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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 9<br />

Entwicklung und die Berichte ausgewirkt; zum Teil wurde das Wissen der Eroberer über<br />

die alten Griechen auf die „Wilden“ rückübertragen. 1 Eine weitere Beurteilung ergibt sich<br />

aus der Frage, wie (!) der Homo sapiens universell zu einer animistischen Weltvorstellung<br />

kam. Es ist zu prüfen, was unter religiös zu jener Zeit an jenem Ort verstanden werden<br />

kann. War es eine animistische Welt von Geistwesen, die alle als Subjekte auf die<br />

Menschen wirkten? Oder gab es ergänzend dazu bereits eine Religion mit erkennbaren<br />

GöttInnen? 2 Die großen Hauptpfeiler in den Anlagen des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> verweisen eher auf<br />

letzteres.<br />

Archäologisch wissen wir mittlerweile schon einiges über diesen Bau, (Schmidt, 2008)<br />

aber aus Sicht der Soziologie gilt es, diesen Erkenntnissen mit Erklärungsversuchen<br />

nachzukommen. Wer also waren diese Leute mit solchen Möglichkeiten? Wie dachten<br />

und glaubten, wie sprachen sie? Ob sie wirklich nicht wußten, wie Fortpflanzung<br />

(biologisch) funktionierte, wenn sie vielleicht bei der Kindesentwicklung die geistig,<br />

mystische Zeugung allein für bedeutend hielten? (Ruspoli, 1998: 92; in Eiszeit, 2009: 285)<br />

Als ob nicht beides zugleich zu denken ist. Was bauten sie vor den Kultstätten dort?<br />

Welche Gemeinschaftsformen hatten sie entwickelt, um das Werk beginnen zu können?<br />

Waren sie gleichberechtigt und frei, Frauen und Männer, wie es oft für WildbeuterInnen<br />

gedacht wird? Hatten womöglich die Frauen das Sagen? Oder eine Kriegerkaste?<br />

Insel im Urmeer?<br />

Mit dem Fund des riesigen steinernen Tempels am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> kam eine neue soziale<br />

Epoche in den Blick der Kulturgeschichte, die bislang nicht gesehen worden war. Der Bau<br />

in Nord-Mesopotamien bei Urfa/ Sanglıurfa (i ohne Punkt), dem früheren Edessa, zeigt die<br />

Struktur von damaligen Rundhütten mit äußeren und inneren Pfosten. Er sagt uns, bei den<br />

Leuten, die ihn errichteten, ist von einer entwickelten Kultur auszugehen, die<br />

Arbeitsteilung über die geschlechtliche hinaus kannte und an die tausend Menschen<br />

umfaßte, um ihn bauen zu können. Lange vor dem bisher (schulbuchmäßig) gesehenen<br />

Beginn der Seßhaftigkeit. Hohe Mauerringe mit über zehn Metern Durchmesser aus<br />

Felssteinen sind seine Basis. Besonders kennzeichnend sind die bis fünfeinhalb Meter<br />

hohen freistehenden T-Pfeiler im Innenraum und die bildhauerische Kunst auch an den<br />

Stützpfeilern der Mauern. Die beiden Mittelpfosten stützen in einem solchen Gedanken<br />

eine Dachkonstruktion. Tatsächlich gibt es eine Fundstelle von Pfosten-Häusern in Ain<br />

Mallaha nördlich des Sees Genezareth bereits aus der Zeit der Natufien-Kultur. (vor<br />

13.000 bis 11.300 Jahren in der Levante; Roaf, 1998: 27ff) Schmidt kommt aber<br />

nachvollziehbar am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> zu offenen Kulträumen. Diese Mittelpfeiler trugen kein<br />

Dach, sondern eher den Himmel.<br />

Die äußerliche Beschreibung des steinzeitlichen Bauwerks ist nicht übermäßig<br />

komplex, auch deshalb nicht, weil hier nur auf die bislang älteste Grabungsschicht III<br />

bezug genommen werden soll. Dort wurden im wesentlichen vier Bauanlagen gefunden,<br />

drei sind von einem Typus, eine kleinere, die Anlage A, hat einen etwas anderen<br />

Charakter: ihr Grundriss ist eher rechteckig, ein kleiner Raum, an den eine Apsis<br />

anschließt; davon soll folgend nicht die Rede sein. Die anderen drei Anlagen sind<br />

angenähert kreisförmige Mauerkomplexe, deren Wände von Pfeilern gestützt werden, und<br />

in deren ungefährer Mitte zwei größere Pfeiler stehen. Eine Anlage (C) hat zusätzliche<br />

äußere Mauerringe und einen längeren schmalen, von Mauern eng begrenzten Eingang<br />

(bei den Griechen: Bromos). Mein fotografiertes Modell deutet Anlage D an, um sich die<br />

Perspektive ein wenig vorstellen zu können, wenn sich Menschen näherten und eintraten.<br />

Ihr eiförmiger Grundriß ist außen ungefähr zwölf mal 16 Meter groß. Von ihr spreche ich<br />

1 Schon A. v. Humboldt (1967: 373) sieht diesen Zusammenhang. Ausdrücklich in dieser Weise Lafitaus<br />

Bericht von 1726 (dt. 1752) über Indianer. Lindner (1987) verweist auf die altgriechischen Mythen der<br />

Mänaden/ Bacchantinnen, die zum Beispiel Orpheus ermordeten (während mythischen Amazonen gegen<br />

Bewaffnete kämpfen). Die Christen übernehmen dies zum Beispiel in die Figur der Salomé, der Tochter von<br />

Herodias und Herodes, der auf ihren Wunsch Johannes köpfen läßt und den Kopf in einer Schüssel auf den<br />

Tisch stellt (Hinweis auf Omophagie, Kanibalismus). Menninger (1995) zeigt demgegenüber, daß die Berichte<br />

über „Menschenfresser“ in Amerika im 16. JH alle aufeinander bezogen sind. Es scheint eine<br />

(unglaubwürdige) Übertragung aus dem Wissen über die alten Griechen und der christlichen Vorstellungen<br />

auf die Indianer (und andere Völker?) gegeben zu haben. Vergleichen Sie auch den Animismus in der Ilias –<br />

überall tätige Gottheiten.<br />

2 Hier soll nicht versucht werden, Magie mit SchamanInnen von Religion mit PriesterInnen aufwendig zu<br />

scheiden; vielleicht hilft das Verständnis als Pole einer Reihe, zwischen denen mal mehr mal weniger von<br />

Magie oder Religion vorkommt: Magie versucht durch direkte, „mechanische“ Einflußnahme auf die<br />

Geistwesen in allen Erscheinungen Einfluß zu nehmen (gute/ böse Zauber). Der andere Pol ist eher<br />

„Gottesdienst“ der Gläubigen und PriesterInnen, die als Dienstpersonal auftreten. Dazu unten mehr.

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