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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 45<br />

Erfahrungen und Ratschläge an Gruppenmitglieder ... weiterzugeben, sie sorgten für<br />

Alte und Gebrechliche, sie organisierten ihre Gesellschaft“. (2009: 58)<br />

Für den Steinzeit-Film „Am Anfang war das Feuer“ 1 wurde eigens eine primitive<br />

Sprache entwickelt (wohl für NeandertalerInnen vor 80.000 Jahren gedacht), in der sich<br />

selbst die BeleuchterInnen unterhalten hätten, wie es heißt: das Ulam (Burgess).<br />

Ausweislich des Beiheftes zur DVD umfaßt diese Sprache 100 ins deutsche übertragene<br />

Wörter. Reicht das für den Bau eines solchen Kultbaus? Nein, Stein und Fels oder Mauer<br />

gibt es nicht; aber mit 200 Wörtern, sage ich mal, wäre es möglich gewesen, den Bau zu<br />

errichten – doch sicher nicht das religiöse Gebäude zu seiner Begründung. Heute werden<br />

die Khoisan-Sprachen der Buschleute in Namibia (mit den Klick- und<br />

Schnalzlauten: !-X...) als älteste noch existierende angesehen. Das Lexikon, das Traill aus<br />

Büchern und eigener Erfahrung (!) zur letzten vitalen Sprache dieser Volksgruppe,<br />

dem !-XÓÕ, zusammentrug, basiert auf 1.300 Grundwörtern. Für die Sprache der<br />

verwandten !-XUN stellten König/ Heine knapp 3.000 Lexikonbegriffe zusammen. 2 Wird<br />

aus diesen Sprachen das „Vitale“, also ein eingebundener moderner Wortschatz,<br />

herausgedacht, läßt es sich vielleicht mit verloren gegangenen ausgleichen. Graebner<br />

(1924: 90) sagt von den Bantu-Sprachen in Afrika, Aussagen würden in kleine Sätze<br />

aufgelöst: „Der Jäger – er ist groß – er hat ihn geschlagen den Vater – er ist des Hirten“<br />

(Der große Jäger hat den/ meinen Vater geschlagen, der ein Hirte ist, heißt das wohl). Das<br />

klingt nach früher Sprache, doch auch bei dieser Äußerung mußte der ganze<br />

Zusammenhang gedacht werden. In den modernen Sprachen erkennt er dem Bantu<br />

gegenüber eine Entwicklung zu mehr abstrakten Sprachbildungen, primitive Sprachen<br />

seien konkret. (72ff; ähnlich Hallpike zum primitiven Denken, 1990: 155) Worte wie Tier<br />

oder Pflanze als Gattungen fehlten oft, was Lévy-Bruhl schon sah, ebenso der Plural, die<br />

Substanzialität trete gegenüber Eigenschaften und Wirkungen zurück. Das grammatische<br />

Geschlecht sei in vielen Sprachen eine Wertskala, das Weibliche stehe hintenan. (80)<br />

Graebner sieht auch Differenzen bei mutter- und vaterrechtlichen Sprachen. (Bodenbau,<br />

Hirten; 84) Das von Halloran herausgegebene „Sumerian Lexicon“ enthält 1.255<br />

Einzelwörter (logogram words) und 2.511 zusammengesetzte (compound words), die den<br />

Weg über Schriftquellen bis in unsere Zeit gefunden haben. Und Sumer war schon – darf<br />

angenommen werden – deutlich komplexer strukturiert. Kauschke berichtet in einem<br />

anderen Zusammenhang von Studien, nach denen bis zu acht Monate (!) alte heutige<br />

Kinder 36 und bis zum 16. Monat 190 Wörter verstanden. Sechsjährige verstehen bereits<br />

9.000 bis 14.000 Wörter. (2012: 43) Die für den Bau des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> nötige<br />

Sprachkompetenz scheint aus solchen Kenntnissen über denkbare alte Sprachen<br />

„irgendwie“ nachvollziehbar. Lévy-Bruhl erkennt bei Sprachen rezenter Urvölker häufig<br />

eine verwickelte Grammatik und ein überraschend reiches Vokabularium. (1959: 339) Es<br />

gäbe auch Begriffe und Abstraktionen, wenn auch im Verständnis des traditionalen<br />

Denkens. (1910: 92ff) Mit vielen Beispielen begründet er seine These des prälogischen<br />

Denkens keineswegs im ihm unterstellten abwertenden Sinn, sondern betont ebenso die<br />

besonderen Fähigkeiten. Beispielsweise an solchen Sprachen und auch an den<br />

Gebärdensprachen, die viele dieser traditionalen Völker kennen; die Gebärden seien sehr<br />

konkret, wie gezeichnet, und reichten für stundenlange Unterhaltungen aus. Am Beispiel<br />

der Zahlen bestätigt er zwar, viele dieser Völker hätten Zählworte nur bis Vier oder sogar<br />

nur bis Zwei; vier seien es deshalb oft, weil es vier (magische) Himmelsrichtungen gäbe;<br />

manchmal komme noch oben und unten dazu (Zenit, Nadir). Dies hindere sie aber<br />

keineswegs, auch mit größeren Mengen umzugehen, etwa mit Hilfe des Abzählens der<br />

Körperteile (Finger, Unterarm, Oberarm, Schulter...). Größere Mengen verwenden sie<br />

nicht in einem mathematischen System, sondern stattdessen als Namen, was für das gute<br />

Gedächtnis dieser Menschen kein Problem sei. (155) Ähnlich funktioniert die<br />

1 Drei Männer – wohl Neandertaler – sollen das verlorene Feuer zurückbringen, fliehen vor dem<br />

Säbelzahntigern und treffen eine Gruppe Homo sapiens, die bereits Hütten haben, die die Männer furchtbar<br />

erschrecken. Dabei lernen sie auch vis-a-vis-Sex kennen. Eine junge Frau rettet und begleitet sie. Mit dem<br />

behüteten Feuerbehälter zu Hause angekommen, fällt der ins Wasser – und die junge Homo sapiens zeigt sich<br />

als fähig zum Erzeugen des Reibfeuers. Sie kommt aus einer neuen Epoche der Menschheit. Nicht Hollywood,<br />

sondern Frankreich/ Kanada. Sehenswert: Am Anfang war das Feuer, 1981, Regie Jean-Jaques Annaud.<br />

2 Beide Lexika in: Quellen zur Khoisan-Forschung, Bd. 9, 21. Für die Yaghan, die Feuerland südlich des<br />

Beagle-Kanals bewohnten, wurde ein Wörterbuch von 32.000 Wörtern notiert. (Bild-5: 244) Darwin, der mit<br />

der zweiten Fahrt der Beagle drei Feuerländer, die in England gelebt hatten (wahrscheinlich bei der ersten<br />

Fahrt verschleppt), zurück begleitete, war zwiespaltig: einerseits waren die in Feurland lebenden „niederste<br />

Barbaren“, andererseits gleichen die geistigen Fähigkeiten der mittlerweile englisch sprechenden Mitreisenden<br />

nun den englischen. (Darwin, 1874: 72)

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