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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 19<br />

das eine neue Welterklärung erforderte, falls es bemerkt werden konnte und nicht zu<br />

langsam kam. So sehen wir auf eine dynamische Zeit, die den normalerweise sehr<br />

konservativen Urvölkern generell nicht zugeordnet wird. Lévy-Bruhl (1959) und andere<br />

haben von rezenten WildbeuterInnen und einfachen Landbauvölkern eine Menge Belege<br />

dafür zusammengetragen, bei ihnen generell von einer „Neuerungsfeindschaft“<br />

auszugehen, sich immer wieder den Ahnen anzupassen und gerade nicht ihre<br />

Gemeinschaften zu „modernisieren“. Schon 1910 schreibt er – mit Bezug auf F. H.<br />

Cushing, auf den sich später auch Lévi-Strauss beziehen wird –, warum beispielsweise<br />

Anfertigungen bei Naturvölkern bis ins (mystische) Detail stets gleich bleiben wie bei den<br />

Vätern und Ahnen. Das sei nicht bloß Gewohnheit, sondern das „unmittelbare Resultat<br />

eines aktiven Glaubens an die mystischen Eigenschaften der Gegenstände,<br />

Eigenschaften, die an ihre Form geknüpft sind und die einem mit Hilfe dieser zur<br />

Verfügung stehen, die aber sofort der Kontrolle des Menschens entgehen würden, wollte<br />

man das kleinste Detail der Form an ihnen ändern“. Eine Änderung könne den Erfinder<br />

und die zu ihm halten, wie die Sippe, ins Verderben stürzen. Ebenso könne eine<br />

Veränderung, die der Mensch an dem Zustand des Bodens vornehme, durch neue Bauten<br />

oder auch dem Niederreißen eines Gebäudes, oder allgemeiner, die Änderung an der<br />

festen Ordnung der Dinge, furchtbare Konsequenzen haben. (27; auch Fungshui wird als<br />

am Alten haftend erwähnt) Manche Indianer Nordamerikas würden es deshalb für eine<br />

Freveltat halten, den Boden zu bearbeiten. (26) Damit hatten vielleicht die ErfinderInnen<br />

der Landwirtschaft im Nahen Osten auch zu kämpfen, daß sie nun diesen Boden mit<br />

Hacken aufreißen wollten! Neuerungen sind durch Zwänge und Nebenfolgen bedingt,<br />

nicht durch planvolle Weiterentwicklung; die Neolithisierung ist kaum zielgerichtet,<br />

womöglich auf der großen Zentralversammlung Südwestasien beschlossen worden,<br />

sondern entstand eher aus vielen kleinen einzelnen Transformationen. In der<br />

Neuerungsfeindschaft spiegeln sich zwar auch Abwehrhaltungen gegenüber den weißen<br />

Kolonisatoren, wenn diese Leute aus mystischen Gründen (!) mißtrauisch gegen die<br />

Nahrung der Fremden waren, die sie den eigenen mystischen Kräften entfremden konnten,<br />

(264) und sich nicht zum Christentum bekehren lassen wollten. Es gäbe aber auch einen<br />

Widerwillen, alte Gebräuche aus Furcht vor Ahnen und Geistwesen für neue<br />

preiszugeben. Wie sollte auch hinreichend mit den Ahnen kommuniziert werden, zumal<br />

wenn die Ältesten deren Meinung teilten; da bleibt es besser wie es ist. Einzelne Neuerer<br />

oder erfoglreiche Leute mußten sich vor dem Verdacht der Zauberei fürchten, und das war<br />

ein dramatischer Vorwurf. 1 Die Verehrung der Ahnen und deren Vertretung auf Erden als<br />

Richter über Gut und Böse schaffen eine generell konservative Struktur.<br />

Die von Schmidt angenommene Grundfertigkeit am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>, Steinmauern<br />

aufzuwerfen, um Tiere zu lenken, sei es von fruchtbaren Tälern voller Urgetreide weg<br />

oder in eines als Falle hinein, mag „so nebenbei“ entstanden sein, nicht als von den<br />

Geistwesen mit Hilfe von SchamanInnen abgesegnete Bauwerke. Schmidt denkt sogar an<br />

Gruppenjagd mit großen Fanganlagen aus Steinmauern, wie sie etwa 200 Kilometer vom<br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> flußabwärts am Euphrat, 50 Kilometer südlich von Tell Abu Hureyra, und<br />

in großer Zahl in Jordanien gebaut worden sind. (in Spektrum, 1989: 81ff; dort ein<br />

Luftbild einer Anlage nahe Damaskus von 1930) Andere halten solche Bauwerke für<br />

Pferche halb domestizierter Tiere. (Bartl, 2004: 59) Daß es in der Region der<br />

Kultgemeinschaft keine Belege für solche Mauern gibt, kann mit der viel späteren<br />

Landwirtschaft erklärt werden, bei der größere Steine von den Feldern in Steinlager/<br />

Lesesteinhaufen verbracht werden, um pflügen zu können. Das gilt auch für das<br />

Überpflügen von Gruben früher Gebäude – wenn es das alles denn gab. Steinmauern<br />

aufzurichten ist so schwierig nicht. Doch die Herstellung der großen Pfeiler ist etwas ganz<br />

anderes. Die Neuerungsfeinde bauen plötzlich eine neue Welt.<br />

Ursprungs-Mythen<br />

Um sich in Denken und Glauben früher Zeit einzulesen, komme ich nach der<br />

Einführung als erstes auf Mythen zu sprechen, auf tradierte Geschichten über den<br />

Ursprung der jeweiligen Gemeinschaft. Später gilt es darüber nachzudenken, ob am<br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> schon ähnlich gedacht werden konnte. Es geht nicht darum, den Inhalt<br />

solcher Geschichten dorthin zu übertragen. Ob dort wirklich über Enten im Urmeer<br />

1 Lévy-Bruhl zitiert, ein Häuptling im Kongo habe einem Schmied verboten, aus eisernen (europäischen)<br />

Faßreifen gute Messer herzustellen, er würde ihn sonst der Zauberei bezichtigen; dort heißt es auch, eine<br />

erfolgreiche Heilerin wurde so bezichtigt, so daß sie ihren Beruf aufgeben mußte, um nicht getötet zu werden.<br />

(1959: 300)

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