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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 21<br />

behandeln. 1 Und wie es auch für vor-mythische Zeiten, aus denen keine Geschichten<br />

bekannt sind, zu vermuten ist – wie wir noch sehen werden. Solche Mythen sind Verweise<br />

vom Bestehenden zurück zu einem Ursprung der jeweiligen Welt, wie sie aber<br />

offenkundig nicht mehr ist. Einer Welt, die von menschlicher/ männlicher Ordnung<br />

geprägt ist. Sie zeigen nicht ein „Forschungsergebnis“, keine „Erklärung“, sondern<br />

lediglich ein gedanklich mögliches Gegenteil (!) des Bestehenden, verweisen zurück auf<br />

das noch nicht Geordnete in der mythischen Zeit, die also nicht als eine reale historische<br />

Zeit verstanden war; in Australien ist die „Traumzeit“ eine solche ewige vorgeschichtliche<br />

und doch zugleich historische Zeit. Wurde die wilde Natur, das Chaos (leeres Gähnen)<br />

oder was immer mit der früheren Zeit gemeint war, als weiblich vorgestellt, dann konnten<br />

mit solchen Mythen die wirklichen Verhältnisse, die soziale Ordnung einer Gruppe oder<br />

eines Stammes, als nun durch Männer geprägt legitimiert werden: der Umbruch wurde als<br />

durch die allgegenwärtigen Geistwesen oder schon GöttInnen vorgegeben behauptet, sie<br />

übergaben die Macht den Männern –, und diese Mythen wurden geglaubt, sonst gäbe es<br />

keine Spur mehr von ihnen.<br />

Diese Mythen als „wahr“ erscheinen zu lassen, gelang auch deshalb, weil in der<br />

traditionalen Logik jener Menschen solche Mythen die Kraft des Wortes verkörpern, mit<br />

ihm identisch sind, wie das Wort mit dem damit Bezeichneten auch (Und Gott sprach: es<br />

werde...; 1. Mos 1; Im Anfang war das Wort..., Joh 1,1). So wie auch Namen im Denken<br />

rezenter Urvölker und noch in der späteren idealistischen Philosophie als identisch mit<br />

dem Benannten verstanden werden. Das Wort erscheint als Kraftfeld. (Lévy-Bruhl, 1910:<br />

330) In gleicher Weise gelten Geburt und Tod als identisch und mit der Geburt das<br />

Weibliche und also auch Leben und Tod! Und in der Angst vor der Kraft des Weiblichen<br />

wird die Angst vor dem Tod mitgedacht oder gefühlt, es droht der Rückfall ins Chaos der<br />

Vorzeit. In weiblichen Symbolen – seien es nur eingeritzte Vulven oder Frauen-Figurinen,<br />

ob dick oder dünn, oder was immer – sind deshalb ebenfalls beide zu sehen: Leben und<br />

Tod. Das gilt für jedes Fruchtbarkeitssymbol, auch wenn es sich um männliche Symbole<br />

für sie handelt. Doch mehr noch: bei jedem individuellen Tod – sagt Dux – ist in jener<br />

Vorstellung der Tod des Lebens insgesamt zu befürchten. In der Ansicht der Männer<br />

gebären und töten Frauen also, sofern sie nicht wie die Kinder unter Kontrolle der Männer<br />

gehalten werden. 2 Das Blut der Menstruation ist Männern deshalb vor allem unheimlich,<br />

die innere Wunde, die offenbar nicht tötet, sondern erneuert, kräftigt – Tod und Leben.<br />

Und alle Erscheinungen und Kräfte sind in animistischen Vorstellungen jener Vor-Zeit des<br />

Denkens Subjekte, Handelnde, woraus sich die Beziehung zu Geistwesen, GöttInnen und<br />

Ahnen bestimmt, die am Alltag der frühen Menschen direkt teilhaben. Mit dem<br />

Verkünden und Akzeptieren der Mythe ist klar, daß sich seit der mythischen (Vor-) Zeit<br />

für die jeweilige Gemeinschaft etwas geändert hat und nun berechtigt (!) die Männer den<br />

entscheidenden Einfluß haben, sie die Schöpfer des Realen und Gewährleister dessen<br />

Ordnung sind.<br />

Die Mythen werden selbst zur numinosen Kraft, von denen sie handeln. Wer über die<br />

Mythen, über das Wort verfügt, verfügt über jene Kraft, die Ordnung werden ließ, die das<br />

Weibliche, damit Leben und Tod, dem Männlichen unterwarf. Und die Kraft, die aus dem<br />

Ursprung heraus dieses ermöglichte, ist mächtiger als das daraus folgende, mächtiger als<br />

der aktuelle Zustand. Zugleich ist diese Kraft subjektiv, nicht ein Es, sondern ein: Du.<br />

(Frankfort, 1954: 11) Der (anerkannte) Träger/ Verkünder des Mythos ist deshalb<br />

mächtiger als die Realität, ist Gott. Wir werden noch sehen, daß das keine bloße<br />

Behauptung war, sondern sich dies aus dem frühen Denken über Ursprung/ Ursache und<br />

dessen Ergebnis oder Ziel selbst ergibt. Wer über den Mythos herrscht, beherrscht die<br />

damalige Gegenwart. Es geht auch um Identität der Menschen mit den GöttInnen und dem<br />

Gemeinwesen im Ganzen, dessen „Verfassung“ die Mythen sind. Die Untergruppen der<br />

Gemeinschaft stehen – sagt Müller (in interim6: 116) – in einem „latenten Identitäts- und<br />

1 Bei den Murgin/ Australien geht es so: die beiden Schwestern Wawilak benannten Landschaften, Tiere und<br />

Pflanzen, waren also Schöpferinnen, die eine war Mutter, die andere schwanger, sie hatten aber Blutschande<br />

begangen. Dann entweihten sie auch noch das Wasser der männlichen (!) Schlange (!) Yurlunggur mit<br />

Menstruationsblut (!). Die Schlange, das initiierende Element, frißt nun die Schwestern berechtigterweise; das<br />

Männliche siegt und übernimmt die Befruchtung (!) der Welt durch regelmäßigen Regen. Im Stamm kommt<br />

die soziale Macht den Männern, die natürliche Fruchtbarkeit den Frauen zu, sagt Lévi-Strauss. (1994: 110ff)<br />

Es ließe sich die Dürftigkeit religiösen Denkens niemals genug betonen, folgert er. (115)<br />

2 Daß Frauen der Leere (manchmal der: Natur), Männer der Kultur zuzuordnen sind, gilt Männern als<br />

„ewig“; dieser Ansatz war erneut bei den Aufklärern des 18. Jahrhunderts Basis des männlichen<br />

Selbstverständnisses. Noch Tönnies schreibt 1887 in Gemeinschaft und Gesellschaft, es gehörten Frauen und<br />

Kinder zusammen als vom gleichen Geiste, ähnlich Weber (und das bei Ehefrau Marianne).

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