Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
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66 Der prä-operative Mensch<br />
ein einfaches Zeichen, schreibt Lévy-Bruhl, es ist zugleich eine Ursache, oder um es<br />
besser zu sagen, diese Geistesart der Leute unterscheidet nicht zwischen Zeichen und<br />
Ursache. (es wird als Identität verstanden; 118) Problematisch ist auch eine besondere<br />
Fähigkeit. Heilt eine Frau gut Krankheiten, wird sie bald verdächtigt, diese auch zu<br />
verursachen, woher sollte sie sonst so gut über sie Bescheid wissen. (120) Fischen zwei<br />
Freunde am gleichen Ort und einer fängt deutlich mehr, könnte die Anklage der Zauberei<br />
folgen. Kinder, die mit den Beinen vorab aus dem Mutterleib kommen, werden getötet,<br />
ebenso solche, die zuerst oben Zähne bekommen. (131ff) Es geht nicht um einen<br />
körperlichen, sondern um den mystischen Mangel, der sich in der Anomalie ausdrückt.<br />
(139) Abweichung (Neuerung) ist immer gefährlich. Bei Weissagungen und Befragungen<br />
der Geistwesen wird oft der Schädel eines Ahnen befragt, weil der als Teil für den ganzen<br />
Ahnen steht. (161) So etwas wird auch bei den steinzeitlichen Schädelbestattungen und<br />
der Nachbildung des Gesichts mit Gips und Muscheln eine Rolle gespielt haben, die am<br />
Fundort Jericho und schon viel früher an anderen Stätten ausgegraben wurden.<br />
Sehr verbeitet war die Ordalie, die nicht im engeren Sinn als Gottesurteil, Urteil Gottes,<br />
verstehbar ist, (226) sondern eher als Aufzeigen von Verlierer oder Gewinner. (211) Wer<br />
der Zauberei verdächtigt wird, und alle können diesen Verdacht aussprechen, hat dann<br />
beispielsweise eine Gifttinktur zu trinken, die stark oder schwach zubereitet werden kann.<br />
Erbricht sich der Mensch ist er unschuldig, stirbt er, oder wird im zweiten Fall nur<br />
vorübergehend krank, ist er schuldig. Die Ordalie wird gern auf sich genommen, das<br />
Vertrauen scheint grenzenlos. Sie soll auch das böse Prinzip bekämpfen und wird dazu<br />
noch vor einer beschlossenen Hinrichtung ausgeübt. (216) Auch die Beschuldigten<br />
akzeptieren sie offenbar; sie wußten dann nichts von dem Zauber, der sie ergriffen hatte.<br />
(224) Ist der Verdächtige für die Ordalie nicht greifbar, kommt auch ein Bruder oder<br />
anderer Verwandte für die Probe in Frage. (234; wie bei Blutrache) Solche Verfahren sind<br />
also reine Willkür, (235) so wie noch bei den Germanen Recht unter anderem durch<br />
Zweikampf gesprochen werden konnte; wer gewinnt gewinnt den Prozeß. Auch das<br />
Tauchen einer Hand in kochendes Wasser ohne entstehende Verletzung kann Unschuld<br />
beweisen. Allerdings scheinen Ordalien nur bei entwickelten Häuptlingsgesellschaften<br />
beobachtet worden zu sein, nicht in einfacheren Gemeinschaften, schreibt Lévy-Bruhl.<br />
(232)<br />
Krieg, Kriegsvermeidung, Handel<br />
Die Überschrift dieses Abschnitts soll nicht als: Kriegsvermeidung durch (!) Handel<br />
gelesen werden. Das spielt zwar mit hinein, und wir kommen im nächsten Abschnitt<br />
darauf zurück. Es geht mir jetzt darum, zwei ganz unterschiedliche Themen illustrativ zu<br />
nutzen, um spezielle Bereiche möglicher Lebensbedingungen proto-neolithischer Völker<br />
aufzuzeigen. Krieg spielt in frühen Gemeinschaften, wie sie etwa Lévy-Bruhl beschreibt,<br />
eine große Rolle unter Nachbargruppen, wenn auch meist nicht als Feldschlacht, sondern<br />
aus dem Hinterhalt, um etwas zu rächen, zum Beispiel den Tod des eigenen Häuptlings<br />
durch Unfall oder Altersschwäche. Offenen Krieg gibt es aber auch, wie mit einem Foto<br />
von den Dani von Neuguinea belegt ist, deren Hauptbeschäftigung das Kriegführen sei.<br />
Ein Toter reiche meist aus, um die Ehre (in der Blutrache) wieder herzustellen. (in Bild-1:<br />
96) Die aggressivsten Stämme, die bekannt geworden sind, scheinen die Yanomamo am<br />
Rio Orinoco im Grenzbereich von Brasilien und Venezuela zu sein. Das beginnt im<br />
eigenen Dorf mit Kampfspielen, bei denen einer von zwei Gegnern erst einen Schlag des<br />
Gegenüber zuläßt, um dann seinerseits mit einer Keule einen Schlag auf den Kopf oder die<br />
Brust des anderen zu tun. Ein Häuptling überwacht die Regeln. Das führt dennoch auch zu<br />
weitergehenden Auseinandersetzungen, bei denen auch die eisernen (!) Beile zum Einsatz<br />
kommen. Die Dörfer haben selten mehr als 200 Personen, sonst wird die interne Gewalt<br />
unbeherrschbar. Vor allem mit den Nachbarn (des gleichen Volkes) gibt es permanente<br />
Kriegshandlungen. Das geht so weit, daß Dorf A Dorf B dafür gewinnt, Stamm C<br />
einzuladen, um plötzlich über die Gäste herzufallen; die Flüchtlinge werden dann von<br />
Dorf A erschlagen. Gibt es keinen direkten Rachegrund, wird der leicht auf Zauberei<br />
gegründet erfunden. Die Nahrung ist dort reichlich, Sammeln und Wanderfeldbau erbringt<br />
die Zahl 7 als Unglückszahl wurde dadurch wohl zum Sonntag der Bibel. (127) Stammen vielleicht die<br />
christlichen Engel wie die Sintflut aus Mesopotamien? Kramer zeigt drei Abbildungen von Göttern, deren<br />
Funktion in Sonnenstrahlen, Pflanzen und Wasser symbolisiert sind – alle wachsen aus den Schultern und<br />
gleichen Flügeln. Die Ausstrahlung Mesopotamiens auf andere war ausgeprägt. (1979: 101, 103, 105, 164ff)<br />
Schon mesopotamische Geister und sogar (vergöttlichte) Königsdarstellungen werden mit Flügeln dargestellt.<br />
(Roaf, 1998: 76f)