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Gewalt, Rassismus und Zivilcourage unter Kindern und Jugendlichen

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in Sachen Bewältigung der Geschichte. Ein Kernsatz<br />

von Bubis lautete: »Man hüte sich vor Verallgemeinerungen.«<br />

Unter anderem vor der, dass<br />

an einer »Schule Ohne <strong>Rassismus</strong>« schon alle<br />

diesbezüglichen Lektionen gelernt sind.<br />

Im Vorfeld der Veranstaltungen hatten rechtsextreme<br />

Organisationen massiv gegen die Diskussionsveranstaltung,<br />

Ignatz Bubis <strong>und</strong> das Projekt<br />

Schule Ohne <strong>Rassismus</strong> Stimmung gemacht. Außerdem<br />

<strong>unter</strong>richtete zu der Zeit ein Lehrer an<br />

der Schule Geschichte, der für die »Republikaner«<br />

für den B<strong>und</strong>estag kandidierte. Die Veranstaltung<br />

zeigte deutlich, dass an einer Schule Ohne <strong>Rassismus</strong><br />

noch nicht alle Probleme gelöst sind, aber<br />

auch, dass Schule Ohne <strong>Rassismus</strong> ein Projekt ist,<br />

das Reibungen erzeugt. Allerdings ging die Auseinandersetzung<br />

an der Schule weiter, so gibt es<br />

z.B. seit dieser Diskussionsveranstaltung regelmäßig<br />

Gedenkstättenfahrten nach Buchenwald.<br />

Und es macht Mut, dass eine jüdische Schülerin<br />

des Immanuel-Kant-Gymnasiums bei einer WDR-<br />

Talkshow zum Thema »Jüdisches Leben in<br />

Deutschland heute« äußerte: »Ich habe nicht das<br />

Gefühl, als Jüdin in der Schule diskriminiert zu<br />

werde. Wenn das so wäre, könnte ich mich beschweren,<br />

schließlich sind wir eine Schule Ohne<br />

<strong>Rassismus</strong>.«<br />

Es gibt aber auch sehr viele ermutigende Beispiele.<br />

Erika Springer, Lehrerin an der Steinbrink-<br />

Gr<strong>und</strong>schule in Dortm<strong>und</strong>-Wickede, führt mit<br />

<strong>Kindern</strong> Spurensuche-Projekte durch, besucht die<br />

jüdische Gemeinde von Dortm<strong>und</strong>, setzt sich mit<br />

<strong>Kindern</strong> über die Shoa auseinander. Z.T. erfahren<br />

die Eltern durch die Aktivitäten der Kinder zum<br />

ersten Mal, dass die Judenvernichtung nicht nur<br />

in den Metropolen stattgef<strong>und</strong>en hat, sondern<br />

auch in ihrem Stadtteil.<br />

»Im Rahmen des Projekts »Schule Ohne <strong>Rassismus</strong>«<br />

beschäftige ich mich mit meiner jeweiligen<br />

Klasse mit dem Schicksal der jüdischen Familie in<br />

Dortm<strong>und</strong>-Wickede vor 1945. Der kleine jüdische<br />

Friedhof wird von den <strong>Kindern</strong> der dritten <strong>und</strong><br />

