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Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings

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72 Der Tempel als Friedenssymbol?<br />

durchgeführt wurden. (382) Solche Kriege scheinen nicht allzulang vorher noch üblich<br />

gewesen sein. Malinowski traf noch den letzten Kriegszauberer, der ihm zeigte, wie die<br />

Schilde der Krieger für den Kampf verzaubert wurden. (439) „Die Grundeinstellung eines<br />

Eingeborenen zu anderen, fremden Gruppen ist Feindseligkeit und Mißtrauen. Die<br />

Tatsache, daß für einen Eingeborenen jeder Fremde ein Feind ist, stellt ein<br />

ethnographisches Merkmal dar, das aus allen Teilen der Welt berichtet wird. Der<br />

Trobriander bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme, und jenseits eines eigenen, engen<br />

sozialen Horizontes trennt eine Mauer von Argwohn, Unverständnis und Feindschaft<br />

ihn selbst von seinen nahen Nachbarn. Das Kula durchbricht sie an bestimmten<br />

geographischen Stellen und mittels besonderer überlieferter Transaktionen. Aber wie<br />

alles Außerordentliche und Ungewöhnliche muß diese Aufhebung des Tabus, das auf<br />

Fremden liegt, durch Magie gerechtfertigt und überbrückt werden“. (1979: 381) Wir<br />

sehen in diesem Verfahren mit einiger Wahrscheinlichkeit einen Prozeß der Befriedung<br />

einer Region, indem das Streben nach Ansehen von der Kopfjagd auf den Schmucktausch<br />

umgelenkt wurde. Warum sollte mit einem solchen Prinzip – in welcher Form auch<br />

immer – nicht am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> ein größerer sozialer Zusammenhang geschaffen worden<br />

sein?<br />

Dieses Verfahren des Nullsummen-Handels gibt es in anderer Weise auch innerhalb der<br />

Stämme. Die leben ähnlich wie die Baruya überwiegend von Gartenbau und halten<br />

Schweine, sind allerdings matrilinear organsisiert. Einige Dörfer treiben Fischfang, andere<br />

leben fern der Küste und tauschen Fisch gegen Gartenfrüchte ein. Es gibt auch<br />

Handwerker-Dörfer sehr geringen Ansehens, deren Holzteller und andere Waren aber gern<br />

eingetauscht werden. Wir hörten schon von der Sitte auf den Trobriand-Inseln, daß ein<br />

Mann seine Ernte zu wesentlichen Teilen den Männern seiner Schwestern bringt, für deren<br />

Söhne er verantwortlich ist, und entsprechend von den Brüdern seiner Frau seine eigene<br />

Nahrung bekommt; einen anderen Teil bekommt der Dorfchef. Wir nähern uns erneut dem<br />

Verfahren mit den Großen Männern! Wer nun mehrere Frauen hat, bekommt entsprechend<br />

auch mehr von deren vielen Brüdern. 1 Über allem schwebt ein Häuptling des ganzen<br />

Stammes, der entsprechend von seinen „Vasallen-Dörfern“ Nahrung, immer primär Yams-<br />

Knollen bekommt, womit wir nun auch bei Verteilungsfesten sind. (94) Hier gibt es also<br />

noch einmal zwei Ebenen, die dem großen äußeren Kula ähneln und eine<br />

Zwangskommunikation schaffen, die durch Gaben-Tausch organisiert ist. Reihum geben<br />

alle ihre großzügigen Gaben, was ihnen Ansehen einbringt, wie schon eine gute Ernte<br />

selbst. Die Güte der Gartenarbeit wird sozial kontrolliert, schlampige Arbeit kann nicht<br />

durch eigenes Darben ausgeglichen werden. Zusätzlich entstehen und festigen sich in<br />

diesem Prozeß die Großen. Alles geschieht, wie beim Kula, unter ständiger Magie, deren<br />

Zaubersprüche unentwegt gesprochen werden; kein Schritt kann ohne Magie gemacht<br />

werden.<br />

Ein Dorf auf den Trobriand-Inseln besteht typischerweise aus einem Dorfplatz, der von<br />

Yams-Häusern umgeben ist, dahinter stehen entlang einer Straße um das Zentrum herum<br />

die Wohnhäuser. Die Ernten werden in den Yams-Häusern präsentiert, die Abgaben an die<br />

Großen bei deren Festen. Der Häuptling oder Große gibt aus seinen Vorräten noch viel<br />

dazu, alles wird dann von ihm verteilt, zum Teil nach individueller Verbundenheit,<br />

vielleicht wegen einer gemeinsamen Kanu-Tour, aber alle bekommen etwas als Gabe<br />

zurück, so daß hier ein Ausgleich zwischen guten und schlechten Ernten geschaffen<br />

werden kann, niemand fällt aus dem sozialen Zusammenhang heraus, niemand kann durch<br />

besonderen Ehrgeiz durch Eigenleistung „groß“ werden. Nach dem Fest gehen die Leute<br />

mit ihrem Anteil nach Hause – wieder nominell (!) ein Nullsummenspiel, aber nicht real.<br />

Primär geht es nicht um Yams, sondern um Ansehen. Ansehen erworben mit<br />

Nahrungsmitteln. Die bis um zwei Meter langen Knollen, deren Verzehr nur nach einer<br />

Reinigung von blausäurehaltigen Säften möglich ist (ein bißchen wie Eicheln von<br />

Bitterstoffen befreit werden müssen), sind hinter Latten in den Yams-Häusern sichtbar;<br />

manchmal werden sie allerdings mit Blättern verdeckt, damit nicht auffällt, daß<br />

womöglich Leute niedrigeren Ansehens bessere Knollen haben als die Großen. (210) Wer<br />

mehr erntete als der Häuptling, schreibt Malinowski, lebte allerdings gefährlich, denn der<br />

Große konnte Zauberer für dessen magische Tötung bezahlen. (89) Ansehen wird durch<br />

die Gabe erworben (nicht durch Teilen), auch wenn es im ganzen und großen auf<br />

Gegenseitigkeit beruht. Großzügigkeit ist Reichtum. (130) Nahrung ist auch hier – wie wir<br />

1 Malinowski schildert das Ende des Häuptlingstums in einem Fall, weil die Kolonialverwaltung die<br />

Polygynie verboten hat, so daß der Reichtum zur Aufrechterhaltung der alten Ordnung fehlt. (1979: 502)

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