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Hingerichtet in München-Stadelheim - NS-Dokumentationszentrum ...

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mer 1942 Präsident des VGH war, tat das se<strong>in</strong>e dazu, diese Entwicklung voranzutreiben. 13<br />

Dazu kamen neue sachliche Zuständigkeiten; vor allem diejenige für die Aburteilung der<br />

„Wehrkraftzersetzung“, die dem VGH Anfang 1943 übertragen wurde. 14 Und schließlich war<br />

mit der Expansion des <strong>NS</strong>-Regimes die Zahl se<strong>in</strong>er potentiellen Opfer gewachsen: Vor allem<br />

Angehörige des österreichischen und tschechischen, <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerem Maße auch des polnischen<br />

sowie des slowenischen und elsässischen Widerstands gerieten <strong>in</strong> die Schussl<strong>in</strong>ie der<br />

politischen Justiz des <strong>NS</strong>-Staates. 15<br />

Bemerkenswert ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang, dass die maßlose Radikalisierung nicht auf<br />

die Beiziehung von jeweils drei Laienrichtern aus <strong>NS</strong>-Organisationen und staatlichen E<strong>in</strong>richtungen<br />

zu den fünfköpfigen Senaten des VGH zurückzuführen ist, denn die Federführung<br />

<strong>in</strong> den Prozessen blieb bei den professionellen Juristen. Zwar waren viele juristische Verfahrensgarantien<br />

abgebaut und die Rechte der Verteidigung auf nahezu Null zurückgestutzt<br />

worden, dennoch blieb e<strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutioneller Rahmen erhalten, der e<strong>in</strong>e völlig schrankenlose<br />

Willkür ausschloss. Das zeigt auch die Freispruchsquote, die sich während der gesamten<br />

Existenz des Volksgerichtshofs ungefähr zwischen fünf und zehn Prozent bewegte. 16 Dem<br />

Rechtshistoriker Holger Schlüter ist zuzustimmen, wenn er feststellt: „Gerade die Tatsache,<br />

dass der Terror mit tausenden von Todesurteilen von e<strong>in</strong>er Institution verbreitet wurde, die<br />

viele Züge e<strong>in</strong>er normalen Gerichtstätigkeit aufweist, gibt Anlass zur Besorgnis.“ 17<br />

Das gilt auch für die 1933 geschaffenen Sondergerichte. Auch hier waren viele Verfahrensgarantien<br />

abgeschafft worden, und auch gegen ihre Entscheidung gab es ke<strong>in</strong>e Rechtsmittel,<br />

doch legte die Justizverwaltung, zum<strong>in</strong>dest am Anfang, gerade deshalb Wert darauf, dass<br />

die Sondergerichte von erfahrenen Richtern geleitet wurden. Das Laienelement fehlte hier<br />

völlig. 18 Die Sondergerichte, von denen 1933 je e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> jedem Oberlandesgerichtsbezirk<br />

gebildet, deren Zahl jedoch <strong>in</strong>sbesondere während des Krieges erheblich erhöht wurde, waren<br />

zunächst vor allem für die Aburteilung der „Heimtücke“ zuständig, also im wesentlichen<br />

für die justizielle Verfolgung von Unmutsäußerungen und Schmähkritik gegen die <strong>NS</strong>-Herrschaft<br />

ohne organisierten politischen H<strong>in</strong>tergrund. Es g<strong>in</strong>g um die justizielle Sicherung der<br />

Massenloyalität zum Regime. Auf diesem Gebiet erhielten die Sondergerichte zu Beg<strong>in</strong>n des<br />

Krieges e<strong>in</strong>e ganze Reihe weiterer Aufgaben. Verstöße gegen Kriegswirtschaftsbestimmungen<br />

etwa hatten sie ebenso zu ahnden wie „Rundfunkverbrechen“. Während des 2. Weltkriegs<br />

tobte e<strong>in</strong>e heftige Propagandaschlacht im Äther. Vorausschauend hatte der M<strong>in</strong>isterrat<br />

für Reichsverteidigung unter Hermann Gör<strong>in</strong>g am 1. September 1939 e<strong>in</strong>e „Verordnung<br />

über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ erlassen, die das Hören von „Fe<strong>in</strong>dsendern“<br />

unter Strafe stellte und für die Verbreitung von Nachrichten solcher Rundfunkstationen sogar<br />

die Todesstrafe vorsah. 19<br />

13 Walter Wagner: Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat. Stuttgart 1974, S. 832 ff. hebt die Rolle<br />

Freislers bei der Radikalisierung des VGH hervor. Schlüter, Urteilspraxis, S. 225 verweist demgegenüber vor allem<br />

auf die verschärfte Verfolgung der Tschechen nach dem tödlichen Attentat auf den Chef des Reichssicherheitshauptamtes<br />

und stellvertretenden Reichsprotektors von Böhmen und Mähren Re<strong>in</strong>hard Heydrich im Mai/Juni<br />

1942.<br />

14 Wagner, Volksgerichtshof, S. 63.<br />

15 Übersicht und Fallbeispiele ebenda, S. 442–659.<br />

16 Schlüter, Urteilspraxis, S. 38.<br />

17 Ebenda, S. 232.<br />

18 Ralph Angermund: Deutsche Richterschaft 1919–1945. Krisenerfahrung, Illusion, politische Rechtsprechung.<br />

Frankfurt a.M. 1990, S. 137 ff.<br />

19 RGBl I 1683; Elke Hilscher: Das alltägliche Verbrechen. Rundfunkvergehen im Widerspruch zum totalitären Machtanspruch,<br />

<strong>in</strong>: Ortsterm<strong>in</strong> Hamm: Zur Justiz im Dritten Reich. Hamm 1991, S. 51–55.<br />

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