Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 59<br />
womöglich schon mit kleinem Gartenbau ohne domestizierte Pflanzen oder Tiere, bietet<br />
am ehesten eine Chance auf eine gute Position im Inneren, weil viele Männer den<br />
Wohnplätzen oft lange Zeit zu Jagd und Krieg fern sind. (Harris, 1991, über die<br />
Irokesinnen) Bereits lange vor der Domestikation entstehen im fruchtbaren Halbmond<br />
Schweifgebiete mit festen Zentren und ersten Friedhöfen. (Uerpmann, 2007; Gebel, 2002:<br />
31) In Nord-Mesopotamien scheint – ähnlich wie in Südwest-Europas Höhlen oder unter<br />
Felsvorsprüngen – vor 12.000 Jahren eine gewisse Seßhaftigkeit der WildbeuterInnen in<br />
eher selten wechselnden Lagern vorstellbar, weil hier Nahrung in Form von Wildgetreide<br />
und Gazellen reichlich vorhanden waren. Ich unterstelle, in den Lagern bilden die Frauen<br />
mit den Kindern einen Kernbereich. Die Männer übernehmen die äußere Welt, jagen,<br />
verteidigen die Gruppe, führen Krieg und Racheaktionen durch und fertigen ihre<br />
speziellen Werkzeuge/ Waffen. Die Frauen besitzen ihr Gerät und was sie im Lager und<br />
beim Sammeln erarbeiten, die Männer ebenso ihr eigenes Sammelgut, wohl auch die<br />
Jagdbeute, die aber auch oft den Frauen übergeben werden mußte. (Dux, 1997) Im Inneren<br />
entwickelt sich ein anderes soziales Gefüge zwischen Frauen und Kindern, aber auch<br />
Alten und Kranken, die erst mit relativ dauerhaften Lagern als Lebensmittelpunkt eine<br />
Überlebenschance bekommen, sofern sie nicht von den Geistwesen/ GöttInnen als<br />
„lebende Tote“ ausgestoßen werden, wenn und weil sie nicht mehr heilbar scheinen und<br />
dann einen mystischen Mangel aufweisen. (Lévy-Bruhl, 1959: 275) Und diverse<br />
Fertigkeiten werden entdeckt, wie vielleicht die Zubereitung solcher Nahrung, die roh<br />
oder nur einfach gekocht ungenießbar ist, wie Eicheln, die durch heiße Wasserbäder von<br />
herben Bestandteilen gereinigt werden können, und die es dort gab. (Uerpmann, 2007)<br />
Frauen erkunden die engere Umgebung zur Nahrungssuche und sammeln Kenntnisse über<br />
Pflanzen und Kräuter der Region. Dazu kommen unter anderem das Gerben und Nähen bis<br />
hin zum Hausbau, 1 der sich aus dem Errichten eines Windschutzes im Lager entfaltete; all<br />
dies erfordert eigenes Werkzeug, auch Steinwerkzeug, wie Schaber, Stichel und Klingen.<br />
Haben Frauen womöglich sogar frühe Schriftzeichen als Mittel im Haushalt entdeckt?<br />
Daß Landbau und Viehzucht von ihnen entwickelt wurde, gilt ohnehin als gesichert –<br />
bewiesen (und beweisbar?) scheint das nicht. Doch wer sollte sich sonst mit<br />
aufgegriffenen Jungtieren beschäftigt haben, mit denen die Domestizierung der Schafe in<br />
Nord-Mesopotamien begann? Wer sollte am Wildgetreide über viele Wuchsperioden<br />
hinweg entdecken, wie aus Selbstaussaat gezielte Züchtung zu festeren Sorten entwickelt<br />
werden konnte, die die Körner weniger leicht verloren und deshalb besser zu ernten<br />
waren?<br />
Die Wahrscheinlichkeit, daß die Menschen Kleinfamilien bilden, wenn sie auch in<br />
größeren Einheiten leben, ist sehr hoch; allerdings gibt es bei rezenten Urvölkern oft<br />
Polygynie, die Mehr-Frauen-Ehe, wie es bei manchen auch Frauentausch auf Zeit gibt.<br />
(Dux, 1997) In welcher Weise sich das am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> real entwickelte ist kaum<br />
erschließbar. Eine solche mögliche Ausbildung des Kerns der Gruppe im Lager wäre in<br />
der idealisierten Form eines Typus‘, mit dem solche Probleme nur sinnvoll zu behandeln<br />
sind, ein urwüchsig entstandener, ein organischer Prozeß, der weitgehend der<br />
Funktionalität folgt, wie sie sich primär aus der Mutter-Kind-Beziehung ergibt. Wie<br />
obskur seinerzeit auch immer dazu über die Welt gedacht/ geglaubt wurde. Und religiöse<br />
Ordnungen stellen wohl immer die Frauen zurück, scheinen nicht zuletzt gerade dazu<br />
erfunden; weshalb ich nach dem Bau des Tempels eine Gleichberechtigung der<br />
Geschlechter für unwahrscheinlich halte. Dabei haben die um den Lagerplatz herum<br />
Nahrung sammelnden Frauen oft mehr davon bereitgestellt als die nicht immer<br />
erfolgreichen Jäger. 2 Aus dem Typus wird dann gedanklich allzuleicht eine evolutive<br />
Stufe relativer Frauenmacht, für die es Belege aber nicht gibt, so wohlwollend auch<br />
nachgesehen wird. Die fortschrittliche Bewegung passiert hier und da in Zeit und Raum<br />
und überall in homöopathischen Dosen. Wieso es ein Rätsel sein soll, warum die<br />
Menschen seßhaft wurden, ist – zumindest aus Frauensicht – selbst ein Rätsel.<br />
Offenkundig gibt es den blinden Fleck in der männlich geprägten Beobachtung bei<br />
rezenten Urvölkern und späteren Lebensformen.<br />
1 Lévy-Bruhl schildert einen Fall bei den Betschuanas (Südafrika), bei dem ein Missionar ausgelacht wird,<br />
als er angesichts schwieriger Bauarbeit empfiehlt, den Hüttenbau durch die Männer machen zu lassen; (1959:<br />
298) ähnlich Dux, 1997.<br />
2 Roaf verweist für Palästina der Zeit 11.000 - 9300 vC auf überwiegend vegetarische Ernährung. (1998: 29)<br />
Godelier schreibt zum Beispiel von den Mbuti-Pygmäen am Kongo, die Frauen sammelten mehr als die Hälfte<br />
der Nahrung; (1973: 69) ähnlich Dux (1997) für die wärmeren Gegenden, während im kalten Norden die Jagd<br />
die hauptsächlichen Lebensmittel beibringe und Frauen fast rechtslos seien (extrem bei den Eskimos).