Betriebsverlagerungen – Herausforderungen und Chancen
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Betriebsverlagerungen – Herausforderungen und Chancen
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… ein komplexes Phänomen …<br />
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Immer wieder wurde verdeutlicht, wie komplex das Phänomen Betriebsverlagerung ist. Professor<br />
Carlo Altomonte von der italienischen Universität Bocconi beschrieb die Arbeitsteilung bei der<br />
Herstellung einer elektrischen Zahnbürste, die sich auf drei Kontinente <strong>und</strong> ein Dutzend Länder<br />
erstrecke. Ashutosh Sheshabalaya von India-Advisory führte sogar noch weitere Variationen zu<br />
diesem Thema an. Er verwies nicht nur auf den Konzern General Electric, der in Bangalore mehr<br />
promovierte Akademiker als in seinem US-Forschungszentrum beschäftige, sondern auch auf indische<br />
Arzneimittelfirmen, die ihre Softwareentwicklung in die USA auslagerten, oder auf die Bankengruppe<br />
ABN-Amro, die die hochqualifizierte Arbeit nach Indien <strong>und</strong> lediglich die weniger qualifizierten<br />
Tätigkeiten (Back-Office) in die USA auslagere.<br />
Die Gefahr der Unklarheit über <strong>Betriebsverlagerungen</strong>, in manchen Wörterbüchern auch als<br />
"Standortverlagerung" (delocalisation) bezeichnet, erhöht sich durch einige Überschneidungen in der<br />
verwendeten Terminologie. Laut Prof. Dalia Marin von der Universität München wird das, was<br />
jüngstens als Outsourcing nach Osteuropa galt, nunmehr als Betriebsverlagerung bezeichnet. In den<br />
nachfolgenden Wortmeldungen war man bemüht, die <strong>Betriebsverlagerungen</strong> in dem breiteren Kontext<br />
von Offshoring, Outsourcing, Umstrukturierung <strong>und</strong> Globalisierung genau zu verorten, wobei jedoch<br />
keine vollkommene Übereinstimmung erzielt wurde.<br />
Sogar die Definition in der Stellungnahme des EWSA vom Juli 2005 1 ("Verlagerung ist die völlige<br />
oder teilweise Einstellung einer Tätigkeit <strong>und</strong> ihre Wiederaufnahme im Ausland im Rahmen einer<br />
Direktinvestition.") erwies sich als offen für mehrere Interpretationen des Begriffs "im Ausland". Es<br />
besteht eine ständige Unsicherheit darüber, ob die Diskussion allein auf <strong>Betriebsverlagerungen</strong> von<br />
der EU der 15 oder der EU der 25 aus <strong>und</strong> auf <strong>Betriebsverlagerungen</strong> nur in die neuen Mitgliedstaaten<br />
oder in Drittländer ausgerichtet werden soll.<br />
Philippe De Buck vom europäischen Arbeitgeberverband UNICE verwies auf das vielgestaltige<br />
Potenzial von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>, indem er die sogar innerhalb einzelner Regionen unterschiedlichen<br />
Reaktionen ansprach, die bisweilen in regelrechten Kämpfen zwischen den Gemeinden<br />
um die Verlagerung ansässiger Unternehmen gipfelten.<br />
… der weitere Zusammenhang …<br />
In seinem Vortrag beleuchtete Pierre Defraigne vom Institut Français des Relations Internationales<br />
(Eur-IFRI) das Thema <strong>Betriebsverlagerungen</strong> im weitesten Kontext. Er wies darauf hin dass die<br />
Globalisierung - bestenfalls - gr<strong>und</strong>legend neue Perspektiven für die Weltordnung mit sich bringen<br />
könne. Sie biete noch nie dagewesene Aussichten auf eine Steigerung von Produktivität, Wohlstand<br />
<strong>und</strong> Innovation sowie für die Integration des Südens <strong>und</strong> die Bewältigung der Umweltprobleme auf<br />
globaler Ebene. Damit dies eintrete, müsse die EU jedoch lernen, das Geschehen in diesem Prozess zu<br />
bestimmen. Sie müsse in Zukunft auch in der Lage sein, auf internationaler Ebene starken Druck<br />
auszuüben, um Verwerfungen im sozialen Gefüge abzuwenden <strong>und</strong> eine gerechtere Aufteilung des<br />
erzeugten Wohlstands zu sichern.<br />
1 CCMI/014 - CESE 851/2005 : "Ausmaß <strong>und</strong> Auswirkungen von <strong>Betriebsverlagerungen</strong>"