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Hingerichtet in München-Stadelheim - NS-Dokumentationszentrum ...

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Irene Stuiber<br />

Politische Justiz <strong>in</strong> der <strong>NS</strong>-Zeit<br />

Ermittlungsverfahren gegen politische Gegner lagen während der <strong>NS</strong>-Zeit <strong>in</strong> Händen der<br />

Gestapo. Sie beobachtete und verfolgte sowohl die <strong>in</strong>- und ausländische Opposition als<br />

auch ausländische Zivil- und Zwangsarbeiter. Bei der politischen Beherrschung der besetzten<br />

Länder spielte die Gestapo e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. Abhängig vom Ergebnis ihrer Ermittlungen<br />

entschied sie, ob e<strong>in</strong> Fall der Staatsanwaltschaft übergeben wurde, oder sie<br />

verhängte selbst ohne jede richterliche Kontrolle Haft <strong>in</strong> den Konzentrationslagern. Häufig<br />

wurden verme<strong>in</strong>tliche oder wirkliche politische Gegner auch nach Freisprüchen vor Gericht<br />

oder nach Verbüßung e<strong>in</strong>er Gefängnisstrafe <strong>in</strong> Konzentrationslager gesperrt. Rechtsmittel<br />

gegen die KZ-Haft gab es nicht. Wurde e<strong>in</strong> Verfahren an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet,<br />

so entschied diese über die Aufnahme e<strong>in</strong>es Gerichtsverfahrens. Politische Vergehen<br />

wie die Mitarbeit <strong>in</strong> Widerstandsorganisationen, Besitz oder Weitergabe illegaler<br />

Schriften, regimekritische Äußerungen oder das verbotene Abhören ausländischer Sender<br />

wurden dem Volksgerichtshof, den Oberlandesgerichten und den Sondergerichten zugewiesen.<br />

Diese Gerichte übernahmen e<strong>in</strong>en wesentlichen Part der staatlichen Verfolgung. In<br />

allen Oberlandesgerichtsbezirken waren Spezialstrafkammern für politische Delikte, die<br />

so genannten Sondergerichte, e<strong>in</strong>gerichtet worden.<br />

Das zentrale Gericht bei der Verfolgung politischen Widerstands und nicht-systemkonformen<br />

Verhaltens während der <strong>NS</strong>-Zeit war der berüchtigte Volksgerichtshof. Die weitaus<br />

größte Zahl der Toten des Sammelgrabs II ist diesem Gericht zum Opfer gefallen. Der<br />

Volksgerichtshof verurteilte <strong>in</strong> 7.022 Verfahren <strong>in</strong>sgesamt 15.519 Personen, davon wurden<br />

5.279 Menschen zum Tode verurteilt. Nahezu die Hälfte aller Verurteilten waren Oppositionelle<br />

der besetzten Länder. 95 Prozent der Todesurteile wurden ab 1942 verhängt. Dies war<br />

nicht nur e<strong>in</strong>e Folge der zunehmenden Barbarisierung der Gesellschaft <strong>in</strong> der Kriegszeit,<br />

sondern auch die Reaktion der Justiz auf den an sie gerichteten Vorwurf allzu großer Milde<br />

<strong>in</strong> der Reichstagsrede Hitlers vom 26. April 1942. Zudem wurde der tschechische Widerstand<br />

nach dem tödlichen Attentat auf den Reichsprotektor Re<strong>in</strong>hard Heydrich im Mai<br />

1942 noch unnachgiebiger als zuvor verfolgt. E<strong>in</strong> weiterer Grund für die Zunahme der Anzahl<br />

der Todesurteile war die Übernahme der Präsidentschaft des Volksgerichtshofs durch<br />

Roland Freisler. Der Volksgerichtshof urteilte <strong>in</strong> zeitweilig bis zu sechs Senaten mit jeweils<br />

fünf Richtern über die bei ihm anhängigen Verfahren; nur der Vorsitzende und e<strong>in</strong> Beisitzer<br />

mussten Berufsrichter se<strong>in</strong>, drei weitere waren jeweils Laienrichter aus Polizei, Wehrmacht<br />

und <strong>NS</strong>DAP-Gliederungen. Die Richter des Volksgerichtshofes wurden auf Vorschlag des<br />

Reichsjustizm<strong>in</strong>isters von Hitler ernannt. Rechtsmittel gegen Urteile des Volksgerichtshofs<br />

waren nicht zulässig. Der Verurteilte hatte die Möglichkeit, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em formalisierten Gnadenverfahren<br />

um Nichtvollzug der Todesstrafe zu bitten. Die Akten weisen e<strong>in</strong>e Fülle erschütternder<br />

Bittbriefe von Eltern, Ehefrauen und K<strong>in</strong>dern der Todeskandidaten auf. Meist waren<br />

diese Gnadenbitten von vornehere<strong>in</strong> aussichtslos.<br />

Trotz umfangreicher Ermittlungsverfahren <strong>in</strong> der Nachkriegszeit wurde ke<strong>in</strong> Richter des<br />

Volksgerichtshofs durch die Justiz zur Verantwortung gezogen.<br />

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