Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 15<br />
Zum Menschenbild<br />
Nach Denken und Glauben früher Menschen wird hier vor allem gefragt. Gerade der<br />
Glauben scheint wichtig dabei, um jene Leute in ihrem Denken zu verstehen. Denn wir<br />
werden sehen, wie intensiv sie zwischen Geistwesen lebten, nicht nur an welche glaubten.<br />
Ihr Glauben kann – wie der von rezenten Urvölkern – als stets präsenter Teil des Lebens<br />
verstanden werden. Nichts spricht dafür, dies sei in Eis- und Steinzeit anders gewesen.<br />
Eher im Gegenteil. Daraus ergaben sich Zwänge der Selbstbeurteilung, (Sippen-) Ehre<br />
zeigt sich im Konflikt als besonders wichtig und (Blut-) Rache auch. Nur weil zwar<br />
Schlachtplätze zur Zerlegung von Tieren, aber keine Schlachtfelder unter den<br />
prähistorischen Funden sind, keine größeren offenkundig von Menschen zerhackten<br />
menschlichen Knochenhaufen, waren jene Zeiten kaum solche friedlichen Zeiten, in der<br />
Menschen in ihrer Freizeit allein Kultur und Kunst, dem Gesang und Flötenspiel frönten.<br />
(Ruspoli, 1998: 24) Ich verweise daher in diesem Text intensiv auf jene Analyse, die<br />
Lévy-Bruhl ab 1910 zum Denken, der geistigen Welt und der Seele rezenter Urvölker<br />
vorgestellt hat. Die Kritik an ihm, unter anderem von Lévi-Strauss, scheint nicht so<br />
tiefgreifend, als daß der Nutzen, noch über von der Zivilisation relativ „unberührten“<br />
Völkern etwas zu erfahren, geschmälert würde, zumal ich vor allem die Fallschilderungen<br />
nutze.<br />
Aufbauend auf den archäologischen Kenntnissen über die frühen Menschen im Nahen<br />
Osten und in Europa soll also eingeengt werden, um was für Menschen es sich gehandelt<br />
haben mochte, die ein solches Bauwerk schufen. Dazu wird zum einen vom Wissen über<br />
die menschliche Phylogenese ausgegangen, der Stammesgeschichte, um die kognitive<br />
Fähigkeit als Prozeß erkennbar zu machen, den die Hominiden durchliefen. Vor allem<br />
komme ich unten zum anderen auf die Ontogenese, die individuelle kindliche<br />
Entwicklung des modernen Menschens zurück, die auch für den Glauben so wesentlich<br />
ist. Vor knapp 70.000 Jahren begann Homo sapiens sich von Afrika und vielleicht schon<br />
der südlichen Levante aus über die Welt auszubreiten. Aus einer relativ kleinen<br />
Population („Flaschenhals“), auf die diese Art geschrumpft war, bevor die Wanderungen<br />
begannen. Von Stamm-Mutter Eva wird oft gesprochen. Aus dieser Gruppe stammen jene,<br />
die den Homo erectus vollständig verdrängten beziehungsweise dessen (wahrscheinliche)<br />
Nebenlinien, wie heidelbergensis und neanderthalensis, sofern die nicht alle von allein<br />
ausstarben. Daß sie nicht nur unterscheidliche Sippen, sondern unterscheidliche Arten<br />
waren erkannten sie ja nicht. Spätestens beim Auszug aus Afrika ist sapiens offenkundig<br />
so weit entwickelt, daß auch jene, die die frühe Wanderung vor 60.000 Jahren in Richtung<br />
Australien unternehmen, bevor ab vor 50.000 Jahren Südwestasien und Europa besiedelt<br />
wurden, sich biologisch, kognitiv und sprachlich nicht unterscheiden. Der Prozeß der<br />
natürlichen Zuchtwahl in Darwins (1859) Verständnis liegt weit zurück.<br />
Der Homo sapiens war also biologisch-genetisch „immer schon“ der moderne Mensch<br />
wie es heute alle Menschen sind, sagt uns die Biologie. Nur historisch unterscheiden sich<br />
seine Lebensbedingungen und -formen. 1 Er hatte also immer schon die gleiche Kapazität<br />
seines Gehirns, bildete aber entsprechend seiner Zeit und alltäglichen Erfahrung eine<br />
durch seine Geschichte bestimmte geistige Kompetenz aus, die er nicht der Natur<br />
entnehmen kann, da die Sinn oder Geist nicht vorhält. (Dux) Menschen in dieser Weise<br />
auch geistig als historisch geprägt zu sehen hat zur Voraussetzung, den Übergang des<br />
Menschen aus früheren Formen nicht nur biologisch belegen zu können, um den Weg vom<br />
Tier zu ihm auch für die Entwicklung seiner Kognition verständlich zu machen. Neben der<br />
phylogenetischen Entwicklung muß auch die Funktionsweise der Ontogenese erklärt<br />
werden. Beide sind heute verstanden. Deshalb ist davon auszugehen, spätestens der Homo<br />
sapiens habe eine neue autonome und reflexive Geistigkeit entwickelt. Das heißt auch, im<br />
Zusammenhang mit der Fähigkeit der kognitiven und symbolischen Konstruktion seiner<br />
1 Wenn ich nicht mehr von sozialer (!) Evolution, sondern stets von Prozeß rede , heißt das nicht, es gäbe<br />
nicht immer wieder Tendenzen solcher Art, so etwas wie einen Richtungssinn. Aber die Prozesse verlaufen<br />
differenzierter und sollen konkret ausgewiesen werden. Dabei geht es nicht darum, einen Anti-Evolutionismus<br />
zu stützen. Im 19. Jahrhundert war Morgan (1877) recht fortschrittlich. Ebenso ist der Begriff der Fitneß<br />
problematisch. Wer bestimmt denn, was Fitneß ist, das wäre doch wieder nur ein Gott. Der/ das Stärkere, sich<br />
bereits durchgesetzt habende, soll es doch wohl auch nicht sein. Wenn sich die Verfettung in einigen<br />
Bevölkerungen endgültig durchsetzen sollte, sich vielleicht vom sozialen zum biologisch-genetischen Typus<br />
entwickelte, wäre das dann Fitneß? Solche Menschen werden vielleicht durchsetzungsfähiger, schon weil sie<br />
immer zwei Plätze in der U-Bahn verteidigen müssen... Aus Darwins Werk läßt sich eigentlich nur<br />
herauslesen, hinderliche Mutationen hätten relativ geringe Chancen in der Konkurrenz. Entweder Evolution<br />
operiert zufällig/ planlos oder teleologisch. Im sozialen Prozeß (!) wird noch viel deutlicher, daß Fitneß immer<br />
nur eine Wertung sein kann.