Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 81<br />
Staudämme sehr viel Land überschwemmen ließen, das für Lagerplätze bevorzugt war.<br />
Für welchen Glauben standen die neuen Tempel, welcher Realität entsprachen sie? Wie ist<br />
der Zusammenhang mit der neolithischen Revolution im Sinne einer langsamen<br />
strukturalen Veränderung zu denken, wie Childe sie sah? Der Wandel erscheint angesichts<br />
der riesigen Flächen von Wildgetreide und großen Gazellenherden, von denen bei Schmidt<br />
die Rede ist, doch eher als langsamer Übergang; warum sollte ohne Einfluß von außen<br />
Streit dort entstehen? Gab es Auseinandersetzungen solcher Gruppen, die anfingen sich<br />
seßhaft niederzulassen, mit anderen, die auf ihren Feldern trotzdem ernten wollten, wo sie<br />
nicht säten? Kämpfe gegen solche also, die diese Neuerung für dämonischen Zauber<br />
hielten und den alten Geistwesen Genugtuung erhalten wollten, die das Aufreißen von<br />
Mutter Erde als Frevel sahen? Mußten also entstehende Dorffelder dem Einfluß von<br />
SammlerInnen und Jägern entzogen werden. Weil das Wachsen doch von Geistwesen und<br />
nicht von Bauern erzeugt wurde? Bei den Pygmäen gibt es Hinweise darauf, sie würden<br />
bei den Nachbarn stehlen und dies mit solchem Anspruch begründen. (Seitz, 1977: 127)<br />
Endete der Kult vom <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> nach 2.000 Jahren durch einen Sieg der Bauern?<br />
Revolutionen wollen typischerweise die Herrschaft verbreitern, sie auf mehr Schultern<br />
verteilen, und zugleich die die Revolution tragende „Masse“ wieder zurückdrängen.<br />
Warum Kämpfe um die neue seßhafte Lebensweise, wenn noch alle Menschen oder<br />
Familien in ihren Stämmen autonom waren, tun und lassen konnten, was sie wollten,<br />
gehen konnten oder bleiben? Auch dafür gibt es bei den Pygmäen Hinweise, daß sie das<br />
Dorf der Nachbarn, dem sie sich angeschlossen hatten oder dem sie in gewisser Weise<br />
hörig waren, wechseln konnten. Das kann bei schlichten WildbeuterInnen erwartet<br />
werden. Zumal es auf der Ebene des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> genug Platz gab, um reichlich Nahrung<br />
zu haben? Unterjochten Jäger-Krieger die Bauern? Forderten sie Tribut als Entschädigung<br />
für die verlorenen Flächen? Ist es nicht eher der Gedanke seßhafter Lebensweise, ihre<br />
Region zu kennzeichnen durch einen solchen Bau? Wer weiß. Das scheinen jedoch alles<br />
Problemstellungen zu sein, die denkbar und zu prüfen sind.<br />
Bisher sprach ich nur von einem Rundbau der ältesten Schicht direkt auf dem <strong>Göbekli</strong><br />
<strong>Tepe</strong>. Doch insgesamt sind dort per Bodenradar um die 200 T-Pfeiler geortet worden, die<br />
aber wohl aus jüngeren Schichten stammen und kleiner sind. Vielleicht entsprechen die<br />
weiteren Anlagen der Größe des Kultraums in Nevalı Çori, auf den auch noch einmal zu<br />
verweisen ist. Und dann gibt es weitere T-Pfeiler östlich von Urfa am Sefer <strong>Tepe</strong> nahe<br />
Viranşehir zwischen Urfa und Mardin sowie Kecili oder auch Karahan, wo sie bizarr in<br />
großer Zahl aus dem Boden ragen; auch von Körtig <strong>Tepe</strong> und Çayönü ist die Rede. Diese<br />
Orte liegen in der Nähe des Vulkans Karacadağ, wo Schmidt die potentielle Heimat<br />
unserer Kulturgetreide erkennt. Viele dieser T-Pfeiler sind nur anderthalb bis zwei Meter<br />
hoch. (2008: 202f) Diese Orte, und mancher unbekannte Platz mag noch dieser Kultur<br />
angehören, dazu der vermutete steinzeitliche Ort unter der Altstadt von Urfa, bilden den<br />
Raum der von Schmidt angenommenen Kultgemeinschaft. Ausgrabungen gibt es an diesen<br />
Orten offenbar nicht; die Zahl von „Tausend Pfeiler...“ ist dabei von mir völlig fiktiv<br />
gesetzt. Wurde mit der Anlage D auf dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> also tatsächlich einer der drei<br />
oder vier ältesten Bauten jener Kultur besprochen, dann ließe sich fragen, ob deren<br />
Verfüllung vielleicht Platz für jene Anlagen mit kleineren Pfeilern schaffen sollte, die eine<br />
wachsende Gemeinschaft für ihre Kulte benötigte, immer mehr T-Pfeiler für Friedenskulte<br />
im Sinne der Trobriand-Inseln? Eine Entwicklung, die womöglich im Laufe der nächsten<br />
zweitausend Jahre, bis der <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> aufgegeben wurde, stattfand und dann erlosch?<br />
Mehrere Prozesse am und auf dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> verlangen aus der Sache selbst heraus<br />
einen Vorlauf, haben wir gesehen: beim Entwurf des heiligen Hauses, in der Bildhauerei,<br />
dem Pfeiler- und Mauerbau. Ob nun Mauern für Tierfallen und als Schutz des Korns<br />
wichtig waren, oder nicht. Es gab schwierigere Aufgaben, vor allem die soziale<br />
Entwicklung der engeren Bau- und Planungsphasen, die einzuüben waren. Von einer<br />
relativ simplen Form der Wildbeuterei ausgehend, von Lagern mit einfachen Hütten und<br />
Selbstversorgung der Familiengruppen zu einer Organisierung im Sinne einer<br />
Gentilgemeinschaft zu kommen, wird lange Zeit gebraucht haben.<br />
Das Selbstverständnis, nun nicht nur einem sozialen Zusammenhang mit<br />
Nachbargruppen anzugehören, mit denen es meist Friede, immer wieder aber auch Krieg<br />
gab, ändert sich radikal. Da waren Bündnisse zu schmieden, mal so mal anders. Und mit<br />
der Herausbildung einer Organisierung des Stammes und später Stammesbundes entstehen<br />
auch Verpflichtungen gegenüber dem Stammesrat. Ein anderer Blick auf das Ganze wird<br />
nötig. Die Vorleute, die die Gruppen im Rat vertreten, bringen andere Ansichten und