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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 53<br />

Pflichten in Einklang zu bringen“ – schreibt Steinert –, das innere Selbst sollte<br />

verantwortlich handeln, Emotionen kontrollieren, sich an kulturellen Maximen orientieren<br />

und sich in die bestehende Ordnung integrieren. Es ginge um Pietät, Respekt vor<br />

moralischen und sozialen Autoritäten, Wahrheitsliebe und Pflichtgefühl; innerhalb dessen<br />

sei Individualität der Person wahrgenommen worden. (532) Im frühen Sumer war<br />

Gehorsam so etwas wie Staatsverständnis, die höchste Tugend. (Jacobsen, 1954: 222ff)<br />

Allen Älteren und den Eltern und Geschwistern gegenüber wird Gehorsam eingeübt. Die<br />

Menschen Mesopotamiens – heißt es dort – seien überzeugt davon gewesen, daß die<br />

Obrigkeit stets recht habe. So wie ja auch Eltern für Kleinkinder heute noch so etwas wie<br />

Gott sind (gab es schon eine geistig spürbare Pubertät?). Eine führerlose, unorganisierte<br />

Menge sei nutzlos. Und hinzu kam in Sumer die Vorstellung: der Mensch war geschaffen<br />

worden, Sklave der GöttInnen zu sein, Sklave des Staates dieser GöttInnen, der der<br />

eigentliche Staat war. In dem richtig zu funktionieren war auch die (einzige) Möglichkeit,<br />

einen hinreichenden Platz im Sozialwesen zu finden, der Sicherheit bot. Anders als in<br />

anderen prä-operationalen Gemeinschaften oft zu finden, wurden in Mesopotamien<br />

anormale Kinder integriert, sagt Steinert. (40) Insgesamt galt der Mensch nicht als Körper-<br />

Geist-Komplex (mit einer Seele), sondern wurde als plural verfaßtes Wesen (mehrere<br />

Seelen) aufgefaßt; (121) jener Zustand, den Lévy-Bruhl zurück weist, der stattdessen das<br />

„Doppel-Ich“ sieht. (1910: 65) Der menschliche Körper wurde auch als Metapher für<br />

Elemente der Gesellschaft genutzt, heißt es bei Steinert. (533) In den Stadt-Staaten<br />

entstand ein Rechtsystem, wie es für prä-operationale Gemeinschaften erwartbar ist.<br />

Einerseits nach Art der Sharia, das sich in Körperstrafen ausdrückte, wie dem Enthaupten,<br />

das nicht nur töten sollte, sondern symbolische Formen hatte. (139ff) Andererseits<br />

entstand eine Verwaltung mit entsprechenden Rechtsvorstellungen. Aber es ging eben<br />

auch schon um den bewußten Aspekt der sozialen Kontrolle des Einzelnen und die<br />

individuelle Reflexion der Person.<br />

In der Tat also moderne Themen, die zur Person in Mesopotamien gefunden wurden.<br />

Offenbar haben die zum Teil spärlichen ersten archäologischen Funde und die generelle<br />

Überheblichkeit in Europa gegenüber anderen Zivilisationen, wie schon bei den „Wilden“<br />

in aller Welt, ein Bild relativer Rückständigkeit dieses historischen Fremden mit<br />

produziert: Eis- oder Steinzeitmenschen. Doch mit Zivilisation haben wir es schon länger<br />

zu tun, wie wir auch am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> wieder sehen. Möglicherweise sehen wir mit dem<br />

Blick nach Sumer eine Richtung der Entwicklung dieses Tempels; wenn der Berg Duku<br />

doch im Nordwesten Sumers lag, von dem wichtige kulturelle Elemente kamen, und nicht<br />

im Osten. Landbau, Viehzucht und Weberei passen gut zum Kultbau als zivilisatorisches<br />

oder kulturelles Zentrum der Steinzeit. Auch die Verbindung über den nahe liegenden<br />

Euphrat zum Persischen Golf unterstützt eine solche Vorstellung. Doch die Geburt dieser<br />

Stadt-Staaten scheint ganz im Dunkel zu liegen, außer daß sie sich in relativ kurzer Zeit<br />

aus Ansammlungen von Dörfern entwickelten. Indien ist als Herkunft des Sumerischen<br />

Volkes mit seiner ganz eigenen Sprache im Gespräch. Es könnte doch auch schon immer<br />

dort gelebt haben oder von sonstwo gekommen sein. Doch daß die Kultivierung des<br />

Schafes Hirtenvölker nach Südosten in die Schwemmlandebenen führte, klingt auch<br />

plausibel (auch nach „Grashalm“, um sich an irgendetwas festzuhalten, wo wir keine<br />

Ahnung haben).<br />

Kognition und Geschichte<br />

Das nun anzusprechende Thema gehört ebenfalls nicht vorrangig zum Thema des<br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>, aber zu einer Soziologie der Steinzeit. Gefragt wird nach weiterer<br />

Gliederung der Geschichte jener Zeit von der Ankunft des Homo sapiens im Nahen Osten<br />

und in Europa bis zum Beginn des Neolithikums. Eine die nicht auf die bekannten<br />

Teilungen nach den Kulturen in Europa bis zum Magdalenien zurückgreift, auch nicht für<br />

die Levante auf das Natufien oder allgemeiner auf die Proto-Neolithisierung ab vor 14.000<br />

Jahren in Nord-Mesopotamien. Eine Unterteilung nicht primär entlang des Werkzeugs,<br />

sondern eine der menschlichen Entwicklung. Spontan mag die Vorstellung eigenartig<br />

klingen, das Denken jener rezenten Urvölker, über die wir viele Berichte und Analysen<br />

haben, dennoch mit jenem der Gruppen am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> und auch unserem generell<br />

gleichzusetzen, daß sich also aus gleicher Kapazität des Gehirns nur jeweils die nötige<br />

Kompetenz entsprechend der Lebenspraxis ausbildet, weil die biologisch-evolutive<br />

Entwicklung für den Homo sapiens bereits in Afrika ihren Abschluß fand (es kann ja noch<br />

weitergehen). Welche Möglichkeiten haben wir, um nicht alle Zeiten vor der

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