Göbekli Tepe PDF - Lars Hennings
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post@<strong>Lars</strong><strong>Hennings</strong>.de 37<br />
Verwirklichung gelingt“. (19) Wir werden später noch auf das Verständnis von Ursache/<br />
Ursprung und Ziel zurückkommen. Im konkret-operativen Stadium (7 - 11/12 Jahre)<br />
werden dann unter anderem aus den gesammelten Fakten Serien/ Klassen festgestellt, und<br />
die Reziprozität wird erkannt, gedanklich zum Ausgangspunkt eines Experiments<br />
zurückzukehren. 1 Das Kind entdeckt im konkret-operativen Stadium, heißt es weiter, aber<br />
noch nicht alle Klassen und es kann auch nicht einen Beweis führen, „weil ihm eine<br />
systematische Methode fehlt, die insbesondere so vorgeht, daß sie einen einzigen Faktor<br />
variiert und alles andere im übrigen so läßt wie es ist“. (263) Dabei „gelingt es diesen<br />
Kindern, alle für die Auffindung des Gesetzes von der Gleichheit des Einfalls- und des<br />
Reflexionswinkels notwendigen Elemente herauszuarbeiten, aber sie sind dennoch nicht<br />
imstande, dieses Gesetz zu konstruieren, und erst recht nicht, es verbal zu<br />
formulieren“. (20; hv. h.) Die Hervorhebung benennt ein grundsätzliches Problem: den<br />
Unterschied zwischen Handlungsfähigkeit im Alltag und deren verbaler Erklärung – das<br />
gilt es bei den folgenden Besprechungen, auch bei der der Sprache stets zu bedenken. Das<br />
formal-operative Denken wird dann vor allem durch Erfahrung mit Technik und<br />
Schulbildung (!) erlernt. Wir verstehen es heute eng mit prozessualem Denken verbunden;<br />
aber auch in modernen Gesellschaften erreichen nicht alle Menschen dieses höchste<br />
Stadium (bildungsferne Schichten). Piaget/ Inhelder betonen, formales Denken sei nicht<br />
Folge der primär biologisch gesteuerten Pubertät, 2 nicht Ursache angeborener<br />
Vorstellungen, sondern sie hänge auch vom sozialen Milieu ab, von der Erziehung in der<br />
Familie und in der Schule. Die Gesellschaft wirke nicht durch bloßen äußeren Druck auf<br />
die in Ausformung begriffenen Individuen, die in bezug auf das soziale Milieu<br />
ebensowenig wie auf das physische Milieu hin (Nervensystem) unbeschriebene Blätter<br />
seien. (323ff) „Damit das soziale Milieu wirklich auf die individuellen Hirne einwirken<br />
kann, müssen diese imstande sein, dessen Beiträge zu assimilieren, womit wir wieder<br />
bei der Notwendigkeit einer hinreichenden Reifung der individuellen zerebralen<br />
[intellektuell, geistigen, mit dem Großhirn verbundenen] Werkzeuge angelangt wären“.<br />
(325) Wie geschieht diese Assimilation, das Einbinden neuer Erkenntnis in das bisherige<br />
Schema der Erkenntnis?<br />
Der Motor der kognitiven Entwicklung – sagt Dux – läge „diesseits der<br />
präoperationalen Kompetenzen nicht in dem endogenen Antrieb des Organismus,<br />
vielmehr in den Bedingungen, unter denen die Gesellschaft sich fortentwickelt“. (2008:<br />
249) Das kindliche Gehirn beginnt bereits vorgeburtlich zu arbeiten und muß sich von<br />
Anbeginn an um seine Interessen kümmern; nicht einfach Neugier treibt es an, sondern<br />
sein Empfinden, wie der Hunger, später die Anforderungen seiner Bezugspersonen und die<br />
der Gemeinschaft. Kinder lernen beim Aufwachsen, sich „ihre“ Welt in ihrem Kopf zu<br />
konstruieren, ihre „Entsprechung“ denken zu können, um die Umwelt zu beurteilen, um<br />
handlungsfähig in ihr zu sein. Einerseits passen sie sich durch Erfahrung aktiv der Umwelt<br />
an (Piaget: Akkomodation) beziehungsweise setzen sich mit ihr auseinander, prüfen ein<br />
Objekt; andererseits erwerben sie dabei Schemata des Umgangs im eigenen Denken, an<br />
die sie neue Erkenntnisse jeweils ergänzend anbinden (Assimilation) und neue<br />
Möglichkeiten der Akkomodation erwerben... Die von Piaget und auch anderen<br />
AutorInnen entwickelten Experimente wurden nicht nur an modernen Kindern, sondern<br />
auch bei Erwachsenen rezenter Urvölker eingesetzt und dabei so etwas wie die Logik<br />
deren Weltbildes analysiert. (Dux) Symbole, Klassifikationen, Zahlen, Messen, der Raum,<br />
die Zeit und die Kausalität sind wesentliche Prüffelder. Der bekannteste Test ist<br />
wahrscheinlich der der Erhaltung: erkennt ein Mensch, wenn eine gleiche Menge<br />
Flüssigkeit aus zwei gleichen durchsichtigen Gläsern zum einen in ein flacheres<br />
durchsichtiges Glas mit größerem Durchmesser, zum anderen in ein höheres mit<br />
kleinerem Durchmesser gegossen wird, daß die Menge gleich blieb, sich erhalten hat? Die<br />
Fähigkeit, diese Frage richtig zu entscheiden, wird normalerweise erst mit dem konkretoperativen<br />
Stadium erworben. 3 Im Ergebnis kann gesagt werden, daß WildbeuterInnen<br />
1 Da sind auch die Begriffe und Formulierungen verschiedener AutorInnen genau zu prüfen: Das<br />
Klassifizieren von Pflanzen und Tieren, das sich aber von dem von Denkschritten unterscheidet, hält<br />
beispielsweise Lévi-Strauss für eine besonders bedeutsame Fähigkeit bei rezenten Urvölkern, sehen wir gleich,<br />
denen dennoch generell nur das prä-operationale Stadium zuzuordnen ist.<br />
2 In der Pubertät bauen Jugendliche auch ihr Gehirn um, Überflüssiges wird eleminiert; beispielsweise<br />
entwickelt sich aus einem Sprachzentrum in der rechten Hirnhälfte oft (besonders bei Frauen) ein zweites<br />
links.<br />
3 Prä-operative Kinder in modernen Gesellschaften und viele Erwachsene in traditionalen Gemeinschaften<br />
erkennen das nicht und nehmen, wenn sie auswählen können, welches sie mitnehmen dürfen, das höhere und<br />
schmalere Glas (mit Zucker). Selbst wenn sich im flacheren Glas tatsächlich deutlich mehr (!) Inhalt befindet,