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Hingerichtet in München-Stadelheim - NS-Dokumentationszentrum ...

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Das Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong><br />

Wesentlich älter als der seit 1931 existierende Friedhof ist das direkt daneben liegende<br />

Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong>. 1892 wurde der Grundste<strong>in</strong> zu diesem Gebäude gelegt,<br />

1901 war der Gefängnisbau mit e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>richtungsstätte und e<strong>in</strong>er Anstaltskirche abgeschlossen.<br />

Zwischen 1895 und 1927 wurden hier 14 Todesurteile vollstreckt.<br />

Im Frühjahr 1919 wurde das Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> zum ersten Mal <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Geschichte zur Vollzugsstätte politischen Mordes: Gustav Landauer und Eugen Lev<strong>in</strong>é als<br />

führende Repräsentanten der Münchner Räterepublik wurden von als Wachmannschaften<br />

e<strong>in</strong>gesetzten Freikorpssoldaten umgebracht, neben ihnen fanden m<strong>in</strong>destens 17 ihrer Kampfgefährten<br />

<strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong> den gewaltsamen Tod. Unter ihnen befand sich auch die Rotkreuzschwester<br />

Maria Kl<strong>in</strong>g, die Angehörigen der Roten Truppen mit der Rot-Kreuz-Fahne W<strong>in</strong>kzeichen<br />

gegeben hatte. Sie war von e<strong>in</strong>em Standgericht freigesprochen worden, wurde<br />

dennoch nach <strong>Stadelheim</strong> abgeführt und dort von Freikorpsangehörigen erschossen, die<br />

sie regelrecht als Zielscheibe nutzten. Zum Teil waren diese Morde <strong>in</strong> <strong>Stadelheim</strong> durch<br />

Standgerichtsurteile verme<strong>in</strong>tlich rechtlich legitimiert, größtenteils jedoch waren sie Ausdruck<br />

von unverbrämtem politischen Terror. Ernst Toller, ebenfalls im Gefängnis <strong>Stadelheim</strong><br />

e<strong>in</strong>gesperrt, entg<strong>in</strong>g nur knapp e<strong>in</strong>er tödlichen Intrige, die nach den Plänen se<strong>in</strong>er Gegner<br />

mit e<strong>in</strong>em „auf der Flucht erschossen“ hätte enden sollen. Er er<strong>in</strong>nerte sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch<br />

„Justiz-Erlebnisse“, dass außen an der Gefängnismauer mit weißer Kreide stand: „Hier werden<br />

Spartakisten kostenlos zu Tode befördert.“, und: „Hier wird aus Spartakistenblut frische<br />

Blut- und Leberwurst gemacht.“<br />

Davor und <strong>in</strong> der Zeit der Weimarer Republik diente das Gefängnis im Wesentlichen der<br />

Inhaftierung von Kle<strong>in</strong>krim<strong>in</strong>ellen und Untersuchungsgefangenen. Unter diesen Strafgefangenen<br />

befand sich auch Adolf Hitler. Zwischen dem 24. Juni und dem 27. Juli 1922 saß<br />

Hitler im Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> e<strong>in</strong>. Er war wegen Landfriedensbruchs zu drei<br />

Monaten Haft verurteilt worden, zwei davon wurden ihm nach e<strong>in</strong>er Klausel des Urteils<br />

„bei guter Führung“ erlassen. Grund der Verurteilung: Hitler hatte mit se<strong>in</strong>en Anhängern<br />

gewaltsam verh<strong>in</strong>dert, dass e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Gegner, e<strong>in</strong> bayerischer Separatist, öffentlich im<br />

Löwenbräukeller sprechen konnte.<br />

E<strong>in</strong>e Verschärfung der Strafjustiz führte gegen Ende der Weimarer Republik dazu, dass Anfang<br />

der dreißiger Jahre <strong>in</strong> Deutschland die Todesstrafe wieder verhängt und vollzogen<br />

wurde. Die Nationalsozialisten machten sie zu e<strong>in</strong>em zentralen Faktor ihrer Justizpolitik. Se<strong>in</strong>en<br />

letzten <strong>in</strong>nerparteilichen Widersacher Ernst Röhm ließ Hitler im Gefängnis <strong>München</strong>-<br />

<strong>Stadelheim</strong> ohne Urteil umbr<strong>in</strong>gen: Am 1.7.1934 wurde er an diesem Ort von e<strong>in</strong>em SS-<br />

Kommando erschossen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 veränderte<br />

das Gefängnis <strong>München</strong>-<strong>Stadelheim</strong> se<strong>in</strong>en Charakter grundlegend: Auch politische Gefangene<br />

wurden nun e<strong>in</strong>geliefert. Das Gefängnis bekam im nationalsozialistischem Staat e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Funktion <strong>in</strong> der Unterdrückung aller Formen von Widerstand, Opposition und<br />

nichtkonformen Verhaltens. Bis 1942 war Berl<strong>in</strong>-Plötzensee die zentrale H<strong>in</strong>richtungsstätte<br />

für alle vom Volksgerichtshof zum Tode Verurteilten gewesen, angesichts der vielen Todesurteile<br />

wurde der Vollzug dieser Justizmorde dann dezentralisiert. <strong>Stadelheim</strong> wurde zur<br />

Vollzugsstätte der Todesstrafe für das südöstliche Reichsgebiet und für Teile der besetzten<br />

Gebiete. Die Zahl der vollzogenen Todesurteile liegt weit über 1.000. E<strong>in</strong>e endgültige<br />

Klärung der genauen Daten steht noch aus.<br />

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