vierten Klasse gepflegt. Eltern <strong>und</strong> Kinder nehmen<br />

an der Gedenkfeier anlässlich der Pogromnacht<br />

am 9. November mit weiteren Bürgern des<br />

Vororts teil. Kinder sprechen Texte, die sie selbst<br />

verfasst haben. Bei der Beschäftigung mit der<br />

Vergangenheit wird immer wieder deutlich, wohin<br />

<strong>Rassismus</strong> führen kann. Selbstverständlich<br />

werden die Parallelen zur Gegenwart aufgezeigt.<br />

Ich glaube, dass Kinder <strong>und</strong> Eltern sensibler geworden<br />

sind für Ereignisse <strong>und</strong> Erlebnisse, die<br />

epd-Dokumentation 49/2002 31<br />

<strong>Rassismus</strong> dokumentieren. Und insofern wage ich<br />

zu sagen, dass das Projekt »Schule Ohne <strong>Rassismus</strong>«<br />

Kinder <strong>und</strong> Eltern positiv beeinflusst hat.«<br />

Im Herbst regte die Schule an, einen neu entstandenen<br />

Platz in ihrem Ortsteil zum Gedenken an<br />

die Wickeder Juden Levi-Cohen-Platz zu nennen.<br />

Dieser Vorschlag wurde von der Bezirksvertretung<br />

<strong>und</strong> der Öffentlichkeit breit diskutiert. Eine<br />

große Mehrheit von Leserbriefschreiber/innen<br />

sprach sich für den Namensvorschlag aus. Einige<br />

wenige Leserbriefschreiber äußerten sich unverblümt<br />

antisemitisch. Sie meinten, dass es genügend<br />

Gedenkorte gibt, <strong>und</strong> warfen der Schule<br />

Manipulation der Schüler/innen vor. Durch die<br />

Stimmen der CDU <strong>und</strong> der Bürgerliste wurde die<br />

Benennung des Wickeder Dorfplatzes in Levi-<br />

Cohen-Platz abgelehnt. Die Schüler/innen haben<br />

ihre Lektion gelernt. Die Beteiligung von <strong>Kindern</strong><br />

wird überall gefordert, soll sich aber auf Themen<br />

wie die Verschönerung von Spielplätzen beschränken.<br />

Wo kommen wir hin, wenn uns Kinder<br />

an die dunklen Seiten der deutschen Geschichte<br />

erinnern.<br />

Die Schüler/innen <strong>und</strong> Lehrerinnen ließen aber<br />

nicht locker. Zusammen mit dem bildenden<br />

Künstler Marcus Kiel entwarfen sie ein Denkmal<br />

für die »Juden aus Dortm<strong>und</strong>-Wickede«, das am<br />

29. Juni 2002 im Beisein des nordrheinwestfälischen<br />

Ministerpräsidenten Wolfgang Clement<br />

der Öffentlichkeit übergeben wurde.<br />

Der Autor ist Diplom-Sozialpädagoge in der<br />

Kontaktstelle Evangelische Jugend des Kirchenkreises<br />

Dortm<strong>und</strong>-Mitte-Nordost. Er begleitet<br />

seit 1995 Dortm<strong>und</strong>er, Lüner <strong>und</strong><br />

Schwerter Schulen, die sich am Projekt »Schule<br />

Ohne <strong>Rassismus</strong>« beteiligen.<br />

Kontaktadressen:<br />

Die B<strong>und</strong>eskoordination von »Schule Ohne <strong>Rassismus</strong> - Schule Mit<br />

Courage« liegt bei der AKTIONCOURAGE e.V., Ahornstr. 5,<br />

10787 Berlin, Tel.: 030/78953972, E-Mail:<br />

aktioncourage.berlin@t-online.de. Dort gibt es weitere Informationen<br />

zu dem Projekt.<br />

Außerdem gibt es in vielen B<strong>und</strong>esländern Service-Stationen, die<br />

das Projekt vor Ort bekannt machen <strong>und</strong> begleiten. In Dortm<strong>und</strong><br />

ist das z.B. die Kontaktstelle Evangelische Jugend des Kirchenkreises<br />

Dortm<strong>und</strong>-Mitte-Nordost, Gut-Heil-Str. 10, 44145 Dortm<strong>und</strong>,<br />

Tel.: 0231/84796930, Fax: 0231/84796938. Sie begleitet<br />

12 Schulen, die den Titel Schule Ohne <strong>Rassismus</strong> tragen, im<br />

Arbeitskreis Schule Ohne <strong>Rassismus</strong>. Im Arbeitskreis findet ein<br />

Erfahrungsaustausch über das Projekt statt <strong>und</strong> es werden<br />

gemeinsame Veranstaltungen geplant.

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