Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 65<br />
Wirkung ein solcher Bildungsstand üblicherweise hat, wenn aus dieser Kognition heraus<br />
die Zusammenhänge der Welt betrachtet, ja erfahren werden. Die Natur als von<br />
Geistwesen beherrscht zu sehen, vor der Jagd die Geistwesen der Tiere um „Erlaubnis“ zu<br />
bitten und dergleichen mehr, kann kaum als Einsicht (!) in ökologische Zusammenhänge<br />
verstanden werden. 1 Auch der Versuch eines „Blicks“ auf die Menschen vom <strong>Göbekli</strong><br />
<strong>Tepe</strong> darf sich nicht zu sehr von der grandiosen Leistung dieses Baus beeindrucken lassen.<br />
Wir haben es mit Steinzeitmenschen zu tun, mit offenkundig komplexen WildbeuterInnen,<br />
über deren Verhältnis zur Natur, zu Gewalt und Krieg oder zum Geschlechterverhältnis<br />
wir nur aus der Summe unserer Erkenntnisse Vermutungen anstellen können.<br />
Um einen weitergehenden Eindruck von prä-operativen Menschen zu bekommen, gebe<br />
ich noch einige Hinweise aus einer Arbeit Lévy-Bruhls zur geistigen Welt der Primitiven.<br />
(1959) Die von ihm ausgewerteten Berichte stammen – wie schon gesagt – oft von<br />
Missionaren, was sie als Quellen problematisch macht, wie er auch selbst sieht.<br />
Andererseits kommen sehr viele Berichte aus fast allen Teilen der Welt zusammen, so daß<br />
etliche übereinstimmende Schilderungen über das Verhalten jener Leute eine gewisse<br />
Plausibilität enthalten. Leider wird nicht generell nach der Lebensweise unterschieden, es<br />
scheint aber meist von Dorfgemeinschaften mit Häuptlingen und SchamanInnen die Rede<br />
zu sein. 2 Ich will diesen Band nur einmal willkürlich durchblättern, um ein paar weitere<br />
Eindrücke zu vermitteln. Schon im Inhaltsverzeichnis betont Lévy-Bruhl, es sei nicht der<br />
Mangel an natürlichen Fähigkeiten Ursache der Abneigung der primitiven Mentalität<br />
gegen logische Denkoperationen. Und er hebt das gute Gedächtnis hervor, das solche<br />
Menschen stets anstelle des Nachdenkens einzusetzen versuchten. (9) Es gäbe durchaus<br />
wissenschaftlich befähigte (!) Köpfe, was nicht gleichbedeutend ist mit wissenschaftlich<br />
denkend, (5) und Kinder könnten, wenn sie beschult würden, ungefähr ebenso schnell und<br />
gut lernen wie Kinder unserer Länder. (9, 13) Es fehle aber weitgehend das Verständnis<br />
des Kausalzusammenhangs der Erscheinungen. (18) Vorstellungen beschränkten sich stets<br />
auf eine nur kleine Zahl von Gegenständen.<br />
Beim Eintreten eines Todesfalles gehen diese Menschen beispielsweise von einer<br />
Ursache aus, die im Geistigen liegt, weil also Zauber bestand, eine geheimnisvolle Macht.<br />
Und da sie schon wüßten, daß dies so ist, komme es ihnen auf die genauere Todesursache<br />
nicht an, nicht einmal bei Altersschwäche. (20) Die Toten wurden von magischen<br />
Mächten verurteilt; schließlich gäbe es ja Menschen, die älter sind und noch leben. Ob<br />
konkret nun ein Blitz sie tötete, oder der Speer eines Feindes: andere sind nicht daran<br />
gestorben, also war im speziellen Fall eine magische Kraft am Werk. Es gibt keinen<br />
Zufall, keine Unfälle. Wenn die Lanze trifft, das Krokodil zupackt, der Ast bricht und den<br />
Schädel zertrümmert, so war es von Geistwesen bestimmt. Und gibt es offenkundig<br />
konkrete Urheber, so mußten die nicht unbedingt schuldig sein, sie wurden vielleicht vom<br />
Zauber benutzt. (26) Ein ganzes Kapitel widmet Lévy-Bruhl Zaubern und Krokodilen.<br />
(33) Diese Tierchen sind harmlos, töten niemals Menschen – es sei denn, sie seien<br />
verzaubert. Kommt es nach einer Beerdigung von XY zu einem heftigen Gewitter, wird<br />
ernsthaft davon ausgegangen, dies sei vom Geist des XY geschickt worden, dem vielleicht<br />
irgendetwas nicht paßt. (54) Ein Todesfall muß gerächt werden, wenn er durch<br />
Zauberkräfte anderer Menschen verursacht ist, was meist angenommen wird. Es seien fast<br />
immer Todesfälle, die Kriege gegen Nachbarstämme verursachen, um den tötenden<br />
Zauber zu vernichten und dessen ganze Verwandtschaft, heißt es mal für ein Volk. (57f)<br />
Daß Träume als Realität gesehen werden, erwähnte ich schon. Als ein Häuptling zwei<br />
oder drei mal von einem Mann träumte, ließ er ihn töten, weil er darin eine Bedrohung<br />
durch Zauberei sah. (91) Sehr wichtig sind auch die Vorzeichen, die oft von Vögeln<br />
angezeigt werden (wie bei uns die schwarze Katze von links). 3 Das Vorzeichen ist nicht<br />
1 Was ja oft geschieht. Wenn der letzte Baum, das letzte Tier ausgerottet sei, würden wir (Weißen) sehen,<br />
Geld ließe sich nicht essen, war in den siebziger Jahren eine ständige Mahnung weißer Gutmenschen; sie soll<br />
von einem Indianerhäuptling stammen. Gerade WildbeuterInnen können eine erstmal zerstörte Umwelt auch<br />
verlassen. Aber selten sind sie in der Lage, Landschaften zu zerstören. Nicht daß ich für die „Zivilisierung“<br />
solcher Völker bin, aber die Frage, ob nicht doch eine höhere Bildung für jene Kinder auch Menschrecht ist,<br />
sollte erlaubt werden. Wie das in „unserer“ Welt human realisierbar wäre, sehe ich allerdings nicht.<br />
2 Der Ethnographic Atlas (Murdock, 1967) mit sehr vielen Angaben zu ihrer Lebensweise umfaßt 862<br />
Stämme/ Gruppen in 412 Clustern in aller Welt. Darunter sind auch Babylonians und Anc(ient) Egyptians<br />
genannt, so daß es sich wohl nicht nur um rezente Völker handelt, aber doch wohl fast nur um solche.<br />
Bezogen auf größere Regionen betrachtet, betrieben nur die Völker in Australien und um die Hälfte der in<br />
Nordamerika weder Viehhaltung noch Landwirtschaft. Es läßt sich offenbar sagen, das Wissen um beides war<br />
– außer in Australien – allgemein.<br />
3 In Mesopotamien wußte ein Arzt über den Heilerfolg etwas, wenn er auf dem Weg zum Kranken rechts<br />
von sich einen Falken fliegen sah. (Pichot, 1995: 135) Diese Menschen seien sehr „abergläubisch“ gewesen,