Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 43<br />
einem Zweck, einem Ziel. Daher sind im traditionalen Denken Ursache oder Ursprung mit<br />
dem Ziel identisch, die Ursache ist aber zugleich die größere Kraft, da sie ihr Ziel<br />
erzeugen kann, hörten wir schon zum Ursprungs-Mythos oben. Da äußerst sich die über<br />
das Schema verinnerlichte kindliche Erfahrung. Zwar wird das Ziel nicht immer erreicht,<br />
es gibt andere Kräfte, die durch die Kraft eines subjektiven Geistes/ Geistigen dazwischen<br />
funken können, wie etwa ein Blitz ein Pferd scheuen läßt, obwohl der Pferde-Gott ein<br />
Opfer erhielt. Insofern ist das Leben kompliziert, aber solche Widersprüche stören nicht,<br />
zerstören nicht das Schema; es war also noch eine andere Kraft dort, gewollt von einem<br />
(anderen) Gott... Die verschiedenen Kräfte, alles Geistwesen mit subjektivem Willen, gilt<br />
es zu ordnen – und zu beeinflussen, durch Gebete, Opfer. Aber dieses Komplizierte ist<br />
noch recht einfach: offenkundig umkreisen Sonne und Mond eine Scheibe, wie sollten sie<br />
sonst am nächsten Tag wieder den Weg im Osten beginnen? Ein solches traditionales<br />
Denken kann unmöglich von dem Schmetterlingsflügel auch nur etwas ahnen, der auf der<br />
anderen Seite der Welt – die es gar nicht gibt, dort ist die Unterwelt des Todes – einen<br />
Sturm auslöst (wie sollte sich ein Mensch auf der Unter-!-Seite einer Kugel halten?). Es<br />
ahnt auch nicht, daß eine Ursache sich selbst auf dem Weg zum Ziel verändern kann. Es<br />
sind tatsächlich ja nicht unbedingt fremde Kräfte, die ein Ziel verfehlen lassen, wenn es<br />
sich beim einfachen Speerwurf auch so ausnehmen mag. Sondern ein sich selbst<br />
verändernder Prozeß kann dieses bewirken, ein zieloffener Prozeß, der neben direkten,<br />
rational angestrebten Wirkungen auch noch unintentierte Nebenwirkungen bewirkt,<br />
bewirken muß. Jene prä-operative Logik sieht also in Ursachen von Ereignissen immer<br />
schon das Ergebnis direkt mit dem Ziel verbunden und andersrum das Ziel direkt mit der<br />
Ursache im Sinne einer Teleologie, einer auf ein schon festgelegtes Ziel bestimmten<br />
Identität beider, wie es ebenfalls noch in der idealistischen Philosophie des 19.<br />
Jahrhunderts vertreten und manchmal bis heute gesehen wird. In diesem Denken ist dann<br />
etwas erklärt, wenn dessen Ursache oder der Ursprung gefunden ist. 1 Erst moderne Kinder<br />
überwinden diese Vorstellung mit Hilfe der Bezugspersonen und später der Erfahrung mit<br />
Technik (Laufrad...) und der Beschulung. Auch wenn es ähnlich klingt, vom Ursprung<br />
(Willen eines Geistes/ Gottes) her direkt das Ziel zu erklären, ist es doch etwas ganz<br />
anderes als einen modern verstandenen Prozeß erst zu analysieren und ihn dann von<br />
seinem Beginn her zu rekonstruieren. 2<br />
Wir verstehen heute im Prozeßverlauf dessen Abhängigkeit von seinen einzelnen<br />
Elementen und Ereignissen zu jedem Zeitpunkt dieses Prozesses und also auch, daß<br />
jederzeit das Zusammenspiel wechselwirkender Parameter eine ganz neue Richtung des<br />
Prozesses bewirken kann, kleine Änderungen vielleicht große Wirkungen haben. Eine<br />
Ursache ist der Beginn jeder Entwicklung, aber analytisch gesehen liegt darin eben nicht<br />
zugleich ihr Ende, sondern nur der Anstoß. Daher denken wir heute bei der Erforschung<br />
einer Entwicklung zuerst in Schritten der Analyse zu ihrem Beginn zurück – im Denken zu<br />
ihren „Grund-Begriffen“ –, und eben nicht direkt an eine teleologisch verstandene<br />
Ursache, die uns ihr Ziel unmittelbar verrät, ja, schon bevor es erreicht ist. Statt von einer<br />
Identität: Ursache/ Ziel her versuchen wir danach im zweiten Schritt vom Prozeßbeginn<br />
her den tatsächlich stattgefundenen Prozeß in seinen Schritten und Veränderungen der<br />
Richtungen zu rekonstruieren. Gelingt dies, ist die Erklärung gefunden. Wir sehen den<br />
Kultbau und fragen zurück, wie er entstehen konnte, welche baulichen und sozialen<br />
Vorbedingungen erfüllt sein mußten. Da findet sich einiges – sehen wir –, doch für das<br />
Erkennen seines realen Werdens haben wir noch nicht genügend konkretes Wissen.<br />
Traditionale Logik, deutlich aufgehoben in jeder Form des Numinosen, versteht die Welt<br />
völlig anders! Und das durchaus in einer gewissen – traditionalen, subjektivischen –<br />
Logik, die aber von unserem Denken deutlich unterschieden ist. Die Menschen vom<br />
<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> dachten also ganz anders als wir es heute tun! Dennoch hätten wir uns bei<br />
Kenntnis ihrer Sprache ganz gut mit ihnen verständigen können, wie auch mit jenen des<br />
frühen Sumers oder Ägyptens; so wie mit den einfachen Leuten in den Urlaubsländern der<br />
Dritten Welt. Mit der verinnerlichten Erfahrung, die Welt sei animistisch organisiert,<br />
scheint auch religiöses Denken rational (irgendwie; aber nicht: „wahr“).<br />
1 Als Extrem entstand so Hegels Weltgeist. Wenn in jedem Ziel der Ursprung, in jedem Ursprung dessen<br />
Ziel als Identität enthalten ist, gilt das auch für die ganze Welt und deren (teleologisches) Ziel. Zugleich<br />
werden alle Ereignisse als subjektiv, handelnd verstanden, also sozusagen auch als Wille (!) des Ursprungs =<br />
Geistwesen = GöttIn = Weltgeist = absoluter Geist der idealistischen Philosophie. (mehr: Dux, 2008: 123ff)<br />
2 In der älteren Philosophie beginnt dieser Gedanke mit der Methode: absteigen - aufsteigen und wird von<br />
Marx als Methode der politischen Ökonomie (seine: Dialektik) prozeßhaft weiter geführt. (<strong>Hennings</strong>, 13 2013).