09.01.2013 Aufrufe

Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

70 Krieg, Kriegsvermeidung, Handel<br />

Seßhaftigkeit mit einfachstem Feldbau und eine komplexe Wildbeuterei, die dort zudem<br />

für fast 12.000 Jahre früher anzunehmen ist, für die Ermittlung der Menschlichkeit der<br />

Steinzeit heranzuziehen? Es scheint doch eine hinreichende kulturelle Differenz zu jenen<br />

Gemeinschaften zu geben, die im Nahen Osten mit der Seßhaftigkeit des Neolithikums<br />

entstanden, und die durch die Forschung insofern hinreichend als andere Lebensweise<br />

bestimmt sind. Dort scheinen Kriege zwischen Hirtenstämmen, wie dann im späteren<br />

permanenten Völkermord mit Hilfe Jahwes, primär einem „Volk ohne Raum“ geschuldet.<br />

Ganz anders als im südamerikanischen Regenwald zeigen sich die Kriege zwischen den<br />

Staaten Mesopotamiens und deren Kämpfe gegen nomadische Stämme; ähnlich in<br />

Ägypten und noch zur griechischen Zeit. Hinzuweisen ist auch auf das rituelle<br />

Mitbegraben einer menschlichen Begleitung in den Tod durch Familienangehörige und<br />

Dienerschaft, die auch aus Mesopotamien bekannt ist, der Königsfriedhof von Ur, in dem<br />

etwa 150 Personen geopfert wurden. (Ende 3. Jt. vC; Roaf, 1998: 86f) Ausgehend von<br />

einem prä-operationalen Menschen scheint dieses Zusammenziehen der aggressiven<br />

einfachen Feldbauern mit friedlichen WildbeuterInnen als gegensätzliche Pole, zwischen<br />

denen der <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> zu sehen ist, zulässig; ich vermeide ein: in Grenzen zulässig, um<br />

nicht eine sprachliche Präzision vorzutäuschen, die es nicht geben kann. Zumindest gilt es<br />

auch immer den verstörenden Einfluß des Kolonialismus und der modernen Vertreibung<br />

(Bild-5: 56) bei der Einschätzung rezenter Ur-Völker zu bedenken; in den Berichten über<br />

afrikanische Stämme ist beispielsweise sehr oft von Mais-Anbau die Rede, der seinen<br />

Ursprung in Mexico hat; schon Kolumbus brachte ihn nach Europa. Auch die Süßkartoffel<br />

auf Neuguinea wurde von den Portugiesen eingeführt; die Entdeckung bestimmter<br />

Regionen dort erst Mitte des 20. Jahrhunderts ist also eine Wiederentdeckung. Ebenso gibt<br />

es in den benutzten Berichten bei den Mbuti, den Yanomamo und den Baruya, auf die ich<br />

gleich zu sprechen komme, bereits von den Weißen mitgebrachtes Eisen.<br />

Zum Handel. Ich hielt es oben für möglich, es könne am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> durch Handel<br />

von Feuerstein oder Obsidian, vielleicht sogar Werkzeug/ Waffen daraus, zu sozialen<br />

Unterschieden gekommen sein, sei es über den Prozeß der Großen Männer oder wie auch<br />

immer. Mit der Rekonstruktion des Salzhandels der rezenten Baruya in Neuguinea in der<br />

Form der neolithischen Zeit, skizziert Godelier eine Form des Handels, wie er auch viel<br />

früher und anderswo denkbar scheint. (1973: 207ff; 1987) Dieses Volk lebte vor der<br />

(Wieder-) Entdeckung 1951 in „steinzeitlichen“ Lebensformen, zum Teil in Frieden mit<br />

den Nachbarn, zum Teil auch nicht, mit einigen ist es durch Friedensverträge verbunden.<br />

Die Baruya sind allerdings schon ein seßhaftes Gartenbauvolk (Brandrodung), das vor<br />

allem Süßkartoffeln anbaut, die die Portugiesen (!) im 16. Jahrhundert einführten, über<br />

deren Einfluß offenbar nichts bekannt ist, und eben auch Salzpflanzen. Zusätzlich werden<br />

Schweine gehalten. Die Baruya bilden einen „häuptlinglosen Stamm“ aus patriliniaren<br />

Clans mit besonderer Bedeutung angesehener Großer Männer, die sich primär auf<br />

Ansehen und nicht auf ökonomische Macht stützen, wenn auch die Salzherstellung und<br />

der Handel solche Entwicklungen mitbringen. Manches der Lebensweise ist der der Mbuti<br />

ähnlich und für den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> denkbar, auch wenn wir dort Landbau ausschließen. Es<br />

geht hier um ein Beispiel für frühe Handelsformen, deren Strukturen sich als ziemlich<br />

vielschichtig zeigen. Salz wird aus Pflanzen gewonnen, die verbrannt, einige Zeit gelagert<br />

und bearbeitet werden, ein komplexer Prozeß, der hier nicht von Interesse ist, aber ein<br />

Vorgang, wie er den Menschen am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> analog zugetraut werden könnte, wenn<br />

wir dort etwa an Werkzeugherstellung denken. 1 Salzbarren werden primär produziert, um<br />

Umhänge, Steine für Äxte (später: Metall) oder auch bunte Vogelfedern und einiges mehr<br />

einzutauschen, die nicht im eigenen Land hergestellt oder gefunden werden können. Die<br />

Umhänge entstehen aus Borke in einem eher noch zeitaufwendigeren Prozeß unten in den<br />

Tälern. Auf der höheren Ebene, die die Baruya bewohnen, gedeihen solche Bäume nicht.<br />

Steine für die Äxte wurden von der Küste gekauft. So entstehen viele Kontakte über die<br />

eigenen Grenzen hinaus, wie immer die festgelegt waren. Zielgerichtete Handelswege<br />

müssen entwickelt und gepflegt werden, da Autarkie für diese gewählte Lebensweise<br />

nicht möglich ist. Nicht Arbeitszeit sei das Maß für den Handelspreis – die Baruya finden,<br />

sie gewännen bei ihm –, sondern eine bestimmte Wertschätzung der entsprechenden<br />

Dinge, die eingetauscht werden, was natürlich auf Gegenseitigkeit beruhen muß. Das gilt<br />

nebenbei bemerkt auch für andere Handelsformen in rezenten Urgemeinschaften, auf die<br />

Godelier beispielhaft verweist, wenn Perlenschnüre, Delphinzähne, Mühlsteine oder die<br />

1 Schon Neandertaler konnten beispielsweise Birkenpech als Kleber herstellen, wozu mehr nötig ist als etwas<br />

auszukochen, um es dickflüssiger zu machen. Ich erinnere an den Prozeß, Eicheln zu Nahrung zu machen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!