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Gewalt, Rassismus und Zivilcourage unter Kindern und Jugendlichen

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zeilen wie » sie lagen am Wolgastrand <strong>und</strong> liebten<br />

Deutschland so heiß«.<br />

Ich habe vor mehreren Jahren mal mit Rennicke<br />

gesprochen. Er hat mir damals ganz stolz erzählt,<br />

dass er versucht, mit seiner Frau so viel wie<br />

möglich Kinder in die Welt zu setzen, um auf<br />

diese Weise etwas gegen die Überfremdung<br />

Deutschlands zu tun. Inzwischen hat er, glaube<br />

ich, fünf Kinder.<br />

Dieser Aufmarsch in Berlin <strong>und</strong> die zwiespältigen<br />

Reaktionen zeigen, dass auch ein Jahr nach dem<br />

Aufstand der Anständigen der Rechtsextremismus<br />

eine Dauererscheinung bleibt. Ein paar Zeilen:<br />

Im Jahr 2000 registrierten die Sicherheitsbehörden<br />

fast 16.000 Straftaten mit rechtem Hintergr<strong>und</strong>.<br />

Dar<strong>unter</strong> ungefähr 1.000 <strong>Gewalt</strong>taten.<br />

Auch 2001 hat sich das Straftatenniveau nur wenig<br />

verändert, vor allem hinsichtlich der <strong>Gewalt</strong>taten.<br />

So haben die Behörden beispielsweise von<br />

Januar bis September allein in Brandenburg 68<br />

<strong>Gewalt</strong>taten mit rechtem Hintergr<strong>und</strong> gezählt. Im<br />

***<br />

epd-Dokumentation 49/2002 15<br />

Wesentlichen handelt es sich um Angriffe auf<br />

Migranten. Die Zahlen sind insofern aber mit<br />

Vorsicht zu genießen, weil die Zählweise von<br />

B<strong>und</strong>esland zu B<strong>und</strong>esland <strong>unter</strong>schiedlich gehandelt<br />

wird.<br />

Manchmal werden Hakenkreuzschmierereien nur<br />

unvollständig bei den politischen Straftaten mitgezählt,<br />

denn die Täter könnten ja Kinder gewesen<br />

sein. Es gibt auch Polizeibehörden, die sagen,<br />

wenn ein Obdachloser von Rechten zusammengeschlagen<br />

wird, dann kann das keine<br />

rechte Straftat sein, weil das Opfer kein Ausländer<br />

ist. Der Mann sei einfach so zusammengeschlagen<br />

worden. Wie beispielsweise der Obdachlose<br />

Dieter Manske, der im August d.J. in<br />

Dahlewitz, das ist ein kleiner Ort südlich von<br />

Brandenburg, von jungen Männern zu Tode getreten<br />

wurde. Er hatte sich in einem leer stehenden<br />

Bungalow eingerichtet. Die Schläger kamen<br />

dorthin <strong>und</strong> meinten ... du störst! Dann haben sie<br />

Manske zu Tode geprügelt. Diese Form von <strong>Gewalt</strong><br />

wird von der Justiz nicht als politisch motiviert<br />

angesehen.<br />

Politiker <strong>und</strong> Kirchen in Berlin entsetzt über antisemitische Rufe<br />

Berlin (epd). Führende Vertreter<br />

von Politik <strong>und</strong> Kirchen in Berlin<br />

haben sich am 3. November erschrocken<br />

über antisemitische<br />

Beschimpfungen des Vorsitzenden<br />

der Jüdischen Gemeinde der<br />

Stadt, Alexander Brenner, gezeigt.<br />

Bei seiner Ansprache am<br />

Freitag zur Rückbenennung einer<br />

Spandauer Straße in »Jüdenstraße«<br />

waren aus einer Menge von<br />

40 Menschen Buhrufe, Pfiffe sowie<br />

»Juden raus«-Rufe ertönt. Der<br />

Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses,<br />

Walter Momper<br />

(SPD), nannte den Vorfall eine<br />

»Schande«.<br />

Erstmals sei offener Antisemitismus<br />

bei einer öffentlichen Veranstaltung<br />

gegenüber einem Repräsentanten<br />

der Jüdischen Gemeinde<br />

ausgebrochen, sagte der Berliner<br />

evangelische Bischof Wolfgang<br />

Huber. Außer »Juden raus«<br />

hatten die Gegendemonstranten<br />

auch »Sie sind gottlos« <strong>und</strong> »Ihr<br />

Juden seid an allem schuld« gerufen.<br />

Wie die »Berliner Zeitung«<br />

berichtete, habe Brenner daraufhin<br />

seine Ansprache mit den<br />

Worten abgebrochen: »Sie stellen<br />

sich, ob Sie wollen oder nicht, in<br />

eine Reihe mit Neonazis«.<br />

»Wir sind an einem Punkt angekommen,<br />

wo es kaum noch<br />

Hemmschwellen gibt«, erklärte<br />

der Antisemitismusforscher Wolfgang<br />

Benz von der Berliner Technischen<br />

Universität. Früher sei<br />

über Juden abwertend am<br />

Stammtisch gesprochen worden.<br />

»Heute haben die Leute keine<br />

Scheu davor, Juden in aller Öffentlichkeit<br />

zu diffamieren.« Nach<br />

Ansicht des Spandauer Bezirksstadtrats<br />

für Bildung, Kultur <strong>und</strong><br />

Sport, Gerhard Hanke (CDU),<br />

treten <strong>unter</strong> den Kritikern der<br />

umstrittenen Umbenennung inzwischen<br />

vermehrt NPD-<br />

Anhänger auf.<br />

Die Umbenennung der »Kinkelstraße«<br />

in »Jüdenstraße« war<br />

nach 17-jähriger Diskussion im<br />

Frühjahr von der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung<br />

beschlossen worden. Anwohner<br />

sind dagegen. Sie berufen sich<br />

darauf, dass der Name Kinkel,<br />

der der Straße 1938 gegeben wurde,<br />

eng mit Spandau verb<strong>und</strong>en<br />

sei.<br />

Gottfried Kinkel (1815-1882) war<br />

Kunsthistoriker <strong>und</strong> kämpfte<br />

1848 als Demokrat für die Interessen<br />

der republikanischen Linken.<br />

Er wurde 1849 zu lebenslanger<br />

Haft verurteilt, konnte aber<br />

nach England flüchten. Nach dem<br />

Willen der »Bürgeraktion Kinkelstraße«<br />

soll an die jüdische Vorgeschichte<br />

des Viertels nicht<br />

durch eine Umbenennung, sondern<br />

durch Ausstellungen <strong>und</strong><br />

Gedenktafeln erinnert werden.<br />

(epd-Basisdienst, 3.11.02)

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