möglichkeiten.<br />

Ich gehe – wie gesagt – nicht davon aus, es habe eine generelle Entwicklung<br />

menschlicher Lebensformen hin zum Komplexeren überall in der Welt in gleichlaufenden<br />

Stufen gegeben. 1 Daß es viel später nach der Zeit des Bauens am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> unter den<br />

rezenten Urvölkern sehr schlichte WildbeuterInnen gab, bedeutet nicht, es wären vor<br />

12.000 Jahren alle Menschen noch schlichter organisiert gewesen. Obwohl es solche<br />

Tendenzen der Entwicklung offenkundig gegeben hat. Kulturelle Übergänge, wie der<br />

Übergang von Wildbeuterei zum Landbau, entwickelten sich aus konkreten Bedingungen<br />

am bestimmten Ort, aber nicht überall in gleicher Weise nach einem festen Schema (oder<br />

gar Plan). Denn für den konkreten Einzelfall sagt „Evolution“ im Sozialen nicht viel. Was<br />

in der Biologie möglich scheint, einen einzigen Stammbaum aller Lebewesen zu finden,<br />

ist im Sozialen nicht denkbar, weil die Prozesse dort anders funktionieren. Immer wieder<br />

erkennen wir auch dort Prozesse vom Einfacheren zum Komplexeren, manchmal auch<br />

andersrum. Es gibt insgesamt einen Richtungssinn, weil sich bestimmte Änderungen<br />

funktional aufdrängen, wie der Übergang zum effektiveren Landbau. Entwicklungen<br />

finden sogar gegen das bewußte Wollen meist der Älteren statt. Erst seit der europäischen<br />

Aufklärung als Verbesserung des Lebens von Generation zu Generation angestrebt (!)<br />

wird; zuvor galt es, den Ahnen zu entsprechen, zu bleiben was die waren. Rationales<br />

Handeln wird immer wichtiger und damit die unvermeidlichen Nebenfolgen, die die<br />

Prozesse dann mitbestimmen. Aber es gibt offenkundig nicht den einen großen Prozeß der<br />

Menschwerdung. Amerika zeigt uns besonders deutlich, wie dort Völker durch die<br />

Ankunft der Eroberer in frühere Lebensformen zurückgestoßen wurden, vom Ackerbau zu<br />

Pferdehirten und WildbeuterInnen, vielleicht zu solchen Menschen wie den sehr einfach<br />

lebenden Feuerländern. Auch Australien ist diesbezüglich schwer einschätzbar, weil unser<br />

Wissen auch dort nur von Weißen stammt, die den eigenen Einfluß – etwa durch auch<br />

geistig verstörende Epidemien, wie sie jedenfalls Amerikas Völker trafen – zuerst selbst<br />

nicht unbedingt erkannten, wie die betroffenen Bevölkerungen schon gar nicht, was zur<br />

Zerstörung alter Gewißheiten und Zusammenhänge beitragen konnte. (Mann, 2005;<br />

Josephy, 1998; Fagan, 1990) Und Massenmord und Vergewaltigung an eingeborenen<br />

Völkern im Namen Christi war eher Regel als Ausnahme. Doch ebenso konnten Konflikte<br />

zwischen historischen Völkern untereinander ähnliche Ergebnisse haben, wenn auch nicht<br />

mit solchen großen Folgen.<br />

Auch die verwandtschaftliche Organisation kann nicht als feste Folge im Sinn<br />

evolutiver Stufen interpretiert werden, wie bei Morgan. (1877) Der fand zwar auf Hawaii<br />

Familienformen mit Bezeichnungen der Verwandtschaft, als hätten in noch früherer Zeit<br />

alle Töchter einer Mutter einer Generation alle Söhne einer anderen Mutter „geheiratet“;<br />

doch verstand er wohl diese Bezeichnungen (!) nicht hinreichend, wie wir noch sehen<br />

werden. (Lévy-Bruhl, 1956: 70) All das hat es irgendwann irgendwo wahrscheinlich mal<br />

gegeben, aber nicht in einem einzigen großen Prozeß der sozialen Evolution. Ebenso gibt<br />

es für eine Stufe eines Matriarchats (Frauenherrschaft), die oft durch die Große<br />

Muttergöttin symbolisiert sei, vor der Zeit allgemeiner Männervormacht keine Belege;<br />

nicht einmal plausible Thesen sind erkennbar, auch nicht spätere „Amazonen-Staaten“<br />

1 Unbestritten ist die zwingende Tendenz, die Umwelt kognitiv zusammenzufassen, um in ihr agieren zu<br />

können, sie also reduzierter zu sehen als sie ist; ein Gebüsch, unter das sich jemand im Regen verkriecht, ist<br />

bei solcher Wahrnehmung schon beinahe eine Hütte. Die Reduktion erlaubt dann komplexeres Handeln,<br />

Schritt für Schritt.

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