Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 67<br />
sie, Platz ist ebenfalls reichlich vorhanden, und doch sind die Feindseligkeiten grausam<br />
und mörderisch, heißt es. (Bild-5: 15) Das „und doch“ müßte allerdings durch ein „weil“<br />
ersetzt werden. Weil sie nicht permanent sich um Nahrung kümmern müssen, haben die<br />
Männer Zeit zu Kriegen. Anders als von einigen nordamerikanischen Indianern gesagt<br />
wird, deren Überfälle eigentlich nur Handberührungen, oder die mit speziellen Stäben sein<br />
sollen, die – von den Kumpanen bezeugt – zu weiteren Adlerfedern und dergleichen<br />
führen sollen, zu Ruhm oder Ehre also, geht es bei den Yanomamo neben dem Ansehen<br />
auch ums Töten. Es gibt wechselnde Bündnisse, oft durch Handel, bei dem es aber auch<br />
schnell Streit und Entehrung gibt, wenn über die Wertigkeiten keine Einigkeit erzielt wird.<br />
Die Jívaro in Peru und Ecuador sind Kopfjäger. Ihre Kriegshandlungen sind ähnlich<br />
permanent. Ohne daß sie sich bedroht fühlen müssen, gibt es ständig Konflikte und<br />
Blutfehden untereinander und Ausrottungskriege gegen entferntere Stämme. Erbeutete<br />
Köpfe werden mitgenommen und eingekocht, sobald die Krieger sich nicht mehr verfolgt<br />
fühlen. (das Rezept: Bild-5: 40) Bei den Kamayurá am Xingu in Brasilien – auch sie<br />
haben Feinde, die in Schlachten möglichst getötet werden sollen – werden von den<br />
Männern heilige Flöten gespielt, die die Spieler beim Musizieren selbst zu Geistern<br />
machen. Sie werden auf dem Dorfplatz (!) in einem Schrein aufbewahrt. Frauen dürfen sie<br />
nicht sehen, geschieht das doch, werden sie vergewaltigt oder sogar getötet. Dazu heißt es<br />
auch: „Wenn eine Frau die Flöten zufällig sehen sollte, sei es daß die Instrumente unter<br />
freiem Himmel gespielt werden oder die Frau von den Männern dazu gezwungen<br />
wird, so kann sie von den Männern des Stammes vergewaltigt oder verbannt werden“.<br />
(Bild-5: 46, 48, hv. h.) Auch aus Südostasien sind Gruppen beschrieben worden, die stark<br />
kriegerisch lebten, zum Teil auch Kopfjäger waren, wie die auf der Insel Nias südwestlich<br />
von Zentralsumatra. Die stellten auf ihren großen Dorfplätzen nach bestimmten Riten<br />
Megaliten auf, wobei auch SklavInnen geopfert worden sein sollen. (Bild-5: 76ff) Oder<br />
die Iban auf Borneo. (84ff) Beide Lebensweisen führen nun aber mit großen Dörfern<br />
schon sehr weit weg von Stämmen, die als der Steinzeit nah verstehbar sind. Ich komme<br />
auf diese Problematik zurück.<br />
Ließe sich in solchen Kriegs-Szenarien daran denken, die Kultbauten am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong><br />
für einen Schutzbau gegen Feinde zu halten? Eher nicht, selbst wenn ein Angriff einer<br />
großen Gruppe nicht auszuschließen ist, um ein Gebiet zu erobern. Es bedürfte innen<br />
Aufschüttungen vor den Mauern, um mit Pfeilen und Speeren Gegner abzuwehren<br />
(Schmidt zeigt Feuersteinspitzen aus jener Zeit). Dagegen spricht aber vor allem Anlage<br />
C, die mehrere Außenmauerringe aufweist. Zögen sich Verteidiger von der äußersten<br />
Mauer ins Innere zurück, könnten Angreifer nun von den Mauern aus von oben nach innen<br />
agieren. Generell ist ein Krieg aber mit zu bedenken, wenn Lebensräume sich ändern und<br />
Wanderungen beginnen; ausgehend vielleicht von den Pyrenäen nach dem Abklingen der<br />
Eiszeit. Kamen fremde Gruppen mit ganz anderen Vorstellungen über die Welt in die<br />
Gegend, die berüchtigten IndoeuropäerInnen vielleicht früher als gedacht, oder andere mit<br />
gewissen Kenntnissen der frühen Landnutzung, die sie aus den Weiten der russischen<br />
Steppen mitbrachten, in denen winterliche Vorratshaltung einen eigenen Stellenwert<br />
hatte? Solche Kenntnisse, die die Einheimischen in Nord-Mesopotamien noch nicht<br />
haben, weil es so paradiesisch ist an diesem Berg? Oder kamen Gruppen aus dem Nahen<br />
Osten, als es wärmer wurde, die altbekannten Herden der Kräuter-Tundra nach Norden<br />
folgten? Wahrscheinlich käme es dann zum Kampf, zum Recht des Stärkeren. Hinweise<br />
gibt es bisher nicht. Zuzug aus beiden Richtungen scheint möglich. (Hamel, 2007: 401,<br />
415ff)<br />
Bleiben wir der inneren Veränderung der Bevölkerung um den Kultbau herum auf der<br />
Spur. Gute Lebensbedingungen bringen allzuleicht Männer mit zuviel freier Zeit hervor,<br />
eher kriegerische Männer – Helden! Doch dafür braucht es Gegner, die in<br />
nachbarschaftlichen Sippen/ Stämmen leicht zu finden sind, wenn es nicht schon eine<br />
große soziale Organisierung gibt, wie eine Kultgemeinschaft, die Schmidt um den Tempel<br />
herum annimmt, oder einen Stammesbund als Gentilgemeinschaft. Dann leben die Gegner<br />
wenigstens für die meisten Leute nicht im Nachbarort, sondern ein gutes Stück entfernt:<br />
außen. Der Tempel weist mit seiner symbolischen Macht weit über das Land hinaus<br />
mögliche Gegner in ihre Schranken; schon Schmidt sieht diese denkbare Funktion. (2008:<br />
145) Aus drohenden Angriffen heraus können ebenso Eliten als Kriegshäuptlinge<br />
entstehen, wie aus einem Handel, vielleicht mit Feuersteinen (Silex) und daraus<br />
gefertigten Werkzeugen. War Voraussetzung für eine großflächige „Agrarwirtschaft“, wie<br />
Schmidt sie vermutet, bevor sich bäuerliche Dörfer bildeten, die Herrschaft über