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Gewalt, Rassismus und Zivilcourage unter Kindern und Jugendlichen

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der Szene <strong>und</strong> zu einer Konzentration auf öffentlich<br />

wenig auffällige Aktionsformen. Das NS-<br />

Gedankengut wurde konserviert in kleinen kulturellen<br />

Zirkeln wie dem betulichen Deutschen<br />

Kulturwerk Europäischen Geistes oder der Gesellschaft<br />

für freie Publizistik <strong>und</strong> in Zeitschriften<br />

wie »Nation Europa«. Hier fanden die Dichter <strong>und</strong><br />

Denker des Nationalsozialismus ihre Anhänger<br />

<strong>und</strong> Verehrer im Verborgenen, bei den Lippoldsberger<br />

Dichtertagen oder auch den öffentlich<br />

wenig beachteten Sonnenwendfeiern. Hier betrieben<br />

NS-Literaten wie Hans Grimm oder Hans<br />

Venatier Traditionspflege für Ewig-Gestrige, weitgehend<br />

unbeachtet von der Öffentlichkeit der<br />

Wirtschaftsw<strong>und</strong>er-Gesellschaft mit ihrer »Ohnemich«-Mentalitat.<br />

Das politische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Ghetto solcher Positionen wurden von den<br />

Akteuren legitimiert vom Glauben an die künftige<br />

Elite, an die besseren Deutschen. Ihre Aktivitäten<br />

sind natürlich noch eng verb<strong>und</strong>en mit den biografischen<br />

Erfahrungen des noch nicht lange zurückliegenden<br />

Nationalsozialismus. Die rechtsextreme<br />

Szene der fünfziger Jahre agiert bewusst im<br />

gesellschaftlichen Abseits, sie bildet subkulturelle<br />

Verhaltensstile. Lebenspraktische Orientierungen,<br />

subjektive Wertsetzungen, Sprachregelungen,<br />

Feierrituale, soziale Beziehungsmuster <strong>und</strong> Umgangsformen<br />

stiften einen gemeinsamen Lebenszusammenhang,<br />

der das gesamte rechte Lager<br />

zusammenhält im kollektiven Selbstverständnis<br />

des Wartens auf bessere Zeiten.<br />

Erst 1964 führten die Bemühungen der versprengten<br />

Rechten, eine schlagkräftige Sammlungsbewegung<br />

von rechts zu gründen, zum Erfolg.<br />

Die Nationaldemokratische Partei (NPD)<br />

wurde zur erfolgreichsten rechtsextremen Partei<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik. Sie saß bis 1969 in sieben<br />

Länderparlamenten <strong>und</strong> scheiterte bei der B<strong>und</strong>estagswahl<br />

1969 nur knapp mit 4,3 Prozent. Sie<br />

bot sich als die traditionsbewahrende nationalkonservative<br />

Gegenströmung zur revoltierenden<br />

Studentenbewegung Ende der sechziger Jahre<br />

<strong>und</strong> als Alternative zur CDU/CSU, die in eben<br />

jenen Jahren eine Große Koalition mit der SPD<br />

eingegangen war <strong>und</strong> von vielen Konservativen<br />

des Verrats ihrer Ideale bezichtigt wurde, an.<br />

Die Niederlage der NPD bei der B<strong>und</strong>estagswahl<br />

1969 <strong>und</strong> das anschließende parlamentarische<br />

Aus auch bei den folgenden Landtagswahlen<br />

schien all denen Recht zu geben, die Rechtsextremismus<br />

für ein Problem der Kriegsgeneration<br />

hielten, das sich mit fortschreitender Zeit von<br />

selbst erledigen würde. »Da die heutigen Rechtsextremen«,<br />

schrieb Knutter schon 1961, »zum<br />

überwiegenden Teil mit den Anhängern des Nati-<br />

epd-Dokumentation 49/2002 9<br />

onalsozialismus <strong>und</strong> der vornationalsozialistischen<br />

Rechten identisch sind, deutet vieles darauf<br />

hin, dass sich das Problem in seiner heutigen<br />

Form mit dem Aussterben der Generation, die<br />

den Nationalsozialismus bewusst erlebt <strong>und</strong> bejaht<br />

hat, von selbst regeln wird.« Diese damals<br />

weithin geteilte Auffassung sollte sich jedoch als<br />

falsch herausstellen.<br />

In den siebziger Jahren vollzieht sich in Westdeutschland<br />

ein gr<strong>und</strong>legender Strukturwandel<br />

des organisierten Rechtsextremismus. Generationswechsel,<br />

Provokation <strong>und</strong> Militanz sind die<br />

Stichworte. Jüngere, in der Nachkriegszeit Geborene,<br />

drangen nach vorne. In der NPD <strong>und</strong> anderen<br />

Organisationen geraten die Alten <strong>unter</strong> Druck,<br />

die Jüngeren wollen eine radikale Reform der<br />

Programmatik. Die Aktion Neue Rechte, nationalrevolutionäre<br />

Gruppen an den Hochschulen <strong>und</strong><br />

andere, zumeist um kleine Zeitschriften gruppierte<br />

Strömungen nehmen sich die französische<br />

Neue Rechte, die Novelle Droite zum Vorbild <strong>und</strong><br />

starten den Kampf um die Köpfe. Die Rechte soll<br />

theorie- <strong>und</strong> programmfähig werden, rechtsgerichtete<br />

Schüler- <strong>und</strong> Jugendzeitschriften expandieren.<br />

Ernst Jünger, Moeller van den Bruck <strong>und</strong><br />

andere Vertreter der Konservativen Revolution<br />

der zwanziger Jahre werden gelesen <strong>und</strong> diskutiert,<br />

die Neue Rechte soll nach dem Muster der<br />

Neuen Linken antreten. Es geht um die Kritik am<br />

»american way of life«, am Kapitalismus, die nationale<br />

Revolution soll Deutschland <strong>und</strong> Europa<br />

wieder auf die alteuropäischen, vorrevolutionären<br />

Entwicklungspfade bringen. In Deutschland operieren<br />

die kleinen Gruppen der Neuen Rechten<br />

letztlich ohne größere Erfolge, sieht man von<br />

kleinen Projekten, wie etwa der Wochenzeitung<br />

»Junge Freiheit« ab, die sich als Gegengründung<br />

zur Tageszeitung (taz) versteht.<br />

Folgenreicher sind die Provokationen der jungen<br />

Neonazis um Michael Kühnen <strong>und</strong> Christian<br />

Worch. Vor allem Kühnens Aktionsfront Nationaler<br />

Sozialisten (ANS) betreibt geschickte Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Kühnen erklärt in der Rhetorik<br />

<strong>und</strong> im Gestus junger Intellektueller die Gaskammern<br />

zur Erfindung der Siegermächte <strong>und</strong><br />

proklamiert die nationalsozialistische Revolution.<br />

Die westdeutsche Öffentlichkeit hatte lange Jahre,<br />

begleitet vom »Wirtschaftsw<strong>und</strong>er«, geringer Arbeitslosigkeit<br />

<strong>und</strong> steigenden Einkommen, den<br />

Rechtsextremismus zum Randproblem ewiggestriger<br />

Alt-Nazis erklärt <strong>und</strong> damit das Problem<br />

verdrängt. Nun aber war es eine neue Generation<br />

der Zwanzig- <strong>und</strong> Dreißigjährigen, die <strong>unter</strong> Bedingungen<br />

einer lange anhaltenden Krise des<br />

Arbeitsmarktes <strong>und</strong> verminderter Lebenschancen

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